Leitsatz
[1] Auch ein Erbe, dem vom Erblasser zu Lebzeiten eine Generalvollmacht erteilt worden war, kann eine Verfügung, durch die die Aufsichtsbehörde anstelle des verstorbenen Beteiligten einen Notar von der Verschwiegenheitspflicht befreit, nicht mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechten (Fortführung des Senatsbeschlusses vom - NotZ 4/74 - DNotZ 1975, 420).
Gesetze: BNotO § 18 Abs. 2; BNotO § 111
Instanzenzug: OLG Köln, 2 X Not 29/08 vom
Gründe
I.
Die am verstorbene Mutter der Antragsteller, E. R. , hat am vor dem Notar U. aus L. ein Kaufvertragsangebot zu Gunsten ihrer Tochter D. G. , geborene R. , der Schwester der Antragsteller, abgegeben. Zwischen den Antragstellern und ihrer Schwester, die das Kaufvertragsangebot nach dem Tod der Mutter angenommen hat, besteht Streit über dessen Wirksamkeit. Die Antragsteller machen geltend, eine Anlage zum Vertragsangebot vom sei nicht verlesen und genehmigt worden, im Übrigen habe die Empfangsvollmacht des Notars nicht über den Tod der verstorbenen Mutter hinaus bestanden.
In dem zwischen den Geschwistern anhängigen Rechtsstreit hat das Landgericht Bochum die Vernehmung des Notars U. als Zeugen über die Umstände der Abgabe des Kaufvertragsangebot und über die Reichweite der ihm erteilten Empfangsvollmacht zur Entgegennahme der Annahmeerklärung angeordnet. Der Antragsgegner hat auf Antrag der Tochter anstelle der Verstorbenen dem Notar nach § 18 Abs. 2 BNotO eine entsprechende Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht erteilt. Dagegen haben die Antragsteller, die sich gegen die Vernehmung des Notars als Zeugen in dem Zivilrechtsstreit wenden, rechtzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zur Begründung ausgeführt, der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil er das Geheimhaltungsinteresse der Verstorbenen nicht hinreichend berücksichtigt habe. Im Übrigen habe die Verstorbene noch zu Lebzeiten dem Antragsteller zu 1 mit notarieller Urkunde eine Generalvollmacht hinsichtlich aller persönlichen, vermögensrechtlichen und sonstigen Angelegenheiten auch über ihren Tod hinaus erteilt, weshalb allein der Antragsteller zu 1, nicht aber der Antragsgegner befugt sei, den Notar von seiner Schweigepflicht zu entbinden. Das Oberlandesgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, mit der die Antragsteller ihren Antrag weiterverfolgen, die Befreiung des als Zeuge benannten Notars von seiner Verschwiegenheitspflicht durch den Antragsgegner aufzuheben.
II.
Das Rechtsmittel ist nach § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Es hat jedoch keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zu Recht als unzulässig verworfen.
1.
Die auf § 18 Abs. 2 BNotO gestützte Befreiung eines Notars von der Pflicht zur Verschwiegenheit ist ein Verwaltungsakt nach der Bundesnotarordnung, dessen Anfechtung sich nach § 111 BNotO richtet (Senatsbeschlüsse vom - NotZ 4/74 - NJW 1975, 930 = DNotZ 1975, 420; vom - NotZ 4/86 - DNotZ 1987, 162 und vom - NotZ 23/02 - DNotZ 2003, 780).
2.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aber unzulässig; die Antragsteller sind nicht antragsberechtigt. Sie werden durch die Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht nicht "in ihren Rechten beeinträchtigt", wie § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO es voraussetzt.
a)
Das gilt zunächst für beide Antragsteller, soweit sie Erben der Verstorbenen sind. Aus der Erbenstellung ergibt sich keine eigene Befugnis zur Befreiung des vom Erblasser zugezogenen Notars von der Verschwiegenheitspflicht. Vielmehr tritt nach der eindeutigen Regelung des § 18 Abs. 2 BNotO an die Stelle eines verstorbenen Beteiligten allein die Aufsichtsbehörde des Notars (Senatsbeschluss vom aaO; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 6. Aufl. § 18 Rn. 109; Eylmann in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG 2. Aufl. § 18 BNotO Rn. 41; Kanzleiter in Schippel/Bracker, BNotO 8. Aufl. § 18 Rn. 53). Damit wird der etwaige Widerstreit der Interessen der Erben mit denen des Erblassers, aber auch - wie hier - der Interessen der Erben untereinander, von einer unparteiischen Stelle entschieden. § 18 BNotO schützt das Interesse des "Beteiligten", hier der Verstorbenen, an der Geheimhaltung der dem Notar bei seiner Berufsausübung bekannt gewordenen Angelegenheiten, nicht hingegen das Interesse der Erben, Ansprüche Dritter auf den Nachlass von vornherein dadurch abzuwehren, dass die Aufklärung des Sachverhalts vereitelt wird (Senatsbeschluss vom aaO).
b)
Eine Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers zu 1 im Sinne des § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil er etwa auf Grund der ihm erteilten Generalvollmacht selbst "Beteiligter" wäre, der nach § 18 Abs. 2 BNotO anstelle der Aufsichtsbehörde den Notar von der Verschwiegenheitspflicht hätte befreien müssen. Bei der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht handelt es sich nämlich um die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts (Kanzleiter aaO § 18 Rn. 52). Insoweit ist eine Vertretung im Willen unzulässig (Eylmann aaO § 18 BNotO Rn. 33; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 53 Rn. 48 m.w.N.), sei es aufgrund einer Prozessvollmacht (Sandkühler aaO § 18 Rdn. 107) oder - wie hier - aufgrund einer Generalvollmacht (MünchKommStGB/Cierniak § 203 Rn. 58). Wäre demnach eine entsprechende Vertretung seiner Mutter durch den Antragsteller zu 1 schon zu Lebzeiten unzulässig gewesen, gilt dies erst recht nach deren Tode, zumal für diesen Fall § 18 Abs. 2 BNotO ausdrücklich und ausnahmslos der Aufsichtsbehörde die Befugnis zuweist, eine Befreiung zu erteilen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DNotZ 2009 S. 876 Nr. 11
NJW-RR 2009 S. 991 Nr. 14
AAAAD-21703
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein