BGH Urteil v. - IX ZR 196/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: InsO § 96 Abs. 1; InsO § 134 Abs. 1; InsO § 143 Abs. 1; BGB § 814

Instanzenzug: LG Weiden, 2 S 61/07 vom AG Weiden, C 12/07 vom

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P.

GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin bot ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 v.H. und 14,07 v.H. Der Beklagte erklärte am seinen Beitritt. Tatsächlich erlitt die Schuldnerin im Zeitraum der Beteiligung des Beklagten Verluste. Um diese zu verschleiern, leitete sie den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden miteinander vermischt und nur zu einem geringen Teil, später überhaupt nicht mehr, in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden. Der Beklagte leistete im Jahr 2000 eine Einlage von 2.556,96 EUR und ein Agio von 178,95 EUR sowie im Jahre 2002 eine weitere Einlage von 5.000 EUR und ein weiteres Agio von 350 EUR. Er erhielt am eine Auszahlung in Höhe von 9.095,84 EUR.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger aus Insolvenzanfechtung den Differenzbetrag zwischen der an den Beklagten geleisteten Auszahlung und seiner Einlage (1.539,38 EUR) zuzüglich vorgerichtlicher, auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nicht anrechenbarer Rechtsanwaltskosten (112,64 EUR), jeweils zuzüglich Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die teilweise erfolgreiche Berufung des Klägers führte zu einer Verurteilung in Höhe von 1.076,73 EUR. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur vollständigen Verurteilung des Beklagten.

I.

Das Berufungsgericht hat gemeint, dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO zu. Da die Schuldnerin nur vorgespiegelt habe, aus Termingeschäften Gewinne erzielt zu haben, seien die Gewinne objektiv ohne Gegenleistung des Beklagten ausgezahlt worden. Der Beklagte sei jedoch trotz des gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreifenden Aufrechnungsverbots so zu stellen, als könne er mit einem Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der beiden Agio aufrechnen. Dies habe der Bundesgerichtshof unter Geltung der Konkursordnung so entschieden (BGHZ 113, 98, 105 f) . Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar.

II.

Dies hält rechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht Stand.

1.

Noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Insolvenzverwalter könne die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Dies entsprach schon der Rechtsprechung unter Geltung der Konkursordnung (BGHZ 113, 98, 101 ff ; , WM 1991, 331, 332 f), die der Senat im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung fortgeführt hat (, ZIP 2008, 975 f Rn. 6 ff; v. - IX ZR 195/07, WM 2009, 178, 179 Rn. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die von der Schuldnerin bei den anfangs noch in geringem Umfang getätigten Anlagen erzielten Gewinne seien geringfügig gewesen und durch die Verwaltungskosten aufgezehrt worden, so dass die Auszahlungen an die Anleger vollumfänglich in Form eines "Schneeballsystems" erbracht worden seien, wird von dem Beklagten nicht angegriffen.

2.

Hingegen bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte sei jedenfalls so zu stellen, als könne er mit seinem gegen die Schuldnerin begründeten Schadensersatzanspruch gegen den aus der Anfechtung gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO folgenden Rückgewähranspruch aufrechnen. Die Vorinstanz hat sich hierbei auf eine noch unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rechtsprechung des Senats gestützt (BGHZ 113, 98, 105 f) , die im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung jedoch nicht fortzuführen ist (vgl. aaO S. 179 Rn. 7). Das jüngst ergangene Senatsurteil betrifft ein Parallelverfahren zu dem vorliegenden Rechtsstreit; auf die dort niedergelegten Gründe wird verwiesen. Insbesondere wird - anders als noch im Anwendungsbereich der Konkursordnung - durch § 814 BGB ein Normwiderspruch nicht mehr hervorgerufen. Auch wenn es diese Vorschrift nicht gäbe und sich bereits vor Insolvenzeröffnung ein Bereicherungsanspruch der Schuldnerin und der Schadensersatzanspruch des Beklagten gegenübergestanden hätten, wäre eine wirksame Aufrechnung wegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht in Betracht gekommen (vgl. aaO S. 179 Rn. 8 ff).

Der Normzweck des § 814 BGB fordert auch aus anderen Gründen als dem durch die Insolvenzordnung beseitigten Wertungswiderspruch keine Einschränkung des aus § 143 Abs. 1 InsO folgenden Rückgewähranspruchs. Auf die Ausführungen in der Parallelsache wird auch insoweit Bezug genommen ( aaO S. 180 f Rn. 14 ff).

3.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

a)

Der Anspruch scheitert nicht an einem Wegfall der Bereicherung (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Voraussetzungen einer Entreicherung verneint; die Revisionserwiderung zeigt nicht auf, dass dabei Tatsachenvortrag des Beklagten übergangen worden sei.

Zu Unrecht meint der Beklagte, er sei nicht bereichert, weil ihm in Höhe der Klageforderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Schuldnerin zugestanden habe. Die Auszahlung ist nicht auf einen Schadensersatzanspruch des Beklagten, sondern nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen auf die angeblich erzielten Gewinne sowie die Einlage erfolgt. Damit hat die Schuldnerin die Zahlung einem bestimmten (fiktiven) Schuldverhältnis zugeordnet. Eine andere Sicht verbietet sich insbesondere im Hinblick auf den mit der Zahlung verfolgten Zweck, der dahin ging, die Machenschaften der Schuldnerin zu verdecken (vgl. aaO S. 181 Rn. 19).

Soweit der Beklagte meint, er dürfe die Einlage als Aufwand für den Erwerb des Anspruchs auf Zinsen abziehen, übersieht er, dass die Einlage bereits bei der Berechnung der Klageforderung berücksichtigt worden ist und nicht doppelt in Abzug gebracht werden darf.

b)

Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen dem Rückgewähranspruch nicht entgegen. Es gibt keinen Grund, den Beklagten gegenüber anderen getäuschten Anlegern besser zu stellen (vgl. auch hierzu aaO Rn. 21).

III.

1.

Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

2.

Der Zinsanspruch auf die Hauptforderung ist in der begehrten Höhe ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB, § 291 ZPO; BGHZ 171, 38, 43 Rn. 13 ff). Da die Zinsen erst ab einem Zeitpunkt nach der Eröffnung begehrt werden, ist für den Zinsbeginn jener maßgeblich (§ 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Nebenforderung auf Ersatz der außergerichtlich angefallenen Anwaltsgebühren ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.

Fundstelle(n):
TAAAD-20408

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein