BVerwG Urteil v. - 6 C 3.08

Leitsatz

§ 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 ermächtigt das Gericht zum Erlass einer eigenen Anordnung über die vorläufige Zahlung eines höheren Entgelts, nicht aber dazu, der Bundesnetzagentur den Erlass einer vorläufigen Entgeltgenehmigung aufzugeben.

Gesetze: VwGO § 42 Abs. 2; VwGO § 65 Abs. 2; VwGO § 123 Abs. 1; TKG § 35 Abs. 5; TKG § 130; TKG § 150 Abs. 1; TKG § 25 Abs. 1; TKG § 29; TKG § 39; TKG § 78

Instanzenzug: VG Köln, 1 K 3109/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

I

Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz für breitbandigen Internetverkehr; die Beigeladene unterhält ein digitales Breitband-Teilnehmernetz. Mit dem Produkt "T-DSL-ZISP Basic" führt die Beigeladene über ihr Konzentratornetz anderen Netzbetreibern wie der Klägerin hochbitratigen Verkehr zu. Nachdem die Beigeladene einen mit der Klägerin geschlossenen Nutzungsvertrag gekündigt hatte, erließ auf deren Antrag die Bundesnetzagentur am eine Zusammenschaltungsanordnung, mit der sie die Beigeladene verpflichtete, der Klägerin Netzanschluss zu gewähren. Auf deren Antrag genehmigte die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom verschiedene Entgelte für die Leistung "T-DSL-ZISP Basic", darunter ein Entgelt für die Nutzung des Konzentratornetzes der Beigeladenen in Höhe von 0,49 EUR je angefangene 10 kbit/s genutzter Bandbreite für den Zeitraum vom bis zum .

Die Beigeladene hat Verpflichtungsklage auf Genehmigung eines höheren Entgelts erhoben und zusätzlich mit dem gleichen Ziel Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Das Verwaltungsgericht hat die Bundesnetzagentur durch einstweilige Anordnung vom verpflichtet, der Beigeladenen vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, längstens bis zum , ein Entgelt für die Nutzung des Konzentratornetzes in Höhe von 0,52 EUR je 10 kbit/s genutzter Bandbreite zu genehmigen.

Daraufhin änderte die Bundesnetzagentur ihren Beschluss vom durch einen weiteren Beschluss vom vorläufig dahin, dass die nutzungsabhängige Tarifierung je angefangene 10 kbit/s auf 0,52 EUR festgelegt wurde. Sie befristete die Änderung auf die Zeit vom bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, längstens bis zum . Die Behörde verwies auf die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts und auf ihren fehlenden Spielraum bei der Umsetzung der darin ausgesprochenen Verpflichtung.

Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung vom sei rechtmäßig. Sie finde ihre Grundlage in § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 in Verbindung mit der einstweiligen gerichtlichen Anordnung vom . Entgegen dem Gesetzeswortlaut dürfe das Gericht die vorläufige Zahlung eines höheren Entgelts nicht unmittelbar selbst anordnen, sondern lediglich die Bundesnetzagentur zur Erteilung einer vorläufigen Änderungsgenehmigung verpflichten. Diese Handhabung sei zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes geboten, zumal eine Beiladung sämtlicher Vertragspartner, die vor dem etwaigen Erlass einer unmittelbaren gerichtlichen Zahlungsanordnung notwendig wäre, den Rahmen des Eilverfahrens sprengen müsste.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG finde im Gesetz keine Stütze. Nach dieser Vorschrift hätte das Verwaltungsgericht die Aufforderung zur vorläufigen Zahlung eines höheren Entgelts - nach Beiladung der zahlungspflichtigen Zusammenschaltungspartner der Beigeladenen - allenfalls selbst erlassen, aber nicht ohne Beiladung eine Verpflichtung der Bundesnetzagentur zum Erlass eines diesbezüglichen vorläufigen Verwaltungsakts aussprechen dürfen. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Zweiteilung des Verfahrens der vorläufigen Entgeltanordnung in ein gerichtliches Eilverfahren des regulierten Unternehmens und ein daran anschließendes Klageverfahren der Leistungsnachfrager widerspreche dem Ziel einer möglichst raschen Klärung der strittigen Entgeltfrage. Zudem hätten die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung eines vorläufig höheren Nutzungsentgelts nicht vorgelegen, und das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit seinen diesbezüglichen Erwägungen Verfahrensrechte der Klägerin verletzt.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beschluss der Bundesnetzagentur vom aufzuheben,

2. hilfsweise: das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

3. äußerst hilfsweise: unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Bescheid der Bundesnetzagentur vom rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

und verteidigt die angefochtene Entscheidung der Bundesnetzagentur.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass das Verwaltungsgericht auf die von ihr seinerzeit erhobene Verpflichtungsklage inzwischen ein Bescheidungsurteil vom - VG 1 K 6817/05 - erlassen und die Bundesnetzagentur ihr in Vollzug dieses rechtskräftigen Urteils zwei - abschließende, aber von der Klägerin angefochtene - Entgeltgenehmigungen vom und vom erteilt hat. Im Hinblick darauf hält die Beigeladene den vorliegenden Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. In der Sache selbst macht sie geltend, die hier angefochtene vorläufige Genehmigung der Bundesnetzagentur sei rechtmäßig gewesen.

II

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts und des angegriffenen Beschlusses der Bundesnetzagentur. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und stellt sich auch im Ergebnis als unrichtig dar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen.

1.

Die Klage ist in dem für die Beurteilung der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zulässig.

a)

Sie ist als Anfechtungsklage statthaft, denn sie richtet sich gegen einen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO, § 35 VwVfG. Unbeschadet der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Bundesnetzagentur für die umstrittene vorläufige Entgeltgenehmigung vom eine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts in Anspruch nehmen konnte, hängt die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage allein davon ab, wie die Klägerin als Betroffene die Erklärung der Behörde unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung und aller sonstigen ihr bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung entsprechend §§ 157, 133 BGB verstehen musste (stRspr, s. nur BVerwG 4 C 6.97 - BVerwGE 107, 264 <267> = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 337 S. 119; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 18 m.w.N.).

Die Auslegung führt hier zu dem eindeutigen Ergebnis, dass es sich bei dem angegriffenen Beschluss um einen Verwaltungsakt handelt. Dafür spricht schon der Beschlusstenor, in dem von der Erteilung einer Genehmigung sowie von der - wenn auch vorläufigen - Änderung des vorangegangenen Beschlusses der Bundesnetzagentur vom , bei dem es sich zweifellos um einen Verwaltungsakt in Gestalt einer Entgeltgenehmigung handelt, die Rede ist. Es kommt hinzu, dass der angefochtene Beschluss in seiner Begründung ausdrücklich als "Verwaltungsakt" bezeichnet, auf die Befugnisnorm des § 130 des Telekommunikationsgesetzes vom (BGBl. I S. 1190) - TKG 2004 - gestützt und mit einer dementsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen worden ist. Aus der Sicht der Klägerin konnte deshalb kein Zweifel am Charakter als Verwaltungsakt bestehen.

b)

Die Klägerin kann im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein. Ihre Klagebefugnis ergibt sich daraus, dass der Bescheid das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen unmittelbar, wenn auch nur vorläufig, gestaltet. Die privatrechtsgestaltende Wirkung beeinträchtigt die Klägerin als Entgeltschuldnerin in eigenen Rechten (vgl. BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <95 ff.> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 3 ff. , BVerwG 6 C 23.05 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2 Rn. 15 f.), deren Verletzung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann.

c)

Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen vorläufigen Bescheides.

Durch den Erlass der (abschließenden) Entgeltgenehmigungen der Bundesnetzagentur vom 3. September und , die die Klägerin ihrerseits angefochten hat, ist das Rechtsschutzbedürfnis für den hier vorliegenden Anfechtungsstreit nicht entfallen. Zwar entfaltet ein vorläufiger Verwaltungsakt nur eine begrenzte Regelungswirkung, die unter dem Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung steht und der deshalb nur bis dahin eine Bedeutung zukommt. Mit der endgültigen Regelung des Verfahrensgegenstandes erlischt grundsätzlich die vorläufige Regelung, ohne dass es dafür ihrer förmlichen Aufhebung bedarf ( BVerwG 3 C 8.82 - BVerwG 67, 99 <103> = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 73 S. 27). Ob aber diese Wirkung des Erlöschens schon mit dem Ergehen des endgültigen Bescheides eintritt (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 43 Rn. 39, 50, 213; s. auch - BFHE 178, 11 <14 f.> für einen Steuervorauszahlungsbescheid) oder erst mit dessen Bestandskraft (so BVerwG 3 C 9.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 66 S. 139, insoweit in BVerwGE 74, 357 nicht abgedruckt, für eine vorläufige Subventionsbewilligung; BVerwG 6 C 20.06 - [...] Rn. 3 für eine vorläufige Regulierungsverfügung), lässt sich nicht für sämtliche vorläufigen Verwaltungsakte allgemein beantworten. Entscheidend ist vielmehr stets der Regelungsgehalt des konkreten Verwaltungsakts, der durch Auslegung unter Berücksichtigung der einschlägigen fachgesetzlichen Normen zu ermitteln ist.

Die Auslegung des angefochtenen Bescheides vom hat davon auszugehen, dass ihn die Bundesnetzagentur "vorläufig für die Zeit vom bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren (Az. 1 K 6817/05), längstens bis zum " erteilt hat. Da die Angabe des lediglich die Befristung der ursprünglichen Entgeltgenehmigung vom aufgreift und daher ersichtlich nur das Recht zur Entgelterhebung, aber nicht das Recht zum Behaltendürfen der zuvor erhobenen Entgelte betrifft, kommt nur die im Verfügungstenor gleichfalls genannte "Entscheidung im Hauptsacheverfahren" als Anknüpfungspunkt für die Erledigung des vorläufigen Bescheides in Betracht. Diese sollte entgegen dem missverständlichen Wortlaut erkennbar nicht schon mit der Rechtskraft des Verpflichtungsurteils eintreten, sondern erst mit der Bestandskraft der in Vollzug dieses Urteils gegebenenfalls zu erteilenden Entgeltgenehmigung.

Für dieses Verständnis ist maßgeblich, dass der Beschluss der Bundesnetzagentur in Vollzug einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung erlassen wurde, die sich ihrerseits auf § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 stützte. Nach dieser Vorschrift kann das Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 123 VwGO, ohne dass es der Darlegung eines Anordnungsgrundes bedarf, die vorläufige Zahlung eines beantragten höheren Entgeltes anordnen, wenn der Entgeltanspruch überwiegend wahrscheinlich ist; verpflichtet das Gericht die Bundesnetzagentur zur Erteilung einer höheren Entgeltgenehmigung, entfaltet diese nur dann Rückwirkung, wenn ihr eine diesbezügliche einstweilige Anordnung vorausgegangen ist (s. § 35 Abs. 5 Satz 1, 3 TKG 2004). In Anbetracht dieses besonderen normativen Zusammenhangs, in den der angefochtene Bescheid - sei es zu Recht oder zu Unrecht - gestellt ist, erledigt er sich nicht, bevor die abschließende Entscheidung über den Entgeltanspruch der Beigeladenen in Bestandskraft erwächst. Denn das Verwaltungsgericht wollte mit seiner Anordnung vom , die von der Bundesnetzagentur lediglich umgesetzt worden ist, auf der Grundlage von § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 einstweilen die Höhe des der Beigeladenen zustehenden Entgeltes regeln, bis die Entgeltfrage - gegebenenfalls mit Rückwirkung - abschließend geklärt sein würde; diese Klärung war indes erst mit der Bestandskraft der endgültigen Entgeltgenehmigung erreichbar. Es kommt hinzu, dass aus Rechtsschutzgründen sowohl das Verwaltungsgericht als auch - ihm folgend - die Bundesnetzagentur in Betracht zu ziehen hatten, dass für die etwaige Rückwirkung der endgültigen Entgeltgenehmigung erst der aufgrund der gerichtlichen Anordnung ergehende vorläufige Bescheid maßgeblich ist, den die Klägerin, wie geschehen, zur Abwehr der Rückwirkung anfechten konnte (vgl. u.a. - BVerfGK 9, 425 <429>). In dieser Konstellation darf der Klägerin ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) in Bezug auf die etwaige Rückwirkung der Genehmigung eines höheren Entgeltes auch dann nicht abgeschnitten sein, wenn bei Erlass des endgültigen Genehmigungsbescheides noch über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entgeltgenehmigung gestritten wird. Jedenfalls deshalb muss sich der vorläufige Bescheid Regelungswirkung bis zur Bestandskraft der endgültigen Entgeltgenehmigung beimessen und kann sich vor diesem Zeitpunkt nicht erledigen.

2.

Die Klage ist begründet, denn die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten.

a)

Die Klägerin ist durch die materielle Rechtskraft des nach § 123 Abs. 1 VwGO ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom nicht gehindert, die Rechtswidrigkeit des hier angefochtenen, in dessen Vollzug ergangenen Bescheides der Bundesnetzagentur geltend zu machen; denn die Rechtskraft wirkt nicht gegenüber der Klägerin, die an dem einstweiligen gerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war (s. § 121 Nr. 1 VwGO).

b)

Für den hier angefochtenen Bescheid der Bundesnetzagentur, der wegen seiner grundrechtsverkürzenden privatrechtsgestaltenden Wirkung dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage.

aa)

Die auf einer nur summarischen Prüfung beruhende vorläufige Entgeltgenehmigung kann sich nicht allein auf diejenige Grundlage stützen, auf der die endgültige Entgeltgenehmigung beruht. Für diese gelten aufgrund der Übergangsvorschrift des § 150 Abs. 1 TKG 2004 hier noch die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes vom (BGBl. I S. 1120) - TKG 1996 -. Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG 2004 blieben im Übergangszeitraum bis zum Ergehen neuer Regulierungsentscheidungen bereits getroffene Feststellungen einer marktbeherrschenden Stellung ebenso wirksam wie die daran anknüpfenden gesetzlichen Verpflichtungen einschließlich der Pflicht, sich den im alten Recht vorgesehenen Verwaltungsakten zu unterwerfen, so dass die Bundesnetzagentur einstweilen auf ihre früheren Eingriffsbefugnisse zurückzugreifen hatte ( BVerwG 6 C 14.05 - BVerwGE 126, 74 Rn. 21 = Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 1; BVerwG 6 C 34.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2 Rn. 10, 16; s. auch - Slg. 2007, I-10057). Entsprechendes gilt gemäß § 150 Abs. 1 Satz 3 TKG 2004 für die im vorliegenden Fall einschlägigen - nicht marktmachtabhängigen - gesetzlichen Verpflichtungen, die sich im Anschluss an eine angeordnete Zusammenschaltung aus § 39 Alt. 2 TKG 1996 ergeben (s. Beschluss vom a.a.O. Rn. 36); unter den hier vorliegenden Umständen beruhen die Entgeltgenehmigungspflicht und ihre gesetzlichen Wirkungen auf § 39 Alt. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1, § 29 TKG 1996.

Diese Normen bilden für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die hier angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur. Unabhängig davon, ob vorläufige Verwaltungsakte, mit denen Belastungen verbunden sind, stets einer besonderen, von der Ermächtigung zur abschließenden Sachentscheidung zu trennenden Rechtsgrundlage bedürfen (s. dazu etwa Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 35 Rn. 246; Axer, DÖV 2003, 271 <274 f.>), ist insoweit der unmittelbare Durchgriff auf die Befugnis zur abschließenden Sachentscheidung jedenfalls dann versperrt, wenn das einschlägige Fachgesetz vorläufige behördliche Entscheidungen einer speziellen Regelung unterwirft. Das ist hier der Fall. Denn der übergangsweise noch anwendbare § 78 TKG 1996 enthält - ebenso wie nunmehr § 130 TKG 2004 - eine spezialgesetzliche Ermächtigung zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte, die sich auch und gerade auf vorläufige Entgeltgenehmigungen bezieht (s. Hummel, CR 2000, 291 <292>). Durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung stellt sich für das Telekommunikationsrecht die Frage nach einer allgemeinen Befugnis der Behörden zum Erlass vorläufiger Verwaltungsakte nicht (zutreffend Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 130 Rn. 3); daraus folgt aber auch umgekehrt, dass die spezialgesetzliche Regelung für einstweilige Anordnungen der Bundesnetzagentur abschließend ist.

bb)

Auf § 78 TKG 1996 kann die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur nicht gestützt werden. Ob dem schon der Umstand entgegensteht, dass die Norm der Bundesnetzagentur die einstweilige Anordnungsbefugnis nur "bis zur endgültigen Entscheidung" gewährt, die nach der Intention der Behörde schon mit der ursprünglichen Entgeltgenehmigung vom getroffen sein sollte, kann auf sich beruhen. Jedenfalls verlangt § 78 TKG 1996 nach einhelliger und zutreffender Ansicht schon um der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes willen neben dem Anordnungsanspruch einen Anordnungsgrund, der darin liegt, dass der Erlass der vorläufigen Regelung im besonderen öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse Privater zur Abwendung schwerer Nachteile geboten ist; das Ergebnis dieser Abwägung ist bestimmend für das der Bundesnetzagentur in § 78 TKG 1996 eingeräumte Ermessen (Spoerr, in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG, 2001, § 78 Rn. 6; Mayen, a.a.O. Rn. 11 ff.; Nübel, in: BeckTK, 3. Aufl. 2006, § 130 Rn. 8 f.; Ruffert, in: BerlKommTKG, 2006, § 130 Rn. 6; Graulich, in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG, § 130 Rn. 6).

Ein derartiger Anordnungsgrund wurde hier weder vom Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO noch von der Bundesnetzagentur bei Erlass des angefochtenen Bescheides geprüft und ist auch nicht ersichtlich. Denn unter der Geltung des hier übergangsweise noch anwendbaren alten Rechts droht der Beigeladenen als Entgeltgläubigerin kein Nachteil, da die auf § 25 Abs. 1 TKG 1996 beruhende Entgeltgenehmigung Rückwirkung entfaltet (s. BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <59 ff.> = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 3 S. 46 ff.). Dieses Urteil bezieht sich zwar unmittelbar nur auf den Fall des vertraglich vereinbarten Netzzugangs (§ 39 Alt. 1 i.V.m. § 35 TKG 1996) und nicht auf den hier vorliegenden Fall der Zusammenschaltungsanordnung (§ 39 Alt. 2 i.V.m. § 37 TKG 1996). Doch gilt die Erwägung, dass eine ausschließlich in die Zukunft gerichtete Entgeltgenehmigung für Leistungen, die der Wettbewerber in der Vergangenheit bereits erlangt hat, dem Normzweck widerspräche und in Bezug auf Art. 12 GG unverhältnismäßig wäre (Urteil vom a.a.O.), ebenso für den Fall der Zusammenschaltungsanordnung, zumal diese einen privatrechtlichen Vertrag zwischen den Zusammenschaltungspartnern zur Entstehung bringt ( BVerwG 6 C 11.03 - BVerwG 120, 263 <267> = Buchholz 442.066 § 37 TKG Nr. 1 S. 3). Deshalb ist auch die Bundesnetzagentur in ihrer nunmehr erlassenen Entgeltgenehmigung vom zutreffend von der Rückwirkung ausgegangen. Aus der fehlenden Prüfung des Anordnungsgrundes folgt zugleich, dass der hier angefochtene vorläufige Beschluss der Bundesnetzagentur, der im Hinblick auf die vorangegangene einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts jeglichen "Umsetzungsspielraum" ausdrücklich verneint, an einem Ausfall des von § 78 TKG 1996 geforderten behördlichen Ermessens leidet.

cc)

Die von der Bundesnetzagentur als Verwaltungsakt erlassene vorläufige Entgeltgenehmigung kann auch nicht auf § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts vom gestützt werden.

In § 123 VwGO findet sich eine prozessrechtliche Regelung des vorläufigen (gerichtlichen) Rechtsschutzes, nicht aber eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines in Grundrechte eingreifenden Verwaltungsakts. Aus Sinn und Zweck eines effektiven, an Art. 19 Abs. 4 GG ausgerichteten vorläufigen Rechtsschutzes folgt, dass die gerichtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht wie Verwaltungsakte dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen; vielmehr hat das Gericht grundsätzlich losgelöst vom materiellen Recht einen auf den Einzelfall zugeschnittenen wirksamen Eilrechtsschutz zu gewährleisten (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn. 232 f.). Diese Gestaltungsfreiheit gründet aber ausschließlich im Prozessrecht. Das gilt nicht nur dann, wenn das Gericht selbst die betreffende Anordnung trifft, sondern grundsätzlich auch dann, wenn es der Behörde aufgibt, zugunsten des Antragstellers vorläufig bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise ihm ein bestimmtes Verhalten zu gestatten. In dem zuletzt genannten Fall stellt sich auch der behördliche Umsetzungsakt regelmäßig nur als einstweilige, auf Prozessrecht beruhende Gestattung zugunsten des Antragstellers dar, seine mit dem Antrag verfolgten tatsächlichen Interessen wahrzunehmen, nicht aber als ein auf einer materiellen Rechtsgrundlage beruhender Verwaltungsakt (vgl. .OVG - [...] Rn. 5; - NVwZ-RR 2006, 162). Inwieweit es mit dem Zweck des § 123 VwGO und der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung vereinbar ist, dass das Verwaltungsgericht - wie hier geschehen - der Behörde durch einstweilige Anordnung den Erlass eines (echten) Verwaltungsakts aufgibt, der einen Dritten belastet und daher von diesem mit dem Widerspruch bzw. der Klage angefochten werden kann (grundsätzlich ablehnend Eyermann/Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 123 Rn. 66d), bedarf aus Anlass des vorliegenden Falls keiner Vertiefung. Selbst wenn nämlich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende einstweilige Anordnung vom nicht bereits unter diesen Gesichtspunkten zu beanstanden sein sollte, hätte sie jedenfalls deswegen nicht ergehen dürfen, weil es an einem sie tragenden Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 1 und 2 ZPO) fehlte, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen zu § 78 TKG 1996 ergibt.

dd)

An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch die Sonderregelung, die § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 nunmehr für den vorläufigen Rechtsschutz in Bezug auf Entgeltgenehmigungen trifft. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist (1), bildet auch sie keine geeignete Grundlage für den Erlass einer privatrechtsgestaltenden, in Rechte Dritter eingreifenden vorläufigen Entgeltgenehmigung (2).

(1)

Die in § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 getroffene Regelung, wonach das Gericht unter den dort genannten Voraussetzungen im Verfahren nach § 123 VwGO ohne Darlegung eines Anordnungsgrundes die vorläufige Zahlung eines beantragten höheren Entgeltes anordnen kann, findet keine Anwendung auf Fallkonstellationen wie die hier vorliegende, in denen sich die Entgeltgenehmigungspflicht übergangsweise noch nach § 39 i.V.m. §§ 25, 29 TKG 1996 beurteilt. Das folgt zwar nicht unmittelbar daraus, dass zu den gesetzlichen Verpflichtungen im Sinne von § 150 Abs. 1 TKG 2004 auch die Eingriffsbefugnisse des alten Rechts zählen, auf die im Übergangszeitraum einstweilen weiter zurückgegriffen werden muss; denn bei § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 handelt es sich nicht um eine verwaltungsrechtliche Eingriffsregelung, sondern um eine prozessuale Norm. Diese steht allerdings, wie oben bereits erwähnt, in einem so engen Zusammenhang mit der Neuregelung der Rückwirkung von Entgeltgenehmigungen, dass sie aus ihm nicht gelöst und deshalb auf noch nach altem Recht zu beurteilende Sachverhalte nicht erstreckt werden kann. So wurde durch § 35 Abs. 5 TKG 2004 die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung, nach der die Entgeltgenehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt (Urteil vom a.a.O), zwar einerseits bestätigt, andererseits aber auch begrenzt. Mit der neu eingeführten Verknüpfung zwischen einer vorläufigen Zahlungsanordnung des Gerichts, die nicht von der Darlegung eines Anordnungsgrundes abhängt, und einer möglichen Rückwirkung der im Hauptsacheverfahren erstrittenen (höheren) Entgeltgenehmigung bezweckt das Gesetz eine zwischen dem Entgeltgläubiger und seinen Wettbewerbern ausgewogene Verteilung des Risikos unrichtiger, später korrigierter Entgeltgenehmigungen (s. BTDrucks 15/2316 vom , S. 69 f.; Groebel/Seifert, BerlKommTKG, § 35 Rn. 79 ff., 88; Schuster/Ruhle, in: BeckTKG, § 35 Rn. 70 ff.). Dieser besondere Regelungszusammenhang, in den das Gesetz die neu eingeführte vorläufige gerichtliche Zahlungsanordnung stellt, schließt es aus, den Rechtsbehelf auf altrechtliche Fälle zu übertragen, für die die genannte Rückwirkungssperre nicht gilt.

(2)

Davon abgesehen kann sich die angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung aber auch der Sache nach auf § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 nicht stützen. Als eine prozessrechtliche Norm, die § 123 VwGO ergänzt, ermächtigt sie das Gericht, die vorläufige Zahlung eines höheren Entgeltes anzuordnen, aber nicht die Bundesnetzagentur, einen diesbezüglichen Verwaltungsakt zu erlassen. Das gegenteilige Normverständnis des Verwaltungsgerichts lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass es Beiladungen vermeidet, die das einstweilige Anordnungsverfahren verzögern können. Soweit der begehrten Zahlungsanordnung die Genehmigung einzelvertragsbezogener Entgelte zugrunde liegt, ist die Beiladung der - dem Verwaltungsgericht mit dem Eilantrag zu benennenden - Vertragspartner des entgeltberechtigten Unternehmens gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig. Denn die gerichtliche Entscheidung kann aufgrund der privatrechtsgestaltenden Wirkung, die mit der vorläufigen Anordnung der Zahlung eines höheren als des genehmigten Entgelts verbunden ist, gegenüber dem Entgeltgläubiger und den Entgeltschuldnern nur einheitlich ergehen. Zwar trifft es zu, dass der mit der Beiladung verfolgte Zweck, den von der gerichtlichen Entscheidung unmittelbar Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG), nicht verletzt wird, soweit diese gegen einen etwa noch nachfolgenden behördlichen Umsetzungsakt gerichtlich vorgehen können (s. u.a. - a.a.O. S. 428 f.). Abgesehen davon, dass § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG 2004 einen derartigen Umsetzungsakt nicht vorsieht, erschöpft sich der Zweck der Beiladung aber nicht in der Gewährleistung rechtlichen Gehörs. Dieser geht vielmehr auch dahin, die Rechtskraft der Entscheidung auf die Beizuladenden zu erstrecken (§ 121 Nr. 1 VwGO). Die Beiladung soll vermeiden, dass am streitigen Rechtsverhältnis beteiligte Dritte, auf die sich ohne ihre Beteiligung am Prozess die Rechtskraft nicht erstreckt, die zwischen den bisherigen Streitbeteiligten rechtskräftig entschiedene Frage erneut zur gerichtlichen Prüfung stellen und ein abweichendes Ergebnis erstreiten können (s. BVerwG 4 C 30.84 - BVerwGE 74, 19 <22> = Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 36 S. 16; vgl. auch BVerfG a.a.O. S. 430). Das besondere, mit § 35 Abs. 5 S. 2, 3 TKG 2004 verfolgte Ziel, den entgeltpflichtigen Unternehmen schnellstmöglich Klarheit über die Rückwirkung einer vom Entgeltgläubiger etwa erstrittenen höheren Entgeltgenehmigung zu verschaffen und sie damit der Notwendigkeit, Rückstellungen für denkbare Nachzahlungen zu bilden, möglichst zu entheben (s. BTDrucks 15/2316 S. 69 f.), rechtfertigt es nicht, den Beiladungszweck der Rechtskrafterstreckung zu vernachlässigen. Zwar könnte eine einstweilige Anordnung ohne verfahrensverzögernde Beiladungen im Allgemeinen früher ergehen; sie stände wegen der dann verfassungsrechtlich gebotenen Anfechtungsmöglichkeit der Drittbetroffenen (s. BVerfG a.a.O. S. 429) aber gleichsam unter Vorbehalt und könnte so den ihr zugewiesenen Zweck, die Rückwirkungsfrage zur Vermeidung von Rückstellungen frühzeitig ein für alle Mal mit materiell-rechtlicher Wirkung zu klären, nur unzureichend erfüllen.

c)

Da sich die hier angefochtene vorläufige Entgeltgenehmigung auf keine tragfähige Rechtsgrundlage stützen kann, ist sie rechtswidrig. Im Hinblick auf ihre privatrechtsgestaltende Wirkung verletzt sie zugleich subjektive Rechte der Klägerin, die den vorläufigen Eingriff ohne Vorliegen eines zureichenden Anordnungsgrundes nicht hinnehmen muss.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 3 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).

Fundstelle(n):
RAAAD-21035