BFH Urteil v. - IV R 97/06 BStBl 2009 II S. 542

Monetäre Beschränkung einer qualifizierten elektronischen Signatur; Wirksamkeit einer Revisionseinlegung und einer Erledigungserklärung; Funktion der Signatur

Leitsatz

Die monetäre Beschränkung einer qualifizierten elektronischen Signatur steht der Wirksamkeit einer nach § 52a Abs. 1 FGO elektronisch übermittelten Revisionseinlegung und Erledigungserklärung nicht entgegen.

Gesetze: FGO § 52a Abs. 1FGO § 120 Abs. 1FGO § 138ZPO § 91a Abs. 1 Satz 1SigG § 2SigG § 5 Abs. 2SigG § 7ERVVOBVerwG/BFH § 1

Instanzenzug: (EFG 2007, 55),

Gründe

I.

Mit Gesellschaftsvertrag vom gründete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zusammen mit N. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR). Gegenstand der GbR war der Handel mit ...bedarf, die Organisation und Durchführung von ...kursen, die Organisation und Durchführung von Ausstellungen, der Betrieb eines ...salons sowie die Erbringung von ...leistungen. Zum schied N. aus der GbR aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) ordnete im Jahr 2005 die Durchführung einer Außenprüfung bei der GbR betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, die Umsatzsteuer sowie die Gewerbesteuer jeweils für den Zeitraum 2001 bis 2003 an. Einwendungen gegen die Prüfungsanordnung wurden nicht erhoben.

Nachdem das FA Ende Juni 2005 mit der angeordneten Prüfung begonnen hatte, erweiterte es mit weiterer Prüfungsanordnung vom den Prüfungszeitraum auf das Jahr 2004. Die Prüfungsanordnung vom gab das FA sowohl N. als auch der Klägerin jeweils „als ehemalige Gesellschafter der zum aufgelösten GbR für” die GbR bekannt.

Der dagegen von der Klägerin eingelegte Einspruch war erfolglos.

Mit von ihrem Prozessbevollmächtigten auf elektronischem Wege übermittelten und von diesem mit einer digitalen Signatur versehenen Dokument erhob die Klägerin daraufhin Klage. Die Verifikation der Signatur ergab u.a., dass für das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat eine „monetäre Beschränkung” von 100 € eingetragen war.

Im Verlauf des Klageverfahrens fand eine Besprechung beim FA statt. Dabei verständigten sich die Beteiligten u.a. auch darauf, alle anhängigen finanzgerichtlichen Verfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übermittelte daraufhin unter Bezugnahme auf die erzielte Verständigung im Rahmen des sog. Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfaches (EGVP-Verfahren) auf elektronischem Wege eine von ihm mit einer qualifizierten Signatur versehene Erledigungserklärung.

Da laut „Prüfprotokoll für den Empfänger” nicht geprüft worden war, ob der bei der Signatur verwendete Signaturschlüssel nach Art und Umfang beschränkt war, hat das Finanzgericht (FG) mit Schriftsatz vom gebeten, ergänzend mitzuteilen, ob für die Nutzung des verwendeten Signaturschlüssels eine Anwendungsbeschränkung, insbesondere eine monetäre Beschränkung, gelte und —wenn dies zutreffe— nähere Angaben zu dieser zu machen sowie ggf. die digital übermittelte Erklärung noch einmal handschriftlich unterzeichnet im Original oder per Fax zu übermitteln. Dieser Bitte entsprach der Bevollmächtigte der Klägerin nicht.

Das FA hat mit Schriftsatz vom die Hauptsache für erledigt erklärt.

Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 55 veröffentlicht. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erledigungserklärung der Klägerin sei unwirksam, weil nicht feststehe, ob für die dabei verwendete Signatur eine „monetäre Beschränkung” bestanden habe. Die Klage sei unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf die mit dem FA erzielte „Verständigung” nicht mehr bestehe und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine Sachanträge gestellt habe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat die Revision zusammen mit deren Begründung fristgerecht elektronisch im EGVP-Verfahren übermittelt und qualifiziert signiert. Laut „Prüfprotokoll für den Empfänger” wurden Beschränkungen der Nutzung des Signaturschlüssels nach Art und Umfang nicht geprüft. Die Klägerin rügt die Verletzung formellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet; das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie hat die Revision wirksam eingelegt.

a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision schriftlich einzulegen. Die Rechtsprechung verlangt grundsätzlich die eigenhändige (handschriftliche) Unterschrift unter das entsprechende Schriftstück (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 143/01, BFH/NV 2002, 669, m.w.N.; vom VII B 6/02, BFH/NV 2002, 1597). Mit Hilfe des Unterschriftserfordernisses soll der Aussteller unzweifelhaft identifiziert werden; ferner soll sichergestellt sein, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern eine verbindliche Prozesserklärung dem Gericht zugeleitet wird (, BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276, unter II.1. der Gründe, m.w.N.).

Gemäß dem ab geltenden § 52a Abs. 1 FGO können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente —und damit auch die Revisionseinlegung (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 4 FGO)— übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist (Satz 1). Die Rechtsverordnung bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind (Satz 2). Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des SignaturgesetzesSigG— (BGBl I 2001, 876) vorzuschreiben (Satz 3). Neben der qualifizierten elektronischen Signatur kann auch ein anderes sicheres Verfahren zugelassen werden, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt (Satz 4).

Ihrer Rechtsnatur nach ist die Signatur ein Funktionsäquivalent zur eigenhändigen Unterschrift (BFH-Urteil in BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276, unter II.1. der Gründe, m.w.N.).

b) Nach § 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof —ERVVOBVerwG/BFH— (BGBl I 2004, 3091) können beim BFH ab dem in allen Verfahrensarten elektronische Dokumente eingereicht werden.

c) Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin elektronisch übermittelte und mit einer qualifizierten Signatur versehene Revision genügt diesen Anforderungen. Eine eventuell bestehende monetäre Beschränkung der Signatur ist ohne Bedeutung.

aa) Gemäß § 2 Nr. 1 SigG sind „elektronische Signaturen” im Sinne dieses Gesetzes Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen. „Fortgeschrittene elektronische Signaturen” sind elektronische Signaturen nach Nr. 1, die ausschließlich dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet sind, die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglichen, mit Mitteln erzeugt werden, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, und mit den Daten, auf die sie sich beziehen, so verknüpft sind, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann (§ 2 Nr. 2 SigG). Gemäß § 2 Nr. 3 SigG sind „qualifizierte elektronische Signaturen” elektronische Signaturen nach Nr. 2, die auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden.

Nach § 2 Nr. 6 SigG sind „Zertifikate” elektronische Bescheinigungen, mit denen Signaturprüfschlüssel einer Person zugeordnet werden und die Identität dieser Person bestätigt wird. „Signaturprüfschlüssel” sind elektronische Daten wie öffentliche kryptographische Schlüssel, die zur Überprüfung einer elektronischen Signatur verwendet werden (§ 2 Nr. 5 SigG). „Qualifizierte Zertifikate” sind nach § 2 Nr. 7 SigG elektronische Bescheinigungen nach Nr. 6 für natürliche Personen, die die Voraussetzungen des § 7 SigG erfüllen und von Zertifizierungsdiensteanbietern ausgestellt werden, die mindestens die Anforderungen nach den §§ 4 bis 14 oder § 23 SigG und der sich darauf beziehenden Vorschriften der Rechtsverordnung nach § 24 SigG erfüllen.

Ein qualifiziertes Zertifikat muss nach § 7 Abs. 1 SigG bestimmte im Einzelnen aufgeführte Angaben enthalten und seinerseits eine qualifizierte elektronische Signatur tragen; notwendig sind gemäß Nr. 7 Angaben darüber, ob die Nutzung des Signaturschlüssels auf bestimmte Anwendungen nach Art oder Umfang beschränkt ist, und gemäß Nr. 9 nach Bedarf Attribute des Signaturschlüssel-Inhabers.

bb) Gemäß § 5 Abs. 2 SigG kann ein qualifiziertes Zertifikat auf Verlangen eines Antragstellers Angaben über seine Vertretungsmacht für eine dritte Person sowie berufsbezogene oder sonstige Angaben zu seiner Person (Attribute) enthalten.

Attribute sind besondere Eigenschaften, Stellungen oder Beschränkungen des Zertifikatsinhabers. Derartige Attribute können als zusätzliche Information in das Zertifikat (auch Hauptzertifikat oder Signaturschlüsselzertifikat genannt) aufgenommen werden, das den öffentlichen Schlüssel des Zertifikatsinhabers enthält, oder als eigenständiges Attribut-Zertifikat von der Zertifizierungsstelle für den Kunden generiert werden (§ 7 Abs. 2 SigG). Sowohl die Eintragung von Attributen in das Zertifikat als auch die Erstellung von Attribut-Zertifikaten sind für den Kunden optional.

cc) Die sog. monetäre Beschränkung ist ein solches Attribut. Der Antragsteller kann bezüglich der monetären Beschränkung lediglich angeben, ob und in welcher Höhe eine Beschränkung eingetragen werden soll. Weitere Spezifizierungsmöglichkeiten bestehen nicht.

Die monetäre Beschränkung bezieht sich auf unmittelbare finanzielle Transaktionen (z.B. auf Überweisungsvorgänge und andere Geldgeschäfte). Dieser Funktion entsprechend ist eine monetäre Beschränkung unbeachtlich, wenn die Signatur verwendet wird, um einen (bestimmenden) Schriftsatz an das Gericht zu übermitteln. In diesem Fall geht es nicht um eine finanzielle Transaktion, sondern allein um den Nachweis der Urheberschaft des Schriftsatzes und des prozessualen Erklärungswillens des Absenders. Die Signatur wird dann nicht für Geldgeschäfte (z.B. Kauf) eingesetzt, sondern für eine Prozesshandlung. Die monetäre Beschränkung hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung; die Signatur erfüllt ihren Zweck, indem die Authentizität der Herkunft des Dokuments gewährleistet wird (BFH-Urteil in BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276, unter II.2.c der Gründe).

2. Die Revision ist begründet. Das FG hat zu Unrecht durch Prozessurteil die Klage als unzulässig abgewiesen. Denn die Erledigungserklärung der Klägerin ist —entgegen der Auffassung des FG— wirksam. Die Beteiligten haben die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt; der Rechtsstreit wurde dadurch beendet. Das FG hätte demnach lediglich nach § 138 FGO eine Kostenentscheidung treffen dürfen.

a) Die Klägerin hat die Hauptsache durch die von ihrem Prozessbevollmächtigten elektronisch übermittelte, mit einer qualifizierten Signatur versehene Erklärung wirksam für erledigt erklärt.

aa) Die Erledigung kann in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 155 FGO i.V.m. § 91a Abs. 1 Satz 1 der ZivilprozessordnungZPO—; Brandt in Beermann/ Gosch, FGO § 138 Rz 99; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 138 Rz 13; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Rz 19; Schwarz in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 138 FGO Rz 51).

bb) In Ausübung der Ermächtigung des § 52a Abs. 1 FGO können nach § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen —ERVVO VG/FG— (GV NRW 2005, 926) bei den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen elektronische Dokumente über den elektronischen Gerichtsbriefkasten in allen Verfahren ab dem eingereicht werden.

cc) Eine eventuelle monetäre Beschränkung der vom Bevollmächtigten der Klägerin verwendeten qualifizierten Signatur stand der Wirksamkeit der Erledigungserklärung nicht entgegen (vgl. II.1.c cc).

b) Auch das FA hat die Hauptsache für erledigt erklärt.

c) Durch die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten wurde der Rechtsstreit beendet (, BFHE 193, 494, BStBl II 2001, 303, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). Das FG hätte demnach lediglich nach § 138 FGO eine Kostenentscheidung treffen dürfen. Das FG hat jedoch verfahrensfehlerhaft die Erledigungserklärung als unwirksam erachtet und die Klage durch Urteil als unzulässig abgewiesen (vgl. , BFH/NV 2007, 1905).

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 542
AO-StB 2009 S. 229 Nr. 8
BB 2009 S. 1155 Nr. 22
BFH/NV 2009 S. 1034 Nr. 6
BFH/PR 2009 S. 316 Nr. 8
BStBl II 2009 S. 542 Nr. 13
DB 2009 S. 1220 Nr. 23
DStRE 2009 S. 694 Nr. 11
HFR 2009 S. 684 Nr. 7
KÖSDI 2009 S. 16513 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2009 S. 1646
SJ 2009 S. 16 Nr. 11
StBW 2009 S. 5 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2009 S. 632
NAAAD-21113