Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: KSchG § 1; AGG § 1; AGG § 2; AGG § 8; AGG § 10
Instanzenzug: LAG Niedersachsen, 16 Sa 272/07 vom ArbG Osnabrück, 3 Ca 751/06 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung.
Der 1955 geborene Kläger trat im Jahre 1981 in die Dienste der Beklagten und war zuletzt entsprechend der internen Tarifgruppe 5,0 A zu einer Bruttovergütung von 2.455,04 Euro als Lackierereiarbeiter III beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobil- und der Automobilzuliefererindustrie. Im September 2006 waren bei ihr noch über 5.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Seit 2004 bestanden erhebliche Auslastungsprobleme. Aus diesem Grunde schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat 2004 und 2005 drei Interessenausgleiche und Sozialpläne, die etwa 1.400 Kündigungen (einschließlich Änderungskündigungen) vorsahen.
Da die Produktion weiter zurückging, verhandelte die Beklagte ab Mitte 2006 mit dem Betriebsrat wiederum über einen Interessenausgleich und Sozialplan. Für die erste Stufe wurde die Entlassung von 633 Arbeitnehmern, die Bildung einer Transfergesellschaft und eine Absenkung der Arbeitszeit vorgesehen. Zur Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer heißt es in der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan vom (im Folgenden: BV) ua.:
"2. Sozialauswahl
a) In Bezug auf die geplanten Beendigungskündigungen ist vorher eine soziale Auswahl zwischen allen vergleichbaren Beschäftigten durchzuführen. Die Sozialauswahl wird innerhalb der jeweils vergleichbaren Beschäftigtengruppen des Betriebes gemäß e) vorgenommen.
Es werden die Auswahlrichtlinien und das Punktesystem gemäß b) angewandt, und zwar unter Berücksichtigung der Altersgruppen gemäß c).
...
b) Für die Sozialauswahl der von Beendigungskündigungen betroffenen Belegschaftsmitglieder werden folgende Auswahlrichtlinien zu Grunde gelegt und mit Punkten zueinander gewichtet (Stichtag ):
...
Kriterien||Punkte
1. Lebensalter|für jedes vollendete Jahr nach dem 18.Lebensjahr|1,0 Punkte je Lebensjahr
2. Dauer der Betriebszugehörigkeit|für jedes Beschäftigungsjahr|1,5 Punkte
3. Unterhaltspflichten|Ehegatte/eingetragenerLebenspartner|5,0 Punkte
|je Kind (nachweisbar)|7,0 Punkte
4. Schwerbehinderte||11,0 Punkte
oder Gleichgestellte||9,0 Punkte
c) Die Sozialauswahl wird zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nach verschiedenen Altersgruppen durchgeführt. Es werden die folgenden Altersgruppen gebildet (Stichtag ):
bis zum vollendeten 25. Lebensjahr
älter als 25 Jahre bis zum vollendeten 35. Lebensjahr
älter als 35 Jahre bis zum vollendeten 45. Lebensjahr
älter als 45 Jahre bis zum vollendeten 55. Lebensjahr
älter als 55 Jahre
Innerhalb der Kreise der jeweils vergleichbaren Beschäftigten sollen die aufgeführten Altersgruppen - bezogen auf die Altersstruktur des Betriebes - möglichst prozentual gleichmäßig betroffen werden.
Die Betroffenheit der Altersgruppe ab 55 Jahre wird dadurch erreicht, dass aus dieser Altersgruppe im gesamten Unternehmen alle diejenigen Beschäftigten eine Beendigungskündigung erhalten, die beginnend ab dem die Möglichkeit haben, nach dem Ablauf von 30 Monaten (12 Monate Transfergesellschaft und 18 Monate Arbeitslosengeldbezug) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) zu beziehen. Aus dieser Altersgruppe wird es im Rahmen dieser Maßnahme keine weiteren Kündigungen geben.
Die Durchführung der Sozialauswahl nach den Altersgruppen ist erforderlich zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, weil ohne Berücksichtigung der Altersgruppen die Altersstruktur erheblich verschlechtert würde (siehe Anlage 4).
..."
Der BV wurde eine Namensliste beigefügt, auf der sich auch der Name des Klägers befindet. Von den gekündigten Arbeitnehmern wechselten etwa 85 vH in die gegründete Transfergesellschaft, der Kläger jedoch nicht. Er wurde von der Beklagten der Vergleichsgruppe "bereichsübergreifende Arbeitsplätze mit wechselseitiger Austauschbarkeit innerhalb von 8 Wochen" zugeordnet. In dieser Vergleichsgruppe waren 180 Mitarbeiter zu kündigen. Der Kläger erhielt 69 Punkte gemäß dem Interessenausgleich und wurde entsprechend seinem Alter der Altersgruppe A4 (älter als 45 Jahre bis zum vollendeten 55. Lebensjahr) zugeordnet.
Da sich im Nachhinein Veränderungen der Auftragslage herausstellten, schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat Ende 2006 zwei Ergänzungsvereinbarungen, in denen Regelungen über die Arbeitszeit angepasst wurden.
Neben dem Unternehmen der Beklagten besteht ein der Beklagten verbundenes Unternehmen derselben Branche in R (K KG). Nach der BV bestand die Möglichkeit, dass in der Zeit von Januar 2007 bis Juli 2007 ca. 220 der nicht von Kündigung betroffenen Beschäftigten der Beklagten zur K KG entsandt würden. Das Kontingent wurde jedoch nicht ausgeschöpft.
Nach Anhörung des Betriebsrats, Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger mit Schreiben vom zum .
Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Das Vorliegen betriebsbedingter Gründe hat er bestritten. Er habe in R weiterbeschäftigt werden können. Die betriebliche Lage habe sich nach Abschluss der BV wesentlich gebessert. Die Sozialauswahl entspreche nicht dem Gesetz. Die Bildung von Altersgruppen in der geschehenen Weise verstoße gegen das im AGG und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung. Die faktische Herausnahme der Arbeitnehmer im Alter von 56 bis 57,5 bzw. 59 Jahren sei nicht zu rechtfertigen. Die Regelung über freiwilliges Ausscheiden bringe die gewählte Altersstruktur durcheinander. Das Sozialdatum Schwerbehinderung werde in der Punktezuteilung zu gering gewichtet. Die Beklagte sei im Übrigen auch ihrer Darlegungslast zu den Auswirkungen der Altersgruppenregelung nicht nachgekommen, so dass nicht beurteilt werden könne, ob die Altersstruktur durch die Altersgruppenregelung erhalten worden sei. Die Beklagte habe den Kläger als Schwerbehinderten behandeln müssen. Er habe zwar keinen Antrag auf Anerkennung gestellt, ihm sei aber intern eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 vH zugebilligt worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält die Kündigung für sozial gerechtfertigt.
Die dringenden betrieblichen Erfordernisse seien nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten. Eine Veränderung der Situation sei nachträglich nicht eingetreten. Es hätten sich vorübergehende Schwankungen im Auftragsvolumen ergeben, wie sie bei der Beklagten üblich seien. Entsprechend § 1 Abs. 5 KSchG sei die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit liege weder bei der Bildung von Vergleichs- und Altersgruppen vor noch im Einzelfall der ausgesprochenen Kündigung. Die Altersgruppenbildung widerspreche weder dem AGG noch der Richtlinie 2000/78/EG. Die Notwendigkeit der Bildung von Altersgruppen habe sich ergeben, da die Altersstruktur durch die vorangegangenen Sozialpläne bereits verschlechtert worden sei. Der Altersdurchschnitt sei von Juni 2004 mit 37 Jahren über Februar 2005 mit 41 Jahren über Juli 2005 mit 42 Jahren bis Januar 2006 mit dem Durchschnitt von 43 Jahren insgesamt um sechs Jahre gestiegen. Ohne Bildung von Altersgruppen hätte sich der Altersdurchschnitt um weitere vier Jahre erhöht. Die Erhaltung der Altersstruktur sei im Verhältnis zu den Mitbewerbern erforderlich. Da der Kläger an 44. Stelle von 53 Mitarbeitern seiner Altersgruppe gestanden habe, sei ihm entsprechend den Regelungen der BV jedenfalls zu kündigen gewesen. Die interne Zuordnung einer "ME 50" habe mit dem Grad der Behinderung nichts zu tun und führe nicht zu einer höheren Punktzahl.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Gründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung sei nicht sozialwidrig. Für das Vorliegen betrieblicher Gründe spreche nach § 1 Abs. 5 KSchG eine gesetzliche Vermutung, die der Kläger nicht widerlegt habe. Die in der BV enthaltene Altersgruppenbildung verstoße nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Das Diskriminierungsverbot erfasse trotz § 2 Abs. 4 AGG, der für Kündigungen die alleinige Geltung der Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz anordne, auch das Kündigungsschutzrecht. Der Gesetzgeber gehe nämlich im AGG davon aus, dass die Normen des Kündigungsschutzgesetzes bereits den Wertungen der Richtlinie 2000/78/EG entsprächen. Im vorliegenden Fall sei die Bildung von Altersgruppen objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels seien angemessen und erforderlich. Entscheidend sei, dass in einem Produktionsbetrieb, wie dem der Beklagten, alle Fähigkeiten vorhanden sein müssten. Weitere objektive und angemessene Ziele seien eine langfristige Nachwuchsplanung, die Weitergabe von Erfahrungswissen an Jüngere und die Nutzung der meist aktuelleren Fachkenntnisse jüngerer Arbeitnehmer für den Betrieb. Außerdem wirkten sich Aufstiegschancen jüngerer Arbeitnehmer positiv auf deren Motivation aus. Ferner neutralisiere die Altersgruppenbildung den durch die unmittelbare Berücksichtigung des Lebensalters bei den Sozialdaten bewirkten Vorrang älterer Arbeitnehmer. Die BV setze diese Vorgaben um, indem sie Kündigungen entsprechend dem prozentualen Anteil der Gruppen an der Gesamtbelegschaft vorsehe. Ohne die Altersgruppenbildung wäre der Altersaufbau der Belegschaft weiter beeinträchtigt worden, und zwar über die Verschlechterungen hinaus, die bereits durch vorausgegangene Personalreduzierungen entstanden seien. Arbeitnehmer bis zum 35. Lebensjahr wären dann fast gar nicht mehr beschäftigt worden. Die Sachlage habe sich nach Abschluss der BV nicht wesentlich geändert. Dauerhafter weiterer Personalbedarf habe sich durch die vorübergehende Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitsstunden nicht ergeben. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht in R weiterbeschäftigen müssen. Die Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört und die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß erstattet worden.
B. Dem stimmt der Senat im Ergebnis und auch in weiten Teilen der Begründung zu.
I. Die Kündigung der Beklagten ist wirksam. Sie ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2, 3 und 5 KSchG.
1. Die Kündigung ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, gerechtfertigt. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse sind nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermuten, weil der Kündigung ein Interessenausgleich mit Namensliste iSd. § 1 Abs. 5 KSchG zugrunde liegt.
a) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfüllt. Insbesondere ist der Name des Klägers auf der Namensliste zum Interessenausgleich enthalten.
b) Die Namensliste entbehrt nicht bereits deshalb der ihr nach § 1 Abs. 5 KSchG zukommenden Wirkungen, weil ihr Zustandekommen gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) oder gegen europarechtliche Diskriminierungsverbote verstieße. Ein solcher Verstoß der Regelungen über die Sozialauswahl kann, wenn er vorliegt, zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl führen, hat aber nicht die "Unwirksamkeit" der Namensliste und damit den Wegfall der Vermutungswirkung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zur Folge (Senat - 2 AZR 304/06 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 16 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 13; aA Stahlhacke/Preis 9. Aufl. Rn. 1166l; Mohr SAE 2007, 353, 354; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 561). Wenn sich Verstöße gegen das Antidiskriminierungsrecht auf die Frage der Sozialauswahl beziehen, so wäre der Wegfall der Vermutung der Betriebsbedingtheit als Rechtsfolge überzogen, weil der Rechtsverstoß mit der Rechtsfolge in keinerlei sachlichem Zusammenhang stünde. Dass die in der BV benannten Arbeitnehmer uU nach anderen Kriterien auszuwählen sind als von den Betriebsparteien vorgesehen, ändert nichts daran, dass Arbeitgeber und Betriebsrat für die in der BV vorgesehene Anzahl an Kündigungen (Arbeitsvolumen) einen betriebsbedingten Kündigungsgrund angenommen haben. Eben dies - nämlich die Einigung von Arbeitgeber und Betriebsrat bezüglich der Anzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer - rechtfertigt nach der Vorstellung des Gesetzgebers die gesetzliche Vermutung in § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG.
c) Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Sachlage habe sich nach Zustandekommen der BV nicht wesentlich geändert (§ 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelte es sich bei den nach Abschluss der BV akquirierten Aufträgen nicht um solche, die an der Notwendigkeit der Betriebsänderung etwas geändert hätten, sondern nur um übliche Schwankungen innerhalb des insgesamt maßgeblichen Rückgangs der Auslastung. An der unternehmerischen Entscheidung zur Personalreduzierung und der damit verbundenen Betriebsänderung hat sich nichts geändert. Ebenso kann weder in diesem noch in anderem Zusammenhang vom Kläger die etwaige Beschäftigungsmöglichkeit im Schwesterunternehmen der Beklagten in R ins Feld geführt werden. Weder unterhielt die Beklagte mit dem Unternehmen in R einen gemeinsamen Betrieb - immerhin bestanden für jeden der beiden Betriebe eigenständige Betriebsräte, denen jeweils ein Personalleiter gegenüberstand - noch sind die Voraussetzungen einer konzernweiten Weiterbeschäftigungspflicht ersichtlich.
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Kündigung sei auch nicht wegen grober Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 KSchG).
a) Ob die Verletzung der Auskunftspflicht für sich genommen bereits zur groben Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl führt, kann dahinstehen, da die Auskunftspflicht von der Beklagten erfüllt wurde.
b) Die Sozialauswahl verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 iVm. §§ 1, 7, 10 AGG.
aa) Die Diskriminierungsverbote des AGG (§§ 1 - 10 AGG) sind im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit von Kündigungen zu beachten. Eine Kündigung kann sozialwidrig sein, wenn sie gegen Diskriminierungsverbote verstößt. Die Regelung des § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Das ergibt die Auslegung.
(1) Nach seinem Wortlaut bestimmt § 2 Abs. 4 AGG, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten.
(2) Welche Bedeutung dieser gesetzlichen Anordnung im Einzelnen zukommt, ist umstritten (zum Streitstand vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 103 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 55 ff.; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 28 ff.; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 256 ff.; ErfK/Schlachter 8. Aufl. § 2 AGG Rn. 16 f.; HWK/Annuß/Rupp 3. Aufl. § 2 AGG Rn. 12 ff.; Adomeit/Mohr KommAGG § 2 Rn. 199 ff.; Zwanziger in Kittner/Däubler/Zwanziger 7. Aufl. § 2 AGG Rn. 23 ff.; AnwK-ArbR/v. Steinau-Steinrück/Schneider § 2 AGG Rn. 19 ff.; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 39 ff. mwN aus dem Schrifttum).
(a) Ein Teil der Literatur nimmt an, § 2 Abs. 4 AGG solle die Anwendung der in Umsetzung der europarechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinien geschaffenen gesetzlichen Regelungen im AGG vollständig ausschließen. Mit diesem Inhalt sei § 2 Abs. 4 AGG allerdings aus europarechtlichen Gründen unanwendbar, so dass letztlich § 2 Abs. 4 AGG die Anwendung der übrigen Normen des Gesetzes nicht hindere (vgl. Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 28 ff.; ähnlich AnwK-ArbR/v. Steinau-Steinrück/Schneider § 2 AGG Rn. 21; Bayreuther DB 2006, 1842; Wenckebach AuR 2008, 70, 71; Thüsing BB 2007, 1506, 1507; Düwell FA 2007, 107, 109; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 256 ff.).
(b) Andererseits wird die Auffassung vertreten, § 2 Abs. 4 AGG müsse ebenso wie das Kündigungsschutzrecht richtlinienkonform ausgelegt werden und eröffne die Möglichkeit der Anwendung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote im Kündigungsschutzrecht (so auch das Landesarbeitsgericht im angefochtenen Urteil unter 1.1.1.3.; zustimmend Wendeling-Schröder AuR 2007, 389), so dass es bei Anwendung der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes regelmäßig eines Rückgriffs auf die entsprechenden europarechtlichen Normen bedürfte (vgl. ErfK/Schlachter 8. Aufl. § 2 AGG Rn. 16 f.; HWK/Annuß/Rupp 3. Aufl. § 2 AGG Rn. 13; Stein in Wendeling-Schröder/Stein § 2 AGG Rn. 39 ff.; Zwanziger in Kittner/Däubler/Zwanziger 7. Aufl. § 2 AGG Rn. 23 ff. mit zahlreichen Nachweisen).
(c) Einige Stimmen in der Literatur schlagen mit unterschiedlichen Begründungen und Abweichungen in Einzelheiten vor, § 2 Abs. 4 AGG verbiete die Anwendung lediglich eines Teils der Regelungen des AGG und dies auch nur für einen Teilbereich des Kündigungsrechts. Dabei ist insbesondere umstritten, ob das AGG für Kündigungen außerhalb des KSchG gilt und ob Schadensersatzansprüche als Sanktionen für diskriminierende Kündigungen an die Stelle oder neben die Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung treten (vgl. ErfK/Schlachter 8. Aufl. § 2 AGG Rn. 16 f.; Zwanziger in Kittner/Däubler/Zwanziger 7. Aufl. § 2 AGG Rn. 23 ff.; für eine Unterscheidung nach Fallgruppen: Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 55 ff.).
(d) Nach Auffassung des Senats steht § 2 Abs. 4 AGG der Anwendung der materiellen Diskriminierungsverbote in ihrer näheren gesetzlichen Ausgestaltung (§§ 1 - 10 AGG) im Rahmen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht im Wege. Die Diskriminierungsverbote des AGG - einschließlich der ebenfalls im AGG vorgesehenen Rechtfertigungen für unterschiedliche Behandlungen - sind bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsschutzgesetzes in der Weise zu beachten, dass sie Konkretisierungen des Begriffs der Sozialwidrigkeit darstellen. Der Senat hat einen ähnlichen Weg im Falle der Vorschriften des § 84 Abs. 1 SGB IX und § 84 Abs. 2 SGB IX beschritten ( - 2 AZR 182/06 - BAGE 120, 293; - 2 AZR 716/06 - AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = EzA SGB IX § 84 Nr. 3). Auch dort prüft er die Verletzung von Rechtsvorschriften im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des KSchG.
(aa) Nur auf den ersten Blick scheint für die Annahme eines vollständigen Ausschlusses der Anwendung des AGG auf Kündigungen zu sprechen, wenn es in § 2 Abs. 4 AGG heißt, dass "für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten" sollen.
(bb) Indes zeigt die Betrachtung des Zusammenhangs, in dem die Regelung steht, dass ihr Wortlaut ihren Sinn nicht vollständig abbildet. Denn § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ordnet die Unzulässigkeit von Benachteiligungen aus den in § 1 AGG genannten Gründen an, und zwar ganz ausdrücklich auch für "Entlassungsbedingungen" und für Vereinbarungen und Maßnahmen "bei ... Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses" (vgl. Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 28 ff.; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 40 f.; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 259; Mohr SAE 2007, 353; Mohr ZfA 2007, 361, 363). Der Begriff der Entlassungsbedingungen umfasst neben anderen Beendigungstatbeständen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch und gerade Kündigungen (vgl. - [Chacon Navas] EuGHE I 2006, 6467; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 9). Auch § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gilt ausdrücklich für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Wollte man § 2 Abs. 4 AGG im Sinne eines gänzlichen Anwendungsausschlusses verstehen, so würde damit vorausgesetzt, das Gesetz träfe in einer und derselben Vorschrift (§ 2 AGG) zwei diametral gegensätzliche Anwendungsbefehle. Während es nämlich in § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG seine Anwendung ausdrücklich auf diskriminierende Entlassungen und damit auch Kündigungen vorsähe, schlösse es sie in § 2 Abs. 4 AGG aus. Es widerspricht aber den Auslegungsgrundsätzen, ein Gesetz ohne Not in einem Sinne zu verstehen, der dem Verbot des Selbstwiderspruchs zuwiderliefe und daher auch nicht als "Sinn" sondern nur als der deutlichste Fall von "Un-Sinn" bezeichnet werden könnte. Da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber weder sinnlose noch unanwendbare Gesetzesnormen aufstellen will, ist zur Vermeidung von Antinomien (Normwidersprüchen) wenn möglich eine Auslegung zu wählen, bei der die Norm Bestand haben kann und bei der Widersprüche vermieden werden (vgl. Bydlinski Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff 2. Aufl. S. 463 f.; Zippelius Juristische Methodenlehre 10. Aufl. S. 41 und 53).
(cc) Auch die Gesetzesgeschichte spricht gegen ein Verständnis der Norm als Anwendungsausschluss. Das AGG dient der Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG des Rates, 2000/78/EG des Rates, 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und 2004/113/EG des Rates. In Art. 3 Abs. 1c der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG heißt es übereinstimmend zum Geltungsbereich der Richtlinien, er beziehe sich auch auf Entlassungsbedingungen. Es sollten also ausdrücklich auch diskriminierende Kündigungen bekämpft werden. Diese Umsetzungsabsicht wird durch § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bekräftigt. Wenn ein Gesetz ua. deshalb eingeführt wird, weil diskriminierende Kündigungen bekämpft werden sollen, leuchtet es wenig ein, eine zentrale Vorschrift dieses Gesetzes in dem Sinne auszulegen, sie verbiete die Anwendung der Diskriminierungsverbote auf Kündigungen. Auch aus den Begründungen zu den verschiedenen Gesetzentwürfen (vgl. insbes. BT-Drucks. 16/1780 S. 32 und 16/2022 S. 12) lässt sich eine solche Absicht nicht erkennen. Zweck des § 2 Abs. 4 AGG bzw. der ihm vorausgegangenen Entwurfsfassungen war vielmehr sicherzustellen, dass durch das AGG nicht neben das bisherige ein "zweites Kündigungsrecht" gestellt werden sollte (AnwKArbR/v. Steinau-Steinrück/Schneider § 2 AGG Rn. 19; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 56 f.). Die Befürchtungen gingen dahin, es könnte neben das Kündigungsschutzrecht ein durch § 134 BGB iVm. den Vorschriften des AGG vermittelter weiterer Bestandsschutz treten.
(dd) Dieser Befund wird durch die Aufhebung von § 10 Satz 3 Nr. 6 und 7 aF AGG durch Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 a) des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze gültig ab (BGBl. I 2006 S. 2742) unterstrichen (aA Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 28 ff.; Düwell FA 2007, 107; vgl. aber auch Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 44; zu den Rückwirkungen des Änderungsgesetzes allgemein: Bauer/Göpfert/Krieger AGG Nachtrag zur 1. Aufl. unter B). Der Gesetzgeber wollte durch die Streichung von § 10 Satz 3 Nr. 6 und 7 aF AGG einen etwaigen Widerspruch zu § 2 Abs. 4 AGG vermeiden. Das war im Sinne des vom Senat gefundenen Ergebnisses auch konsequent. Der aufgehobenen Regelungen bedurfte es bei Anwendung der Diskriminierungsverbote im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht.
(ee) Der Zweck der Regelung des § 2 Abs. 4 AGG bestätigt das Auslegungsergebnis: Die Vorschrift will - wie § 2 Abs. 2 und 3 AGG - der "Verzahnung" mit anderen Rechtsgebieten dienen, also Kohärenz herstellen zwischen dem Antidiskriminierungsrecht des AGG einerseits und dem - mit dem AGG auf der gleichen gesetzeshierarchischen Ebene stehenden (vgl. zum AGG als einfachem Gesetzesrecht: - NZS 2008, 311; - BGHZ 174, 273) - Kündigungsrecht andererseits (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 6). Die im nationalen Kündigungsrecht vorgesehenen Rechtsfolgen werden als ausreichend angesehen (vgl. dazu BT-Drucks. 16/2022 S. 12; zweifelnd Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 107 - 113; aA Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 262a). Auch enthielt und enthält das allgemeine und besondere Kündigungsrecht zahlreiche gesetzliche und richterrechtlich entwickelte Regeln, die der Sache nach als Diskriminierungsverbote anzusehen sind (vor allem im Bereich des Sonderkündigungsschutzes für bestimmte Personengruppen - auch solcher, deren Diskriminierung nicht ohne Weiteres unter § 1 AGG fiele, etwa Betriebsräte, Wehrpflichtige) und deren Weitergeltung zu verdeutlichen der Gesetzgeber sich in § 2 Abs. 3 AGG ebenso angelegen sein ließ wie er für die Regelungen der staatlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersvorsorge in § 2 Abs. 2 AGG auf die entsprechenden Gesetze verwies.
(ff) Ebenso wenig wie § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG eine "Bereichsausnahme" für die betriebliche Altersversorgung enthält ( - AP AGG § 2 Nr. 1 = EzA AGG § 2 Nr. 1), geht es bei § 2 Abs. 4 AGG um einen Anwendungsausschluss für die Diskriminierungsverbote des AGG oder gar um die Ermöglichung von nach dem AGG verbotenen Diskriminierungen bei Kündigungen. Ziel ist vielmehr die Beschreibung des Weges, auf dem die Diskriminierungsverbote des AGG in das bisherige System des Kündigungsschutzrechts nach der Vorstellung des Gesetzgebers einzupassen sind. Das Gesetz zielt darauf ab, den Diskriminierungsverboten in Übereinstimmung mit dem in das nationale Antidiskriminierungsrecht umgesetzten europäischen Recht - auch für das Kündigungsrecht - Geltung zu verschaffen oder zu erhalten. Für den Weg, auf dem dies geschieht, sollen allerdings "ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz" maßgeblich sein: Dies bedeutet ua., dass der Grundsatz des Kündigungsrechts, demzufolge rechtswidrige Kündigungen als unwirksam angesehen werden und dass die Unwirksamkeit gerichtlich nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes geltend zu machen ist, unangetastet bleibt und nicht etwa eine "Diskriminierungsklage" neben die Kündigungsschutzklage treten oder etwa die besonderen Beschwerderechte nach dem AGG irgendetwas an der kündigungsrechtlichen Dogmatik ändern sollen. Vielmehr sollen Verstöße gegen die Diskriminierungsverbote des AGG nach den kündigungsrechtlichen Maßgaben gewertet werden, also für den Bereich des Kündigungsschutzgesetzes im Zusammenhang mit der Frage erörtert werden, ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist oder nicht. Dagegen sollen die Diskriminierungsverbote nicht als eigene Unwirksamkeitsnormen angewendet werden. Ob und inwieweit mit der Einpassung der Diskriminierungsverbote in das Kündigungsschutzrecht zugleich andere Rechte von durch Kündigung diskriminierten Beschäftigten - vgl. §§ 13, 14, 15, 16 AGG - ausgeschlossen sein sollen (vgl. dazu Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 2 Rn. 49 ff.; Däubler/Bertzbach/Däubler AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 263; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 55 ff.), bedarf hier keiner Entscheidung. Im Streitfall kommt es allein darauf an, ob die Berücksichtigung eines etwaigen Verstoßes gegen das im AGG enthaltene Verbot der Altersdiskriminierung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG iVm. §§ 1, 7, 10 AGG) nach § 2 Abs. 4 AGG bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen ausgeschlossen ist. Dies ist nicht der Fall.
(gg) Die Auslegung von § 2 Abs. 4 AGG im vorstehend wiedergegebenen Sinn entspricht auch dem Erfordernis der europarechtskonformen Auslegung des nationalen deutschen Rechts, indem unter mehreren möglichen Auslegungen diejenige den Vorzug erhält, die dem in den Richtlinien des Rates zum Ausdruck gekommenen Ziel eines wirksamen und abschreckenden Schutzes gegen diskriminierende Entlassungen gerecht wird. Die im Schreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vom (2007/23620 K(2008) 0103 - AuR 2008, 145) geäußerte Befürchtung, § 2 Abs. 4 AGG stehe der vom europäischen Recht geforderten Anwendung der Diskriminierungsverbote entgegen, ist also unbegründet. Die durch die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes für diskriminierende Kündigungen ermöglichte Sanktion der Unwirksamkeit einer Kündigung stellt im Übrigen die schärfste kündigungsrechtliche Reaktion dar, weil sie der diskriminierenden Willenserklärung die Rechtswirkung ex tunc nimmt und sie damit - rechtlich - ungeschehen macht. Insofern bedurfte es auch keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG.
bb) Der Interessenausgleich und die Namensliste verstoßen ebenso wenig gegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG wie die der Bildung der Namensliste zugrunde liegende Punktetabelle und Altersgruppenregelung.
(1) Die Berücksichtigung des Lebensalters - neben den übrigen Auswahlkriterien - im Punkteschema stellt zwar eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung dar; sie ist jedoch nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Sie verfolgt ein legitimes Ziel und ist objektiv und angemessen. Auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich (vgl. zu den einzelnen Merkmalen und ihrem Verhältnis zueinander Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 6 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 20 f.; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 14 ff.; Adomeit/Mohr KommAGG § 10 Rn. 14 ff.; Däubler/Bertzbach/Brors AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 20 ff.).
(a) Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgesehene Vergabe von Sozialpunkten führt in der Tendenz zu einer Bevorzugung älterer und damit zugleich zu einer Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Die Absicht des Gesetzes besteht darin, ältere Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, etwas besser zu schützen. Darin liegt ein legitimes Ziel. Das Gesetz legt für die unterschiedliche Behandlung objektive und angemessene Kriterien fest, indem es das Lebensalter als eines von vier gleichgewichtig zu berücksichtigenden Merkmalen der sozialen Auswahl vorschreibt.
(b) Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind sowohl in der abstrakten Festlegung als auch in der konkreten Anwendung angemessen und erforderlich.
(aa) Die Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum ist zur Einbeziehung individueller Arbeitsmarktchancen geeignet und erforderlich. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Dass die Arbeitsmarktchancen auf diese Weise typisierend und nicht rein individuell berücksichtigt werden, ist letztlich, will man die Arbeitsmarktchancen überhaupt einbeziehen, unvermeidbar: Jede mögliche Aussage über Chancen muss sich naturgemäß an Wahrscheinlichkeiten orientieren, die ihrerseits nicht ohne Berücksichtigung von Erfahrungswerten beurteilt werden können. Wenn also, was unstrittig ist, ein Erfahrungswert dahin besteht, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschance generell zu sinken pflegt, so könnte dieser Umstand auch bei strikt individueller Bewertung von Arbeitsmarktchancen nicht außer Betracht bleiben (Senat - 2 AZR 304/06 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 16 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 13; - 2 AZR 387/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78; vgl. auch Thüsing BB 2007, 1506, 1508; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45i ff.; Mohr ZfA 2007, 361, 379; Löwisch/Röder/Krieger BB 2008, 610; aA Annuß BB 2006, 325, 326; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 555 ff.).
(bb) Die Punktetabelle als solche begegnet in der Sache keinerlei Einwänden. Die nach dem Gesetz vorgesehenen sozialen Gesichtspunkte sind berücksichtigt, und die in der Punktezuteilung zum Ausdruck kommende Gewichtung der Sozialdaten eröffnet die Möglichkeit, dass jedes der Abwägungselemente - nicht allein das Lebensalter - den Ausschlag geben kann. So ist die Beschäftigungszeit pro Jahr mit 1,5 Punkten gegenüber dem Lebensalter mit 1 Punkt pro Jahr stärker gewichtet. Zum andern berücksichtigt die Tabelle mit der Zuteilung von 7 Punkten je unterhaltsberechtigtem Kind und 5 Punkten für den unterhaltsberechtigten Ehepartner auch die typischen Interessen junger Familien. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Gewichtung der Schwerbehinderung mit 11 Punkten nicht zu gering. Sie gibt bei im Übrigen gleichen Sozialdaten den Ausschlag. Die für die Schwerbehinderung vorgesehene Punktzahl ist höher als die für zehn Jahre Lebensalter zugemessene. Der Schwerbehinderte ist damit gegenüber einem gleichaltrigen nicht-behinderten Kollegen besser gestellt.
(2) Zu Unrecht bemängelt der Kläger die Bildung von Altersgruppen, die der Namensliste zugrunde liegt.
(a) Allerdings ist die Bildung von Altersgruppen nicht, wie die Beklagte meint, bereits deshalb zulässig, weil sie keine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters iSd. § 1 AGG bedeuten würde. Die Beklagte hat gemeint, eine an das Lebensalter anknüpfende Ungleichbehandlung sei schon deshalb zu verneinen, weil alle Altersgruppen gleichmäßig an dem Gesamtumfang des Arbeitsplatzverlustes beteiligt würden. Das ist zwar an sich zutreffend. Dennoch bringt es die Bildung von Altersgruppen mit sich, dass von zwei Arbeitnehmern mit ansonsten gleichen altersunabhängigen Punktzahlen (etwa bei gleicher Betriebszugehörigkeit und der gleichen Anzahl von unterhaltsberechtigten Angehörigen) derjenige mit dem höheren - oder geringeren - Lebensalter letztlich wegen seiner Zugehörigkeit zu einer anderen Altersgruppe gekündigt werden kann und der andere nicht. Ob dies tatsächlich geschieht, hängt davon ab, wie viele Sozialpunkte die übrigen Angehörigen seiner Gruppe aufweisen: Der Grenzwert als diejenige Mindestpunktzahl, ab der jemand nicht zu den zu Kündigenden gehört, kann in jeder Gruppe verschieden sein, so dass etwa einem 35-jährigen Arbeitnehmer mit 7,5 Punkten aus der Beschäftigungszeit und 12 Punkten aus der Zahl der Unterhaltsberechtigten (Ehepartner und ein Kind) nicht zu kündigen sein kann und einem 36-jährigen Arbeitnehmer bei im Übrigen gleichen Punktzahlen sehr wohl, während ohne Altersgruppenbildung uU beiden oder keinem von beiden zu kündigen wäre. In solchen Grenzfällen kann also die Altersgruppenbildung zu einer allein auf das Alter zurückzuführenden unterschiedlichen Behandlung führen (zur Altersgruppenbildung vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 460; Thüsing BB 2007 S. 1506, 1507; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45m, die die Altersgruppenbildung als nicht rechtfertigungspflichtig ansehen, da durch sie ältere Arbeitnehmer nicht benachteiligt würden, sondern nur ihre rechtliche Bevorzugung durch die Sozialauswahl eingeschränkt werde; Gaul/Bonanni BB 2008, 218; Bertelsmann AuR 2007, 369; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 559 f.).
(b) Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Sie ist objektiv und angemessen und verfolgt ein legitimes Ziel. Auch die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich.
(aa) Die unterschiedliche Behandlung ist objektiv und angemessen. Sie erfolgt nicht mit Rücksicht auf persönlich-private oder zufällige Gesichtspunkte, sondern richtet sich nach von einzelnen Personen losgelösten Kriterien (vgl. Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 17) innerhalb eines in sich plausiblen Systems nach bestimmten, in der Sache begründeten Proportionen. Die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen findet ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der zu Kündigenden, wodurch die Erhaltung der bisherigen prozentualen Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbelegschaft - in etwa - erreicht wird.
(bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die unterschiedliche Behandlung sei hier durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das legitime Ziel besteht in der Erhaltung der Altersstruktur (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).
(aaa) Betriebs- und unternehmensbezogene Zwecke einer Altersgruppenregelung, zu denen auch die Erhaltung der Altersstruktur gehört, können legitime Ziele sein (so auch Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 16; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 6 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 20; Adomeit/Mohr KommAGG § 10 Rn. 14). Dass die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten zur Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur Einschränkungen unterliegen kann, sieht § 1 Abs. 3 Satz 2 2. Var. KSchG ausdrücklich vor. Der deutsche Gesetzgeber hatte im Zusammenhang mit der Bestimmung legitimer Ziele gerade auch die Situation des einzelnen Arbeitgebers und der Branche im Blick (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 6 f.). Auch die Richtlinie 2000/78/EG berücksichtigt unter dem in Art. 6 Abs. 1c genannten Beispiel (jetzt § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG) ihrerseits genuine Arbeitgeberinteressen (vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 422).
(bbb) Die legitimen Ziele einer Altersgruppenbildung müssen grundsätzlich vom Arbeitgeber im Prozess dargelegt werden. Indes ist vom Vorhandensein solcher legitimer Ziele regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt. In diesen Fällen ist regelmäßig die Erhaltung einer auch altersmäßig ausgewogenen Personalstruktur gefährdet. Die vom Landesarbeitsgericht im Einzelnen aufgeführten Gesichtspunkte zeigen dies deutlich. Die Erhaltung einer altersgemischten Belegschaft liegt im Interesse der Gesamtheit der Belegschaft als auch im Wettbewerbsinteresse des Arbeitgebers, das unter dem Schutz der Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG steht (vgl. Senat - 2 AZR 387/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 10 Rn. 8; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 17; aA Wenckebach AuR 2008, 70, 72). Die unterschiedlichen Vorzüge der unterschiedlichen Lebensalter können nur dann im Sinne langfristig erfolgreichen Zusammenwirkens zur Geltung kommen, wenn möglichst alle Lebensalter im Betrieb vertreten sind. Weder sind ausschließlich positive Aussagen über die Leistungsfähigkeit junger Arbeitnehmer gerechtfertigt, noch sind rein negativ verallgemeinernde Aussagen über das Nachlassen der Leistungsfähigkeit von älteren Arbeitnehmern zutreffend (vgl. Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 45 - 56; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 41 ff.; Polloczek Altersdiskriminierung im Licht des Europarechts S. 22 Fn. 30; vgl. auch Wenckebach AuR 2008, 70, 72). Dass allerdings die körperliche Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlässt und die Krankheitsanfälligkeit in einer messbaren statistischen Korrelation zum erreichten Lebensalter steht, dürfte nicht ernsthaft bestritten werden können. Jedenfalls beruhen alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung auf dieser Erwartung, und eine Umstellung dieser Systeme auf die Basis der gegenteiligen Annahme ist, soweit ersichtlich, noch nicht verlangt worden. Auch der Senat hat, zB bei Kündigungen wegen Minderleistungen, den Gesichtspunkt der typischerweise altersbedingt nachlassenden körperlichen Leistungsfähigkeit (vgl. - 2 AZR 667/02 - BAGE 109, 87) in Rechnung gestellt.
(cc) Auch die konkrete Ausgestaltung der Erhaltung des bisherigen Altersaufbaus genügt den in § 10 Satz 2 AGG aufgestellten Erfordernissen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
(aaa) Sie ist zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich. Geeignet ist die Altersgruppenbildung deshalb, weil - wie unstreitig - durch sie ein Anstieg des Durchschnittsalters ebenso verhindert wird wie ein "Ausbluten" der unteren Altersstufen. Die Altersgruppenbildung ist auch erforderlich gewesen: Hätte die Beklagte darauf verzichtet, so hätte sie keinen oder fast keinen Arbeitnehmer mehr unter 35 Jahren gehabt. Die beiden untersten Altersbänder (bis 25 und 26 bis 35) wären fast vollständig aus dem Betrieb verschwunden. Ein milderes Mittel ist nicht erkennbar.
(bbb) Sowohl die Erhaltung des Altersaufbaus als auch die konkrete Umsetzung durch die erfolgte Altersgruppenbildung genügen auch dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne. Sie werden der Interessenlage sowohl der jüngeren als auch der älteren Arbeitnehmer hinreichend gerecht.
Die prozentuale Beteiligung der Altersgruppen an der Gesamtzahl der Kündigungen hatte nach der BV gleichmäßig zu erfolgen. Dass hiervon bei Bildung der Namensliste maßgeblich abgewichen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Richtig ist, dass nach der BV bei den Arbeitnehmern, die älter als 55 Jahre waren, die prozentuale Betroffenheit von Kündigungen nicht nach den erreichten Sozialpunkten, sondern nach der - in einer Formel ausgedrückten - Rentennähe erreicht werden sollte. Dies ist aber unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung hier unschädlich, weil es die Interessen der anderen Altersgruppen und damit die kündigungsrechtliche Lage des Klägers nicht berührt.
Die Altersgruppenbildung vermeidet außerdem nicht nur eine Überalterung der Belegschaft, sondern ebnet auch die bei Massenkündigungen etwa überschießenden Tendenzen der Bewertung des Lebensalters als Sozialdatum ein und wirkt so einer übermäßigen Belastung jüngerer Beschäftigter entgegen (Senat - 2 AZR 304/06 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 16 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 13; - 2 AZR 387/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 78; vgl. auch Thüsing BB 2007, 1506; Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 460; Nupnau DB 2007, 1202; Mohr SAE 2007, 353). Die Beklagte hätte ohne die Altersgruppenbildung zahlreichen jüngeren Arbeitnehmern gerade wegen ihres - jungen - Alters kündigen müssen.
3. Auch die weiteren Revisionsangriffe führen nicht zum Erfolg.
a) Der Kläger hat zuletzt keine mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mehr benannt, die nach seiner Auffassung so deutlich weniger schutzbedürftig wären, dass die soziale Auswahl als grob fehlerhaft erschiene.
b) Ebenfalls ohne revisiblen Rechtsfehler nimmt das Landesarbeitsgericht an, die interne "ME 50" des Klägers führe nicht dazu, dass dem Kläger gesondert Punkte nach der Punktetabelle zugemessen werden müssten. Es kann dahin stehen, ob das Sozialdatum der Schwerbehinderung voraussetzt, dass die Schwerbehinderung anerkannt ist oder wenigstens ein Antrag gestellt wurde oder ob es ausreicht, dass die Schwerbehinderung tatsächlich vorliegt (vgl. Senat - 2 AZR 4/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 71 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 58; APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 730 f.). Selbst wenn letzteres der Fall wäre, könnte der Kläger hier nicht zum Erfolg kommen, da nicht festgestellt ist, dass beim Kläger eine Schwerbehinderung der Sache nach gegeben ist. Die Revision erhebt insoweit auch keinerlei Rügen.
4. Dass die Kündigung weder wegen eines Verstoßes gegen § 102 BetrVG noch gegen die Vorschriften des Massenentlassungsschutzes der §§ 17 ff. KSchG unwirksam ist, hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen angenommen.
II. Die Kosten der erfolglos bleibenden Revision fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Fundstelle(n):
JAAAD-20981
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein