Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGG § 160 Abs 2 Nr 3
Instanzenzug: LSG Nordrhein-Westfalen, L 14 R 343/06 vom SG Düsseldorf, S 53 (15) RJ 230/04
Gründe
Mit Urteil vom hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Sie rügt Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN).
Die Klägerin rügt, das Berufungsgericht sei ihrem Antrag im Schriftsatz vom , sie persönlich zu der streitigen entgeltlichen Beschäftigung im Ghetto Warschau als Reinigungskraft zu hören, ohne hinreichende Begründung nicht nachgekommen. Auch wenn dem sozialgerichtlichen Verfahren eine Parteivernehmung fremd sei, sei dennoch anerkannt, dass das persönliche Beteiligtenvorbringen eine wichtige Erkenntnisquelle darstelle und richterlich umfassend zu würdigen sei. Deshalb sei die Erörterung mit den Beteiligten ein Mittel der Sachaufklärung. Auch wenn der Antrag auf persönliche Anhörung nicht als Beweisantrag im eigentlichen Sinne gewertet werden könne, müsse ein solcher Antrag einem Beweisantrag gleichgestellt werden. Durch die Zurückweisung eines solchen Antrags ohne ausreichende Begründung verletze daher das Tatsachengericht seine aus § 103 SGG folgende Sachaufklärungspflicht. Gleichzeitig sei in der Zurückweisung eines solchen Antrags eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 62 SGG zu sehen. Das LSG habe die persönliche Anhörung der Klägerin oder ihre Vernehmung im Wege der Rechtshilfe durch ein israelisches Gericht abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, dass sie - die Klägerin - jetzt noch zu einer Aufklärung der sich aus der Entschädigungsakte ergebenden Fragen und insbesondere der entgegenstehenden Zeugenerklärungen beitragen könne, nachdem sie nach eigenem Vorbringen bereits im Jahre 2005 mehrfach schwer erkrankt sei. Diese Begründung könne nicht überzeugen und verstoße offenkundig gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung.
Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin einen Verfahrensmangel nicht ausreichend dargelegt. Dabei fasst der Senat die in der bisherigen Rechtsprechung (vgl beispielsweise - nicht veröffentlicht; ) aufgestellten Voraussetzungen für eine zulässige Verfahrensrüge der unterlassenen persönlichen Anhörung wie folgt zusammen: Soweit es wie im vorliegenden Fall der Klägerin um den Nachweis oder die Glaubhaftmachung von Tatsachen geht, kann von den Voraussetzungen der Sachaufklärungsrüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht abgesehen werden, weil die darin liegende gesetzliche Wertung nicht umgangen werden darf. Mangels Bezugnahme auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Parteivernehmung in § 118 Abs 1 SGG sind die dort angeordneten Einschränkungen nicht anwendbar (insbesondere § 445 Abs 1, § 447 ZPO; in demselben Sinne auch § 98 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO; zum Ganzen Gutzler, SGb 2009, 73 ff). Wegen der Nähe zur Gehörsrüge ist jedoch darzulegen, dass der betroffene Beteiligte mit den üblichen Mitteln - also insbesondere schriftlich durch seinen Prozessbevollmächtigten - alles unternommen hat, um seine Darstellung des Sachverhalts dem Gericht nahezubringen, und warum die Möglichkeiten des schriftlichen und mündlichen Vortrags im konkreten Fall nicht ausreichen, um der Sachaufklärungspflicht Genüge zu tun (vgl - Umdruck RdNr 12, 14; - Juris RdNr 17 f; Gutzler, SGb 2009, 78 f). Die aufgeführten Kriterien stimmen mit denjenigen überein, aufgrund derer eine Pflicht des Vorsitzenden in Betracht zu ziehen ist, das persönliche Erscheinen des Beteiligten anzuordnen, sodass diesem in der bisherigen Rechtsprechung ebenfalls erwogenen Gesichtspunkt neben der Sachaufklärungsrüge keine eigene Bedeutung zukommt (vgl nochmals - Umdruck RdNr 14; - Juris RdNr 17).
Den daraus sich ergebenden Darlegungserfordernissen genügen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht.
Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie den Antrag auf persönliche Anhörung im Schriftsatz vom bis zuletzt aufrechterhalten habe. Der - ordnungsgemäße - Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und will der Tatsacheninstanz vor der Entscheidung vor Augen führen, dass der Antragsteller die gerichtliche Aufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG übergangen worden, wenn aus den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er bis zum Schluss des Berufungsverfahrens nicht mehr weiterverfolgt wurde (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 mwN). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen.
Ihrem Vorbringen ist zwar zu entnehmen, dass sie mit ihrer Berufung ua vorgetragen habe, durch ihre persönliche Anhörung seien Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Bedeutung Lebensmittel und Lebensmittelcoupons im Ghetto Warschau gehabt hätten. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, den im vorbereitenden Verfahren gestellten Antrag bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben. In der Beschwerdebegründung wird vielmehr ausgeführt, das LSG habe mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom mitgeteilt, dass derzeit nicht beabsichtigt sei, das persönliche Erscheinen zum Termin am anzuordnen. Es fehlen Ausführungen dazu, was die Klägerin daraufhin getan hat, um das LSG dennoch zu veranlassen, dem Antrag nachzukommen. So ergibt sich nicht, dass sie neben dem - nach ihrem Vorbringen - schriftsätzlich gestellten Sachantrag in der mündlichen Verhandlung vom den Antrag auf persönliche Anhörung wiederholt hat oder warum sie hieran gehindert gewesen sein soll.
Außerdem hat die Klägerin nicht dargelegt, selbst alles getan zu haben, um dem Gericht ihre Darstellung des Sachverhalts nahezubringen. Die Klägerin trägt zwar in der Beschwerdebegründung vor, sie wäre tatsächlich in der Lage gewesen, sich in verwandtschaftlicher Begleitung dem Gericht zu stellen und sich anhören zu lassen. Sie wäre darüber hinaus in der Lage gewesen, auch einem im Wege der Rechtshilfe eingeschalteten israelischen Gericht zur Verfügung zu stehen, um sich dort zu dem streitigen Sachverhalt vernehmen zu lassen und Zweifel gegen eine Beschäftigung als Reinigungskraft ausräumen zu können. Sie hat aber nicht dargelegt, warum sie sich zu dem streitigen Sachverhalt nicht im vorbereitenden schriftlichen Verfahren oder in der mündlichen Verhandlung durch ihre Prozessbevollmächtigte einlassen konnte, nachdem sie selbst eine Vernehmung im Rechtshilfeverfahren durch ein israelisches Gericht als ausreichend ansieht, sodass der Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit aufgrund des persönlichen Eindrucks offensichtlich nicht im Vordergrund stehen kann. Ferner geht die Beschwerdebegründung nicht darauf ein, weshalb sie nicht - wie es ihr nach nunmehrigem Vortrag möglich gewesen wäre - in verwandtschaftlicher Begleitung zum Termin angereist ist bzw weshalb sie nicht einen Antrag auf Verlegung des Termins gestellt hat, um ihr Zeit und Gelegenheit zu geben, eine Reise nach Deutschland vorzubereiten, falls die dafür nach der Terminsmitteilung noch zur Verfügung stehende Zeit zu kurz gewesen sein sollte.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG).
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 1229 Nr. 17
UAAAD-21689