Leitsatz
[1] Die Partei, die in dem Verfahren vor dem staatlichen Gericht mit Erfolg die Einrede des Schiedsverfahrens erhoben hat, ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, gegenüber dem von dem Gegner daraufhin eingeleiteten Schiedsverfahren mit dem Antrag gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO geltend zu machen, das staatliche Gericht sei doch zuständig.
Gesetze: ZPO § 128 Abs. 2; ZPO § 1032 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Stuttgart, 1 SchH 4/07 vom
Gründe
I.
Die Antragstellerin lieferte der Antragsgegnerin aufgrund eines von ihr oder von ihrer Streithelferin mit der Antragsgegnerin geschlossenen Vertrages eine T. -Anlage. Die Antragsgegnerin begehrt Wandlung dieses Vertrages und erhob gegen die Antragstellerin eine hierauf gerichtete Klage vor dem staatlichen Gericht. Die Antragstellerin setzte der Klage die Einrede des Schiedsvertrages entgegen und drang damit durch; die Klage wurde als unzulässig abgewiesen.
Die Antragsgegnerin verfolgte daraufhin ihr Wandlungsbegehren mit einem schon früher gegen die Antragstellerin eingeleiteten Schiedsverfahren weiter. Hiergegen hat die Antragstellerin nunmehr beantragt, gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO festzustellen, dass das Schiedsverfahren unzulässig sei, und verschiedene Hilfsanträge gestellt.
Das Oberlandesgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin und ihrer Streithelferin.
II.
Die Rechtsbeschwerde - der Antragstellerin und der Streithelferin, die ein einheitliches Rechtsmittel bildet (vgl. - NJW 1993, 2944; Musielak/Weth, ZPO 6. Aufl. 2008 § 67 Rn. 4, jeweils m.w.N.) - ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert ( § 574 Abs. 2 ZPO).
1.
Die Rechtsbeschwerde sieht eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dadurch aufgeworfen, dass das Oberlandesgericht davon ausgegangen sei, dem Prozessurteil eines staatlichen Gerichts, das eine Klage aufgrund der Einrede des Schiedsvertrags als unzulässig abweise, komme Bindungswirkung für ein nachfolgendes Schiedsverfahren zu; die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung könne nicht mehr aufgrund von Tatsachen in Frage gestellt werden, die zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung bzw. zu dem gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen hätten. Eine solche Bindungswirkung ist nach Auffassung der Rechtsbeschwerde zu verneinen, weil mit der Rechtskraft des Prozessurteils nur die Unzulässigkeit der Klage wegen Unzuständigkeit der staatlichen Gerichte feststehe. Eine - weitergehende - Rechtskraftwirkung in dem Sinne, dass auch das Bestehen einer wirksamen Schiedsvereinbarung und die Zulässigkeit des Verfahrens vor dem Schiedsgericht nicht mehr infrage gestellt werden könne, sei dem Verfahren nach § 1032 Abs. 1 ZPO vorbehalten.
Eine grundsätzliche Klärung der Bindungswirkung eines aufgrund Schiedseinrede ergangenen Prozessurteils ist hier indes nicht veranlasst. Der Antragstellerin ist es jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, die Unzulässigkeit des gegen sie eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahrens geltend zu machen; diese Einrede steht damit auch nicht der Streithelferin zu Gebote.
a)
Die Antragsgegnerin fordert von der Antragstellerin Wandelung des Vertrags über die Lieferung der T. -Anlage in K. . Sie erhob deshalb gegen die Antragstellerin am Klage vor dem staatlichen Gericht. Die Antragstellerin verteidigte sich mit der Schiedseinrede und hatte damit Erfolg: Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die Klage der Antragsgegnerin durch Urteil vom - 8 U 80/06 - als unzulässig ab. Die Antragsgegnerin macht ihr Wandelungsbegehren nunmehr in einem Schiedsverfahren geltend, das sie im Hinblick auf die von der Antragstellerin erhobene Schiedseinrede vorsorglich bereits am eingeleitet hatte. Am - nach Erlass des von ihr erstrittenen Prozessurteils - reichte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag ein, gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin am eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig sei.
Dieses widersprüchliche Verfahren verstößt gegen Treu und Glauben.
Hat eine Partei in dem Verfahren vor dem staatlichen Gericht geltend gemacht, nicht das staatliche, sondern das Schiedsgericht sei zuständig, so ist es ihr in der Regel verwehrt, sich später im schiedsrichterlichen Verfahren darauf zu berufen, es sei doch das staatliche Gericht zuständig; ein solches gegensätzliches Verhalten einer Partei läuft auf den Versuch hinaus, dem Gegner in jeder der beiden Verfahrensarten den Rechtsschutz abzuschneiden und ihn damit praktisch rechtlos zu stellen. Dem Gegner ist es nicht zumutbar, sich durch ein solches widersprüchliches Verfahren abwechselnd von einem Rechtsweg in den anderen verweisen zu lassen. Vielmehr muss sich die Partei, die im Verfahren vor dem staatlichen Gericht den Standpunkt eingenommen hat, dieses sei nicht zuständig, der Streit gehöre vor ein Schiedsgericht, an dieser Auffassung auch später im Verfahren vor dem Schiedsgericht festhalten lassen. Sie ist deshalb nach Treu und Glauben grundsätzlich gehindert, die Einrede, das staatliche Gericht sei nun doch zuständig, anschließend in dem daraufhin von dem Gegner eingeleiteten Schiedsverfahren (vgl. § 1040 ZPO) oder mit einem hiergegen gerichteten Feststellungsantrag zum staatlichen Gericht ( § 1032 Abs. 2 ZPO) geltend zu machen (im Ergebnis allgemeine Auffassung, allerdings mit unterschiedlicher Begründung: Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. 2002 § 1032 Rn. 19 <unzulässige Rechtsausübung>; MünchKomm ZPO/Münch 3. Aufl. 2008 § 1032 Rn. 21 <Rechtskraftwirkung, überdies Arglist>; Zöller/Geimer, ZPO 27. Aufl. 2009 § 1032 Rn. 12 <Bindungswirkung sui generis>; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kap. 7 Rn. 3 <Rechtskraftwirkung>, siehe auch Rn. 4; RGZ 40, 401, 403 f <Arglist und Rechtskraftwirkung>; vgl. ferner - zur umgekehrten Fallgestaltung <Beklagter macht im Schiedsverfahren die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts geltend und erhebt später vor dem staatlichen Gericht die Schiedseinrede> - BGHZ 50, 191, 196 f <Arglist>).
b)
Von diesen Grundsätzen abzuweichen, weil sich die Sachlage nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder - worauf es hier ankommt - dem gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt () geändert hätte, besteht kein Anlass. Nach den im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gemäß § 574 Abs. 2 ZPO hinzunehmenden Erwägungen des Oberlandesgerichts besteht die Schiedsvereinbarung fort. Es liegen auch sonst nicht beachtliche Gründe vor, die ausnahmsweise das gegensätzliche Verhalten der Antragstellerin in beiden Verfahren verständlich und gerechtfertigt erscheinen ließen (vgl. BGHZ 50, 191, 197) .
2.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW-RR 2009 S. 1582 Nr. 22
WM 2009 S. 1623 Nr. 34
HAAAD-22661
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja