BFH Beschluss v. - I B 208/08

Überstundenvergütungen für einen Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung

Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist der einkommenserhöhende Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) in den Streitjahren 2001 bis 2005.

Unternehmensgegenstand der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, war in den Streitjahren die Planung von Software und Hardware aller Art. Die zugleich als Geschäftsführer bestellten Gründungsgesellschafter X und Y —beide seit März 2001 jeweils hälftig beteiligt— führten alle Arbeiten, die für die Klägerin anfielen, selbst aus; weitere Arbeitnehmer wurden (abgesehen von einem Zeitraum bis ) nicht beschäftigt. Die Anstellungsverträge von X und Y (vom ) sahen u.a. die Zahlung einer Tantieme vor (25 % des tantiemepflichtigen Gewinns), außerdem eine Vergütung geleisteter Überstunden. Ein weiterer Geschäftsführervertrag für X datiert vom ; dieser Vertrag trat am in Kraft. Unter Erhöhung der monatlichen Vergütung (von 3 067 € auf 3 780 €) war eine Tantieme nicht mehr vorgesehen; zu den Überstunden heißt es: „2. Jede Überstunde wird mit 1/120 des Monatsgehaltes abgegolten. Dadurch gelten keine weiteren Zuschläge für Mehr- oder Nachtarbeit.…4. Die Zuschläge nach § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) oder einer geänderten Fassung des EStG stehen dem Geschäftsführer zu, soweit sie nicht Mehr- oder Nachtarbeit betreffen.”

Die Jahresergebnisse der Klägerin betrugen 7 261 DM (2001), l1 773 € (2002), ./. 1 929 € (2003), ./. 10 439 € (2004) und 6 991 € (2005). Im Jahr 2005 hatten beide Geschäftsführer auf vier Monatsgehälter und das Weihnachts-/Urlaubsgeld wegen der wirtschaftlichen Lage der Klägerin verzichtet. Es fielen (lohnversteuerte) Überstundenvergütungen in folgender Höhe an:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Gesellschafter Y
Gesellschafter X
2001
13 812,50 DM
16 687,50 DM
2002
5 557,50 € 
8 385,00 € 
2003
 
7 052,50 € 
2004
 
5 670,00 € 
2005
 
5 413,51 € 

Die Klage gegen den einkommenserhöhenden Ansatz der Überstundenvergütungen als vGA (Vergütungsbetrag abzüglich einer Gewerbesteuer-Rückstellung) blieb erfolglos (Finanzgericht —FG— München, Urteil vom 6 K 3791/07).

Die Klägerin macht geltend, dass Revisionsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorlägen. Sie beantragt, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II. Die Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen —soweit ordnungsgemäß dargelegt— nicht vor.

1. a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Für eine Darlegung dieser Voraussetzung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) reicht es nicht aus, eine grundsätzliche Bedeutung nur zu behaupten. Vielmehr muss der Beschwerdeführer eine abstrakte Rechtsfrage formulieren und sodann erläutern, inwieweit diese Frage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im konkreten Fall klärungsfähig ist. Liegt zu der betreffenden Frage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so muss er insbesondere dartun, weshalb trotz dieser Rechtsprechung eine weitere Klärung notwendig ist (z.B. Senatsbeschluss vom I B 106/04, BFH/NV 2005, 369).

b) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert. Das ist der Fall, wenn im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. Senatsbeschluss vom I B 252/04, BFH/NV 2006, 67). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist erforderlich, dass eine konkrete Rechtsfrage formuliert wird und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingegangen wird, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung der Rechtssache abhängt.

c) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung insbesondere zu einer Entscheidung des BFH besteht. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz gehören u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handelt (z.B. , BFH/NV 2008, 980).

2. Den Darlegungsanforderungen (s. zu 1.) wurde in der Beschwerdeschrift teilweise nicht entsprochen. So fehlt es für die Darlegung einer Divergenz der angefochtenen Entscheidung zum Senatsurteil vom I R 7/05 (BFH/NV 2006, 131) schon an der Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze, die eine Abweichung erkennbar machen würde; die Klägerin legt insoweit nur dar, dass das FG ihrer Interpretation der Entscheidungsgründe des Senats nicht entsprochen, mithin vermeintlich fehlerhaft entschieden habe. Im Übrigen hat der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH in einem Revisionsverfahren.

a) Der Senat hat wiederholt entschieden, dass an einen Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte gesonderte Vergütungen für die Ableistung von Überstunden aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig vGA sind (z.B. , BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577; vom I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655; Senatsbeschlüsse vom I B 90/98, BFH/NV 2000, 991, und in BFH/NV 2005, 369). Diese Beurteilung gilt namentlich dann, wenn sich die Vereinbarung auf die Vergütung von Überstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit beschränkt und wenn zudem eine Gewinntantieme vereinbart ist (Senatsurteil in BFHE 183, 94, BStBl II 1997, 577). Allerdings hat der Senat auch entschieden, dass Vergütungen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht immer als vGA anzusehen sind (, BFHE 206, 437, BStBl II 2005, 307; in BFH/NV 2006, 131).

b) Auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung, die eine differenzierte Prüfung des Veranlassungszusammenhangs einzelner Bestandteile einer Gesamtvergütung befürwortet und dabei für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Einzelfallbetrachtung für geboten ansieht, ist nicht ersichtlich, dass sich aus der Sachverhaltsgestaltung des konkreten Rechtsstreits weiter gehende Anhaltspunkte ableiten lassen, die für die Veranlassungsprüfung bei der Vereinbarung einer Überstundenvergütung sprächen. Insbesondere bedarf es —unabhängig davon, ob ein betriebsinterner Fremdvergleich möglich ist— keiner weiteren Differenzierung danach, ob die vergüteten Überstunden im „operativen Tätigkeitsbereich” mit einer Dokumentation dieser Stunden in den Außenrechnungen oder im Rahmen allgemeiner Geschäftsführung anfallen, wenn die feste Geschäftsführer-Vergütung durch eine gewinnabhängige Tantieme ergänzt wird.

c) Aus der Möglichkeit, dass im konkreten Streitfall ein nach den Maßgaben der Senatsrechtsprechung anzuerkennender Ausnahmefall vorliegen könnte, kann sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben (s. insoweit Senatsbeschluss vom I B 69/06, BFH/NV 2007, 1192; zum Vorrang der tatrichterlichen Würdigung bereits ausdrücklich Senatsurteil in BFH/NV 2006, 131). Der Streitfall unterscheidet sich im Übrigen von den in den Verfahren I R 111/03 bzw. I R 7/05 zu beurteilenden Sachverhalten dadurch, dass die GmbH ihren Geschäftsführern jeweils eine Gewinntantieme versprochen hatte. Diese ernstlich gemeinte Verpflichtung ist bei der Beurteilung ungeachtet des Umstands heranzuziehen, dass die Zusage in den beiden Verlustjahren nicht praktisch werden konnte. Darüber hinaus hat der Senat in den zitierten Entscheidungen im Grundsatz an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Er hat lediglich eine einzelfallbezogene Würdigung seitens des FG, ob überzeugende betriebliche Gründe für die unübliche Vereinbarung sprechen, als revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) betrachtet (Verfahren I R 111/03) bzw. die Entscheidung des FG aufgehoben, weil die Besonderheiten des Streitfalles, die für eine betriebliche Veranlassung der Vereinbarung sprechen könnten, vom FG nicht in seine Erwägungen einbezogen worden waren (Verfahren I R 7/05). An einer solchen Vorgabe fehlt es, da das FG die Zahlung der Vergütungen unter Würdigung der Gesamtumstände als vGA angesehen hat, während die Klägerin die bekannten Umstände zu ihren Gunsten anders gewichtet.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DB 2010 S. 1484 Nr. 27
CAAAD-21789