Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (RL 1999/93/EG)
v. 19. 1. 2000
(ABl Nr. L 13 S. 12) Hinweis der Redaktion: Diese Rechtsnorm wird
nicht weiter gepflegt bzw. aktualisiert. Der Rechtsstand der hier angezeigten
Textfassung könnte sich daher geändert haben.
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT
UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –
gestützt auf den Vertrag
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf
Artikel 47 Absatz 2, Artikel 55 und 95,
auf Vorschlag der Kommission
,
nach Stellungnahme des
Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
nach Stellungnahme des
Ausschusses der Regionen
,
gemäß dem Verfahren
des Artikels 251 des Vertrags
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Am 16. April 1997
hat die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Wirtschafts-
und Sozialausschuß und dem Ausschuß der Regionen eine Mitteilung
mit dem Titel „Europäische Initiative für den elektronischen
Geschäftsverkehr” vorgelegt.
(2) Am 8. Oktober
1997 hat die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem
Wirtschafts- und Sozialausschuß und dem Ausschuß der Regionen eine
Mitteilung über „Sicherheit und Vertrauen in elektronische
Kommunikation – Ein europäischer Rahmen für digitale
Signaturen und Verschlüsselung” unterbreitet.
(3) Am 1. Dezember
1997 hat der Rat die Kommission aufgefordert, so bald wie möglich einen
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des
Rates über digitale Signaturen vorzulegen.
(4) Elektronische
Kommunikation und elektronischer Geschäftsverkehr erfordern
„elektronische Signaturen” und entsprechende
Authentifizierungsdienste für Daten. Divergierende Regeln über die
rechtliche Anerkennung elektronischer Signaturen und die Akkreditierung von
Zertifizierungsdiensteanbietern in den Mitgliedstaaten können ein
ernsthaftes Hindernis für die elektronische Kommunikation und den
elektronischen Geschäftsverkehr darstellen. Klare gemeinschaftliche
Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen stärken
demgegenüber das Vertrauen und die allgemeine Akzeptanz hinsichtlich der
neuen Technologien. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollten den
freien Waren- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt nicht
behindern.
(5) Die
Interoperabilität von Produkten für elektronische Signaturen sollte
gefördert werden. Gemäß Artikel 14 des Vertrags
umfaßt der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie
Warenverkehr gewährleistet ist. Es sind grundlegende Anforderungen zu
erfüllen, die speziell für Produkte für elektronische Signaturen
gelten, um so den freien Verkehr im Binnenmarkt zu gewährleisten und das
Vertrauen in digitale Signaturen zu fördern, wobei die Verordnung (EG)
Nr. 3381/94 des Rates vom 19. Dezember 1994 über eine
Gemeinschaftsregelung der Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem
Verwendungszweck
und der Beschluß
94/942/GASP des Rates vom 19. Dezember 1994 über die vom Rat
angenommene gemeinsame Aktion zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit
doppeltem Verwendungszweck
unberührt
bleiben.
(6) Mit der vorliegenden
Richtlinie wird die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der
Vertraulichkeit von Informationen nicht harmonisiert, wenn für derartige
Dienstleistungen einzelstaatliche Vorschriften hinsichtlich der
öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelten.
(7) Der Binnenmarkt
gewährleistet die Freizügigkeit von Personen, wodurch Bürger und
Gebietsansässige der Europäischen Union zunehmend mit Stellen in
anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ihres Wohnsitzes in Verbindung treten
müssen. Die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation könnte
in dieser Hinsicht von großem Nutzen sein.
(8) Die rasche
technologische Entwicklung und der globale Charakter des Internet erfordern ein
Konzept, das verschiedenen Technologien und Dienstleistungen im Bereich der
elektronischen Authentifizierung offensteht.
(9) Elektronische
Signaturen werden bei einer Vielzahl von Gegebenheiten und Anwendungen genutzt,
die zu einem großen Spektrum neuer Dienste und Produkte im Zusammenhang
mit oder unter Verwendung von elektronischen Signaturen führen. Die
Definition solcher Produkte und Dienste sollte sich nicht auf die Ausstellung
und Verwaltung von Zertifikaten beschränken, sondern sollte auch alle
sonstigen Dienste und Produkte einschließen, die elektronische Signaturen
verwenden oder mit ihnen zusammenhängen, wie Registrierungsdienste,
Zeitstempel, Verzeichnisdienste, Rechnerdienste oder Beratungsdienste in
Verbindung mit elektronischen Signaturen.
(10) Der Binnenmarkt
ermöglicht es Zertifizierungsdiensteanbietern, grenzüberschreitend
tätig zu werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und damit
Verbrauchern und Unternehmen ohne Rücksicht auf Grenzen neue
Möglichkeiten des sicheren Informationsaustausches und elektronischen
Geschäftsverkehrs zu eröffnen. Um das gemeinschaftsweite Anbieten von
Zertifizierungsdiensten über offene Netze zu fördern, sollten
Anbieter von Zertifizierungsdiensten diese ungehindert ohne vorherige
Genehmigung bereitstellen können. Vorherige Genehmigung bedeutet nicht nur
eine Erlaubnis, wonach der betreffende Zertifizierungsdiensteanbieter einen
Bescheid der einzelstaatlichen Stellen einholen muß, bevor er seine
Zertifizierungsdienste erbringen kann, sondern auch alle sonstigen
Maßnahmen mit der gleichen Wirkung.
(11) Freiwillige
Akkreditierungssysteme, die auf eine Steigerung des Niveaus der erbrachten
Dienste abzielen, können Zertifizierungsdiensteanbietern den geeigneten
Rahmen für die Weiterentwicklung ihrer Dienste bieten, um das auf dem sich
entwickelnden Markt geforderte Maß an Vertrauen, Sicherheit und
Qualität zu erreichen. Diese Systeme sollten die Entwicklung bester
Praktiken durch Zertifizierungsdiensteanbieter fördern.
Zertifizierungsdiensteanbietern sollte es freistehen, sich akkreditieren zu
lassen und Akkreditierungssysteme zu nutzen.
(12) Zertifizierungsdienste sollten entweder von einer
öffentlichen Stelle oder einer juristischen oder natürlichen Person
angeboten werden können, sofern diese im Einklang mit den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelassen ist. Die Mitgliedstaaten
sollten es Anbietern von Zertifizierungsdiensten nicht untersagen, auch ohne
freiwillige Akkreditierung tätig zu sein. Es ist darauf zu achten,
daß Akkreditierungssysteme den Wettbewerb im Bereich der
Zertifizierungsdienste nicht einschränken.
(13) Die Mitgliedstaaten
können entscheiden, wie sie die Überwachung der Einhaltung der
Bestimmungen dieser Richtlinie gewährleisten. Diese Richtlinie
schließt nicht aus, daß privatwirtschaftliche
Überwachungssysteme geschaffen werden. Diese Richtlinie verpflichtet die
Zertifizierungsdiensteanbieter nicht, eine Überwachung im Rahmen eines
geltenden Akkreditierungssystems zu beantragen.
(14) Es ist wichtig, ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen den Bedürfnissen der Verbraucher und
der Unternehmen herzustellen.
(15) Anhang III
enthält die Anforderungen für sichere Signaturerstellungseinheiten
zur Gewährleistung der Funktionalität fortgeschrittener
elektronischer Signaturen. Er deckt nicht die gesamte Systemumgebung ab, in der
die Einheit betrieben wird. Das Funktionieren des Binnenmarktes verlangt von
der Kommission und den Mitgliedstaaten, rasch zu handeln, damit die Stellen
benannt werden können, die für die Bewertung der Übereinstimmung
von sicheren Signaturerstellungseinheiten mit den Anforderungen des Anhangs III
zuständig sind. Um den Markterfordernissen zu entsprechen, muß die
Bewertung der Übereinstimmung rechtzeitig und effizient erfolgen.
(16) Diese Richtlinie
leistet einen Beitrag zur Verwendung und rechtlichen Anerkennung elektronischer
Signaturen in der Gemeinschaft. Es bedarf keiner gesetzlichen Rahmenbedingungen
für elektronische Signaturen, die ausschließlich in Systemen
verwendet werden, die auf freiwilligen privatrechtlichen Vereinbarungen
zwischen einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern beruhen. Die Freiheit der
Parteien, die Bedingungen zu vereinbaren, unter denen sie elektronisch
signierte Daten akzeptieren, sollte respektiert werden, soweit dies im Rahmen
des innerstaatlichen Rechts möglich ist. Elektronischen Signaturen, die in
solchen Systemen verwendet werden, sollte die rechtliche Wirksamkeit und die
Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht abgesprochen
werden.
(17) Diese Richtlinie
zielt nicht darauf ab, nationales Vertragsrecht, insbesondere betreffend den
Abschluß und die Erfüllung von Verträgen, oder andere,
außervertragliche Formvorschriften bezüglich der Unterschriften zu
harmonisieren. Deshalb sollten die Regelungen über die rechtliche
Wirksamkeit elektronischer Signaturen unbeschadet einzelstaatlicher
Formvorschriften gelten, die den Abschluß von Verträgen oder die
Festlegung des Ortes eines Vertragsabschlusses betreffen.
(18) Das Speichern und
Kopieren von Signaturerstellungsdaten könnte die Rechtsgültigkeit
elektronischer Signaturen gefährden.
(19) Elektronische
Signaturen werden im öffentlichen Bereich innerhalb der staatlichen und
gemeinschaftlichen Verwaltungen und im Kommunikationsverkehr zwischen diesen
Verwaltungen sowie zwischen diesen und den Bürgern und
Wirtschaftsteilnehmern eingesetzt, z. B. in den Bereichen öffentliche
Auftragsvergabe, Steuern, soziale Sicherheit, Gesundheit und Justiz.
(20) Durch harmonisierte
Kriterien im Zusammenhang mit der Rechtswirkung elektronischer Signaturen
läßt sich gemeinschaftsweit ein kohärenter Rechtsrahmen
aufrechterhalten. In den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften sind verschiedene
Anforderungen für die Rechtsgültigkeit handschriftlicher
Unterschriften niedergelegt. Zertifikate können dazu dienen, die
Identität einer elektronisch signierenden Person zu bestätigen. Auf
qualifizierten Zertifikaten beruhende fortgeschrittene elektronische Signaturen
zielen auf einen höheren Sicherheitsstandard. Fortgeschrittene
elektronische Signaturen, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen und
von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt werden, können nur
dann gegenüber handschriftlichen Unterschriften als rechtlich gleichwertig
angesehen werden, wenn die Anforderungen für handschriftliche
Unterschriften erfüllt sind.
(21) Um die allgemeine
Akzeptanz elektronischer Authentifizierungsmethoden zu fördern, ist zu
gewährleisten, daß elektronische Signaturen in allen Mitgliedstaaten
in Gerichtsverfahren als Beweismittel verwendet werden können. Die
rechtliche Anerkennung elektronischer Signaturen sollte auf objektiven
Kriterien beruhen und nicht mit einer Genehmigung für den betreffenden
Zertifizierungsdiensteanbieter verknüpft sein. Die Festlegung der
Rechtsgebiete, in denen elektronische Dokumente und elektronische Signaturen
verwendet werden können, unterliegt einzelstaatlichem Recht. Diese
Richtlinie läßt die Befugnis der einzelstaatlichen Gerichte,
über die Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Richtlinie zu
befinden, unberührt; sie berührt auch nicht die einzelstaatlichen
Vorschriften über die freie gerichtliche Würdigung von
Beweismitteln.
(22) Diensteanbieter, die
ihre Zertifizierungsdienste öffentlich anbieten, unterliegen den
einzelstaatlichen Haftungsregelungen.
(23) Die Entwicklung des
internationalen elektronischen Geschäftsverkehrs erfordert
grenzüberschreitende Vereinbarungen unter Beteiligung von
Drittländern. Um die weltweite Interoperabilität zu
gewährleisten, könnten Vereinbarungen mit Drittländern über
multilaterale Regeln betreffend die gegenseitige Anerkennung der
Zertifizierungsdienste nützlich sein.
(24) Zur Stärkung des
Vertrauens der Nutzer in die elektronische Kommunikation und den elektronischen
Geschäftsverkehr müssen die Zertifizierungsdiensteanbieter die
Vorschriften über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre
achten.
(25) Die Bestimmungen
über die Nutzung von Pseudonymen in Zertifikaten hindern die
Mitgliedstaaten nicht daran, eine Identifizierung der Personen nach
Gemeinschaftsrecht oder einzelstaatlichem Recht zu verlangen.
(26) Die zur
Durchführung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sind
gemäß Artikel 2 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom
28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die
Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse
zu erlassen.
(27) Die Kommission nimmt
zwei Jahre nach der Umsetzung dieser Richtlinie eine Überprüfung vor,
um unter anderem sicherzustellen, daß der technologische Fortschritt oder
Änderungen des rechtlichen Umfelds keine Hindernisse für die
Realisierung der erklärten Ziele dieser Richtlinie mit sich gebracht
haben. Sie sollte die Auswirkungen verwandter technischer Bereiche prüfen
und dem Europäischen Parlament und dem Rat hierüber einen Bericht
vorlegen.
(28) Nach den in
Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Grundsätzen der
Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit kann das Ziel
der Schaffung harmonisierter rechtlicher Rahmenbedingungen für die
Bereitstellung elektronischer Signaturen und entsprechender Dienste von den
Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden und läßt sich
daher besser durch die Gemeinschaft verwirklichen. Diese Richtlinie geht nicht
über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß
hinaus –