Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie in der Fassung vom § 10; Bezirks-Entgelttarifverträge für die chemische, kautschukverarbeitende, kunststoffverarbeitende und mineralölverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz; firmenbezogener Verbandstarifvertrag für die p GmbH vom ; MTV für die chemische Industrie § 1
Instanzenzug: LAG Rheinland-Pfalz, 3 Sa 408/07 vom ArbG Kaiserslautern, 4 Ca 114/06 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Altersteilzeitvergütung aus ihrem Altersteilzeitarbeitsverhältnis.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Die Parteien vereinbarten arbeitsvertraglich die Anwendung der Tarifverträge der chemischen Industrie in ihrer jeweils geltenden Fassung. Die Klägerin bezog Tarifentgelt nach Entgeltgruppe E 13 iSd. § 7 Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie in der Fassung vom (BETV).
§ 10 BETV lautet wie folgt:
"§ 10
Tariföffnungsklausel
Zur Sicherung der Beschäftigung und/oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, insbesondere auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen und Betriebe durch befristete Betriebsvereinbarung bis zu 10 % von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbaren. ..."
In der Protokollnotiz Nr. 6 Abs. 2 zu § 10 BETV heißt es dazu:
"Die Anwendung der Tariföffnungsklausel darf nicht in bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse eingreifen."
Am vereinbarten die Parteien die Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis für die Zeit vom bis zum nach dem "Modell II" iSd. § 6 Ziffer 4 des Tarifvertrags zur Förderung der Altersteilzeit zuletzt in der Fassung vom (TV ATZ). Danach befand sich die Klägerin seit dem in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Im Altersteilzeitarbeitsvertrag heißt es:
"§ 10
Vertragsänderungen
...
Im Übrigen gelten die Bestimmungen des weiterlaufenden Arbeitsvertrages, die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit und des Gesetzes zur Förderung des gleitenden Übergangs in den Ruhestand in der jeweils gültigen Fassung."
Ab Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte der Klägerin Vergütung und Aufstockungsleistungen zunächst ausgehend von einem Monatsentgelt in Höhe von 2.001,00 Euro brutto. Das waren 50 % des Tarifentgelts der Entgeltgruppe E 13 des Bezirks-Entgelttarifvertrags für die chemische, kautschukverarbeitende, kunststoffverarbeitende und mineralölverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz in der maßgeblichen Fassung (ETV). Ab Mai 2003 zahlte die Beklagte an die Klägerin monatlich 2.053,00 Euro brutto. Mit Wirkung ab Juni 2004 erhöhte die Beklagte die Teilzeitvergütung entsprechend den ab dem geltenden Entgeltsätzen des ETV 2004 in Höhe von monatlich 2.084,00 Euro brutto.
In der chemischen Industrie wurde mit Wirkung vom als Ergebnis des "Chemietarifpakets 2005" ua. für den Bezirk Rheinland-Pfalz eine Erhöhung der Tarifentgelte um 2,7 % mit einer Laufzeit von 19 Monaten vereinbart. Die Hälfte des Entgeltsatzes für die Entgeltgruppe E 13/K (kaufmännische Angestellte) ETV 2005 betrug ab diesem Zeitpunkt 2.140,27 Euro brutto. Dies machte nach Berechnung der Klägerin hinsichtlich Teilzeitvergütung und Aufstockungszahlung eine Erhöhung um monatlich 79,10 Euro brutto aus. Die Beklagte zahlte diese höhere Vergütung nicht. Nach dem Tarifvertrag wurde zudem eine Einmalzahlung von 1,2 % eines Monatsentgelts multipliziert mit 19 vereinbart. Auch diese Einmalzahlung wurde nicht geleistet. Am schloss die zuständige Gewerkschaft IG BCE mit dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V., dem Landesverband chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V., dem Landesausschuss der Arbeitgeberverbände Chemie NRW und dem Arbeitgeberverband Nordost Chemie unter Mitwirkung der Beklagten "zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen und zur Sicherung von Beschäftigung in Anwendung des dritten Absatzes der Fußnote 1 zur Vorbemerkung des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie vom in der Fassung vom " einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die Beklagte ab (Firmenverbandstarifvertrag). Dieser sah in seinem Entgeltgitter mit Wirkung ab für alle Entgeltgruppen geringere Entgeltsätze vor. Das Tarifentgelt nach dem Entgeltgitter für die Entgeltgruppe E 13/K betrug monatlich 3.835,00 Euro brutto. Der dritte Absatz der Fußnote 1 zur Vorbemerkung des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie vom idF vom (MTV) lautet:
"Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert, sind die firmenbezogenen Verbandstarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen."
Die Klägerin hat eine Vergütung nach den Entgeltsätzen der ETV ab Juni 2005 verlangt.
Sie hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.505,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit , 79,10 Euro seit und aus weiteren 53,68 Euro seit , 14,79 Euro seit und 488,11 Euro seit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage bis auf eine Teilabweisung hinsichtlich der Zinsen stattgegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und der Klage in Höhe von 569,04 Euro brutto unter Abweisung im Übrigen stattgegeben. Die Klägerin beansprucht mit ihrer Revision weiter die Berechnung ihrer Teilzeitvergütung nach dem jeweiligen ETV. Sie verlangt deshalb eine um monatlich 79,10 Euro erhöhte Altersteilzeitvergütung für die Monate Juli 2005 bis Mai 2006. Daneben verlangt sie eine um 53,68 Euro brutto erhöhte Jahresleistung 2005 sowie eine restliche Einmalzahlung für 2005 in Höhe von 12,96 Euro brutto.
Gründe
A. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die mit der Revision weiterverfolgten Ansprüche im Ergebnis zu Recht verneint.
I. Über den Anspruch auf restliche Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 12,96 Euro brutto ist nicht mehr zu entscheiden. Die Parteien haben insoweit in der mündlichen Verhandlung vom einen Teilvergleich geschlossen.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Altersteilzeitvergütung und Berechnung der Jahresleistung 2005 (§ 5 des Tarifvertrags über Einmalzahlungen und Altersvorsorge in der Fassung vom ) nach den jeweils maßgebenden Vergütungssätzen des ETV. Die ETV sind auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien ab dem nicht mehr anzuwenden.
1. Sowohl die ETV als auch der Firmenverbandstarifvertrag sind auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien grundsätzlich anwendbar. Das folgt aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Parteien. Danach sollen auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der chemischen Industrie in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden. Die Parteien vereinbarten für ihr Altersteilzeitarbeitsverhältnis die Fortgeltung dieser Bezugnahmeklausel. Nach § 10 Abs. 2 der Vereinbarung über Altersteilzeit der Parteien sollten die Bestimmungen des weiterlaufenden Arbeitsvertrags gelten. Bei dem Firmenverbandstarifvertrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in Anwendung der Fußnote 1 zur Vorbemerkung des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie in der Fassung vom handelt es sich um einen Tarifvertrag der chemischen Industrie.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, der Firmenverbandstarifvertrag verdränge als speziellerer Tarifvertrag den ETV.
a) Beide Tarifverträge regeln die Höhe der Vergütung ab dem unterschiedlich. Der zwischen denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossene Firmenverbandstarifvertrag regelt für die Arbeitnehmer der Beklagten im Entgeltgitter vom ETV abweichende Vergütungssätze. Er ist für die Beklagte somit der speziellere Tarifvertrag und verdrängt den ETV (vgl. Senat - 9 AZR 159/07 - Rn. 36, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; - zu II 1 d der Gründe, BAGE 97, 263). Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich auch aus dem Ablösungsprinzip. Es gilt im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Normen desselben Normgebers. Danach können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben ( - Rn. 18, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 15). So ist es hier. Am Abschluss beider Tarifverträge waren dieselben Tarifvertragsparteien beteiligt. Das Entgeltgitter des Firmenverbandstarifvertrags ersetzt deshalb die Vergütungssätze des ETV.
b) Der Firmenverbandstarifvertrag ist auch auf laufende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse anwendbar.
aa) Diese sind von seinem Geltungsbereich nicht ausgenommen. Er gilt für die Beklagte einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe und für deren Mitarbeiter, die dem persönlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die chemische Industrie vom in dessen jeweiliger Fassung (MTV) unterfallen. Nach § 1 Nr. 2 MTV in der Fassung vom gilt der MTV für die in den Betrieben tätigen Arbeitnehmer und damit auch für Altersteilzeitarbeitnehmer.
bb) Die Revision meint unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ( - 4 AZR 4/05 - AiB 2007, 557), die Geltung des Firmenverbandstarifvertrags sei für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse wegen der Protokollnotiz Nr. 6 Abs. 2 zu § 10 BETV ausgeschlossen. Nach dieser Protokollnotiz darf die Anwendung der Tariföffnungsklausel des § 10 BETV nicht in bestehende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse eingreifen. Die Beklagte meint demgegenüber, der ETV sei nicht in Anwendung der Tariföffnungsklausel des § 10 BETV geschlossen worden. Die Protokollnotiz Nr. 6 gelte deshalb nicht.
Welche Auffassung zutrifft, muss hier nicht entschieden werden. Die Tarifvertragsparteien wären an ihre Protokollnotiz Nr. 6 zu § 10 BETV nicht gebunden. Sie können ohne Weiteres in einem späteren Tarifvertrag andere Entgelte vereinbaren. Tarifvertragsparteien können grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben ( - Rn. 18, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 15). Zudem regelt § 10 BETV nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung niedrigerer Entgeltsätze durch Verbandstarifvertrag, sondern den Abschluss befristeter Betriebsvereinbarungen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien. Die Protokollnotiz Nr. 6 gilt deshalb nicht für Verbandstarifverträge.
c) Im vorliegenden Fall bestehen keine Besonderheiten des Rechts der Altersteilzeit, die der Änderung der Entgeltsätze durch die Tarifvertragsparteien entgegenstehen.
B. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Fundstelle(n):
TAAAD-21672
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein