Subjektive Klagehäufung; einfache Streitgenossenschaft zwischen Eheleuten bei gemeinsamer Klageerhebung gegen einen zusammengefassten Einkommensteuerbescheid
Gesetze: FGO § 10 Abs. 3, FGO § 59, GKG § 66, EStG § 26b
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger, Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Kläger) wurde 1996 mit seiner damaligen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 erhoben die damaligen Eheleute am Klage. Dazu hatten beide Kläger den Steuerberatern A und Partner am Prozessvollmacht erteilt, die diese zu allen das Verfahren betreffenden Prozesshandlungen, u.a. zur Einlegung und Rücknahme von Rechtsmitteln und zum Abschluss von Vergleichen ermächtigte.
Nachdem das Finanzgericht (FG) Münster der Klage im ersten Rechtsgang durch Urteil vom stattgegeben hatte, legte der Beklagte (das Finanzamt —FA—) dagegen Revision ein. Für das Revisionsverfahren wurde der Ehefrau antragsgemäß Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt. Der erkennende Senat hob das Urteil des FG am auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wurde dem FG übertragen.
Mit Beschluss vom entschied das FG, dass die Gerichtskosten einschließlich der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens in Anlehnung an einen übereinstimmenden Vorschlag der Beteiligten gegeneinander aufgehoben würden. Daraufhin erließ die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) am gegen den Kläger als Kostenschuldner eine Kostenrechnung, in der die Gerichtskosten mit 747,20 € angesetzt wurden.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom „Einspruch” ein und machte geltend, die Vereinbarung zwischen seiner geschiedenen Ehefrau und dem FA, das Verfahren einzustellen, sei ohne sein Wissen getroffen worden. Er habe seit mindestens sechs Jahren keine Information über den Verfahrensstand bekommen, auch keine schriftliche Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens. Er habe deshalb keine Möglichkeit gehabt, PKH zu beantragen. Es gehe um die Steuerschuld seiner geschiedenen Ehefrau. Des Weiteren sei er unterhaltspflichtig und seit dem arbeitslos. Er bitte deshalb um erneute Prüfung.
II. Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
1. Der „Einspruch” vom ist unbeschadet der Bezeichnung als Erinnerung anzusehen. Gegen den Kostenansatz ist nach § 66 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nur der Rechtsbehelf der Erinnerung statthaft (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 135 Rz 15).
2. Funktionell zuständig für die Entscheidung ist der Senat in der Besetzung von drei Richtern. Die in § 66 Abs. 6 Satz 1 1. Halbsatz GKG vorgesehene Entscheidung durch den Einzelrichter gilt nicht für den BFH, bei dem Entscheidungen durch den Einzelrichter gerichtsverfassungs- und prozessrechtlich nicht vorgesehen sind (, BFHE 209, 422, BStBl II 2005, 646).
3. Zwar kann der Kostenschuldner mit der Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG auch geltend machen, zu Unrecht als Kostenschuldner herangezogen worden zu sein (, BFH/NV 1994, 819; Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 135 Rz 17). Vorliegend greifen die Einwände des Klägers jedoch nicht durch.
a) Nach § 29 Nr. 1 GKG schuldet derjenige die Kosten, dem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind.
aa) Im Streitfall haben der Kläger und seine Ehefrau gemeinsam Klage erhoben. Sie waren —nachdem das FA gegen das Urteil des FG Revision eingelegt hatte— Revisionsbeklagte. Der Kläger wurde dabei durch die Prozessbevollmächtigten vertreten, denen er Vollmacht erteilt hatte.
(1) Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten (§ 62 Abs. 6 —früher Abs. 3— Satz 5 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die von den Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für denjenigen, der die Vollmacht erteilt hat, in gleicher Weise verpflichtend, als hätte er sie selbst vorgenommen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Im Verfahren vor dem BFH wirkt die ursprüngliche Bevollmächtigung wegen des Vertretungszwangs (§ 62 Abs. 4 FGO, früher § 62a FGO) auch dann bis zur Anzeige der Bestellung eines neuen Bevollmächtigten fort, wenn die Vollmacht widerrufen oder das Mandat niedergelegt wurde (Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 62 Rz 19, m.w.N.).
(2) Da der Kläger im Klage- und Revisionsverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten wurde, kommt es nicht darauf an, ob er (auch) persönlich über den Fortgang des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens informiert war. Dem Kläger waren die Informationen und Prozesshandlungen der Bevollmächtigten zuzurechnen. Es entspricht dem Zweck der Regelung in § 62 Abs. 6 Satz 5 FGO, dass der gesamte Prozessstoff in der Hand des Bevollmächtigten vereint wird (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 62 FGO Rz 192, m.w.N.).
bb) Der Kläger und seine damalige Ehefrau waren einfache Streitgenossen, weil sie gemeinsam Klage gegen einen Steuerbescheid erhoben hatten, mit dem sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden (, BFH/NV 1995, 225, unter 3.b der Gründe). Bei der Zusammenveranlagung (§ 26b des Einkommensteuergesetzes —EStG—) handelt es sich nach § 155 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) inhaltlich und verfahrensrechtlich um zwei Verwaltungsakte, die lediglich in einem Bescheidformular zusammengefasst werden. Erheben —wie im Streitfall— beide Ehegatten Klage gegen den zusammengefassten Bescheid, so handelt es sich um zwei Klagen gegen verschiedene Verwaltungsakte, die im Wege einer subjektiven Klagehäufung miteinander verbunden werden können (, BFH/NV 1987, 256). Die Eheleute sind in diesem Fall einfache Streitgenossen.
b) Das FG hat die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben. Sie fielen deshalb jedem Teil —dem Kläger und seiner Ehefrau einerseits und dem FA andererseits— zur Hälfte zur Last (§ 136 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Kläger war daher Kostenschuldner nach § 29 Nr. 1 GKG. Da er und seine frühere Ehefrau Streitgenossen waren, haften sie nach § 32 Abs. 1 Satz 1 GKG als Gesamtschuldner.
c) Der Inanspruchnahme des Klägers als Kostenschuldner steht nicht entgegen, dass seiner geschiedenen Ehefrau PKH bewilligt worden ist. Zwar darf nach § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG die Haftung eines anderen Kostenschuldners nicht geltend gemacht werden, soweit einem Kostenschuldner, der nach § 29 Nr. 1 GKG haftet (Entscheidungsschuldner), PKH bewilligt worden ist. Diese Vorschrift betrifft jedoch die Haftung mehrerer Kostenschuldner auf verschiedenen Parteiseiten; sie setzt voraus, dass mehrere Kostenschuldner aus verschiedenen Haftungsgründen für die gleiche Kostenschuld haften (Oestreich/Winter/Hellstab, Kommentar zum Gerichtskostengesetz, § 31 Rz 1; vgl. auch , Neue Juristische Wochenschrift 1999, 3186). Die Haftung von Streitgenossen richtet sich demgegenüber nach § 32 GKG (Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 31 GKG Rz 2). § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG ist daher nicht anwendbar, wenn Streitgenossen, die Entscheidungsschuldner i.S. des § 29 Nr. 1 GKG sind, als Gesamtschuldner haften (§ 32 Abs. 1 Satz 1 GKG).
4. Die Kostenrechnung als solche ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht dem Grunde und der Höhe nach dem Gesetz. Einwendungen dagegen hat der Kläger nicht erhoben.
5. Die Prüfung persönlicher Billigkeitsgründe ist dem Beitreibungsverfahren vorbehalten. Sollte der Kläger nicht in der Lage sein, die Kostenschuld zu tilgen, bleibt es ihm unbenommen, einen Billigkeitsantrag an den Präsidenten des BFH unter eingehender Darstellung seiner derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu richten (vgl. , BFH/NV 2000, 581, unter 3. der Gründe).
6. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FAAAD-19812