BFH Beschluss v. - XI B 94/08

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz; Schätzungsbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 119 Nr. 6, AO § 164, AO § 130, AO § 172

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden. Dies erfordert Ausführungen dazu, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage strittig ist, und eine Auseinandersetzung mit der zu dieser Rechtsfrage vorhandenen Rechtsprechung und Literatur (vgl. , BFH/NV 2005, 1335; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat zwar die Rechtsfrage aufgeworfen, welche Rechtsfolge ein Verstoß des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) nach sich ziehe, wenn entgegen einer innerdienstlichen Weisung durch Verwaltungsvorschrift ein Steuerverwaltungsakt nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werde, dieser Steuerverwaltungsakt formell bestandskräftig werde und bis zum gesetzlichen Wegfall des Vorbehalts gemäß § 164 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) noch eine entsprechende Steuererklärung bzw. ein Änderungsantrag erfolge. Eine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser konkreten Rechtsfrage ist jedoch unterblieben. Insbesondere hat der Kläger nicht im Einzelnen erläutert, welche Gründe dafür sprechen, die Rechtsfrage anders zu beantworten als dies das Finanzgericht (FG) im Streitfall getan hat. Er hat auch nicht dargelegt, warum eine ermessensfehlerhaft unterlassene Beifügung eines Vorbehalts der Nachprüfung trotz der Möglichkeit des Steuerpflichtigen, gegen den Schätzungsbescheid Einspruch einzulegen, nach Eintritt der formellen Bestandskraft zu einer Änderung des Bescheids führen soll. Dazu hätte schon deswegen Anlass bestanden, weil der Kläger nach seiner Einlassung hierzu keine Literaturmeinungen gefunden hat. Allein das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage begründet noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. , BFH/NV 2005, 1310). Das FG Baden-Württemberg ist jedenfalls —ebenso wie das FG in der angefochtenen Entscheidung— davon ausgegangen, dass ein wegen Nichtabgabe der Jahressteuerklärung geschätzter Umsatzsteuerbescheid nicht unwirksam und nichtig ist, wenn das FA den Schätzungsbescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hat (vgl. Urteil vom 3 K 125/98, juris).

2. Die vom Kläger behauptete Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO liegt nicht vor.

Das angefochtene Urteil weicht nicht von der Entscheidung des (BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752) ab. Der Kläger hat insoweit zwar einen abstrakten Rechtssatz des BFH herausgearbeitet. Abgesehen davon, dass der Entscheidung des BFH ein nicht vergleichbarer Sachverhalt —der Ansatz der Gewerbesteuerrückstellung nach der sog. 9/10-Methode— zugrunde lag, ist kein abstrakter Rechtssatz des FG ersichtlich, der zu dem vom Kläger zitierten Rechtssatz des BFH im Widerspruch steht. Denn das FG ist davon ausgegangen, dass das FA bei weisungsgemäßer Ermessensausübung die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2000 unter den Vorbehalt der Nachprüfung hätte stellen müssen.

Soweit der Kläger rügt, das FG habe die weitere Korrekturmöglichkeit des § 130 Abs. 1 AO übersehen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift auf die Änderung von Umsatzsteuerbescheiden keine Anwendung findet (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO).

Die Rüge, das FG habe die analoge Anwendung des § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. Art. 34 des Grundgesetzes verkannt, kann eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht begründen. Denn der Kläger macht insoweit einen materiell-rechtlichen Fehler geltend, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (vgl. , BFH/NV 2008, 1331, m.w.N.).

3. Ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6 FGO liegt nicht vor. Das FG musste im angefochtenen Urteil nicht über einen Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers gemäß § 100 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO entscheiden. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung fehlt es an einem diesbezüglichen Antrag des Klägers.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1134 Nr. 7
TAAAD-22080