BFH Urteil v. - XI R 26/08

Vorsteuerabzug bei nur teilweiser unternehmerischer Nutzung eines Fahrzeugs

Leitsatz

Die Beschränkung des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1b UStG für Fahrzeuge im Sinne des § 1b Abs. 2 UStG, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, ist in den Jahren 2001 und 2002 zwingend anzuwenden.
Der Tatbestand des § 15 Abs. 1b UStG ist mangels gemischter Nutzung nicht erfüllt, wenn Fahrzeuge dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses zur Nutzung überlassen werden.

Gesetze: UStG § 15 Abs. 1b, UStG § 27 Abs. 5, GG Art. 3

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) berechtigt ist, Umsatzsteuer, die auf die Leasingraten eines gemischtgenutzten Fahrzeugs entfallen, in den Streitjahren 2001 und 2002 vollständig als Vorsteuer abzuziehen.

Der Kläger war in den Streitjahren selbständiger Handelsvertreter. Im Rahmen dieser Tätigkeit nutzte er einen seit Dezember 2000 geleasten PKW, wobei er diesen in 2001 zu 15 % und in 2002 zu 10 % für Privatfahrten verwandte. Für die Leasingraten wurden ihm für das Jahr 2001 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 2 866,08 DM und für 2002 in Höhe von insgesamt 1 397,07 € in Rechnung gestellt, die er in seinen Büchern als zu 100 % abziehbar erfasste.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte gemäß § 15 Abs. 1b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) in den Streitjahren nur 50 % der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 413.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor, aus der Formulierung des Gesetzes in § 27 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003StÄndG 2003— (BGBl I 2003, 2645) ergebe sich, dass diese Vorschrift nicht gelte, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG vorgenommen worden sei. Es sei dann „die allgemeine Besteuerung” anzuwenden.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben sowie die Umsatzsteuerbescheide 2001 vom und 2002 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2001 auf 3 286,99 € und für 2002 auf 3 067,63 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1b UStG nur zu 50 % besteht.

1. § 15 Abs. 1b UStG hatte in den Streitjahren folgenden Wortlaut: „Nur zu 50 vom Hundert abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf die Anschaffung ..., die Miete…von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Abs. 2 entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden.”

a) Der Kläger nutzte sein Fahrzeug sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch. Die streitigen Vorsteuerbeträge entfallen —abhängig davon, ob es sich bei dem Leasing des Fahrzeugs um eine Lieferung oder eine sonstige Leistung handelt (vgl. hierzu , BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, unter II.2.b aa)— entweder auf die Anschaffung oder —im Fall des Miet-Leasings— auf die Miete des Fahrzeugs. Der Tatbestand des § 15 Abs. 1b UStG ist somit erfüllt. Der Kläger konnte daher nur 50 % der für die Leasingraten in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.

b) Das Vorbringen des Klägers, hilfsweise ordne er sein Fahrzeug nur im Umfang der unternehmerischen Nutzung seinem Unternehmen zu, sodass der Tatbestand des § 15 Abs. 1b UStG mangels gemischter Nutzung nicht erfüllt sei, führt nicht zum Erfolg. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Leasing des Fahrzeugs um eine Lieferung oder eine sonstige Leistung handelt.

aa) Im Fall einer Lieferung hätte der Kläger sein Fahrzeug dem Unternehmen vollständig zugeordnet, indem er den Vorsteuerabzug zu 100 % geltend machte. Spätere Absichtsänderungen des Klägers wirkten nicht auf den Zeitpunkt des Leistungsbezugs zurück (vgl. , BFHE 221, 456, unter II.3.d cc, m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich —entgegen der Auffassung des Klägers— auch nicht aus dem (BFHE 198, 216, BStBl II 2003, 815). Dieses enthält keine Aussage zum Zeitpunkt der Zuordnungsentscheidung. Vielmehr werden darin lediglich verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung dargestellt und Beweisanzeichen genannt, die für oder gegen eine Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen sprechen.

bb) Im Fall eines Miet-Leasings sind zwar die anzunehmenden sonstigen Leistungen grundsätzlich bereits bei Leistungsbezug in einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Teil aufzuteilen (vgl. , BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter II.3.b, m.w.N.). § 15 Abs. 1b UStG enthält insoweit jedoch eine Spezialregelung, mit der Folge, dass nur 50 % der auf die Miete entfallenden Vorsteuerbeträge abziehbar sind (vgl. Birkenfeld in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, E § 15 Abs. 1b Rz 220).

2. § 15 Abs. 1b UStG entsprach in den Streitjahren dem Gemeinschaftsrecht. Insbesondere war die Beschränkung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Entscheidung des Rates 2000/186/EG vom zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland, von den Artikeln 6 und 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - abweichende Regelungen anzuwenden (Ermächtigung des Rates 2000/186/EG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 59/12), gemeinschaftsrechtskonform (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-17/01 —Sudholz—, Slg. 2004, I-4243, BStBl II 2004, 806; , BFHE 206, 465, BStBl II 2004, 1025).

Soweit § 15 Abs. 1b UStG nicht auf Körperschaften anwendbar ist, die ihren Gesellschafter-Geschäftsführern betriebliche Fahrzeuge im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses überlassen, liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vor. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung —z.B. abhängig von der Rechtsform des Steuerpflichtigen— unterschiedlich behandelt werden (vgl. , BFHE 221, 484, unter II.2.b bb, m.w.N.). Die Überlassung von Fahrzeugen an Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen des Anstellungsverhältnisses ist, wie allgemein die Überlassung an Arbeitnehmer, eine entgeltliche unternehmerische Nutzung (vgl. auch , BStBl I 2004, 864, Tz. 4.1). Der Tatbestand des § 15 Abs. 1b UStG ist daher mangels gemischter Nutzung nicht erfüllt, wenn Fahrzeuge dem Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses zur Nutzung überlassen werden.

3. § 15 Abs. 1b UStG verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht dadurch gegen Art. 3 des Grundgesetzes, dass er im Fall der Überlassung von Fahrzeugen an angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer nicht anwendbar ist. Denn insoweit liegt ein mit dem Streitfall nicht vergleichbarer Sachverhalt vor. Im Falle einer Nutzung ohne ein Anstellungsverhältnis durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer für private Zwecke läge eine gemischte Nutzung i.S. des § 15 Abs. 1b UStG vor.

4. § 15 Abs. 1b UStG ist in den Streitjahren entgegen der Auffassung des Klägers zwingend anzuwenden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 27 Abs. 5 Satz 1 UStG i.d.F. des StÄndG 2003. Danach sind die §§ 3 Abs. 9a Satz 2, 15 Abs. 1b, 15a Abs. 3 Nr. 2 und 15a Abs. 4 Satz 2 UStG in der jeweils bis geltenden Fassung „auf Fahrzeuge anzuwenden, die nach dem und vor dem angeschafft…oder gemietet worden sind und für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b vorgenommen worden ist”.

Diese Vorschrift ist am (BGBl I 2003, 2645) verkündet worden. Zu diesem Zeitpunkt war dem Gesetzgeber bewusst, dass § 15 Abs. 1b UStG nicht für den gesamten Zeitraum vom bis dem Gemeinschaftsrecht entspricht. Denn § 15 Abs. 1b UStG beruhte auf der Ermächtigung des Rates 2000/186/EG vom (verkündet am ), die zum ausgelaufen war. Zumindest ab hatte § 15 Abs. 1b UStG daher keine gemeinschaftsrechtliche Grundlage (vgl. auch Gesetzesbegründung zum StÄndG 2003, BTDrucks 15/1562, S. 51, zu Buchst. c).

Aber auch für Zeiträume vor dem musste der Gesetzgeber die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Ermächtigung des Rates 2000/186/EG rechtswidrig und § 15 Abs. 1b UStG daher nicht gemeinschaftsrechtskonform war. Der BFH hatte dem EuGH nämlich mit Beschluss vom V R 30/00 (BFHE 193, 174) mehrere Fragen vorgelegt, die die Wirksamkeit der Ermächtigung des Rates 2000/186/EG betrafen. Erst am entschied der EuGH mit seinem Urteil in Slg. 2004, I-4243, BStBl II 2004, 806, dass die Ermächtigung für Zeiträume bis zur Verkündung der Ermächtigung des Rates 2000/186/EG, also bis , gemeinschaftsrechtswidrig und im Übrigen gemeinschaftsrechtskonform war.

Der Gesetzgeber musste vor diesem Hintergrund sicherstellen, dass § 15 Abs. 1b UStG nur in den Zeiträumen zwingend anzuwenden ist, in denen er gemeinschaftsrechtskonform war. Die Formulierung „und für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b vorgenommen worden ist” entspricht genau dieser Zielsetzung. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht, dass der Gesetzgeber noch vor Bekanntwerden der EuGH-Entscheidung in Slg. 2004, I-4243, BStBl II 2004, 806, die materielle Rechtslage für im Zeitraum bis angeschaffte Fahrzeuge ändern und nachträglich ein Wahlrecht einräumen wollte. Auch die Gesetzesbegründung enthält hierfür keine Anhaltspunkte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1155 Nr. 7
HFR 2009 S. 814 Nr. 8
DAAAD-22081