Leitsatz
[1] a) Hat das Kind mit seiner Anfechtungsklage gegen den rechtlichen Vater obsiegt, kann die Mutter hiergegen auch dann Berufung einlegen, wenn sie auf Seiten des Kindes und nicht auf Seiten des Vaters beigetreten ist. Als streitgenössische Nebenintervenientin ( § 69 ZPO) kann sie Prozesshandlungen auch im Widerspruch zu der von ihr unterstützten Hauptpartei vornehmen und deshalb auch durch Einlegung eines Rechtsmittels mit dem Ziel der Klagabweisung auf eine nach ihrer Ansicht richtige Entscheidung hinwirken (im Anschluss an BGHZ 89, 121, 123 f.) . Der für die Zulässigkeit einer Berufung der streitgenössischen Nebenintervenientin regelmäßig erforderlichen Beschwer der unterstützten Hauptpartei (hier: des Kindes) bedarf es im Anfechtungsverfahren jedenfalls dann nicht, wenn sowohl das klagende Kind als auch der beklagte Vater den Erfolg der Anfechtungsklage anstreben.
b) Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage des minderjährigen Kindes setzt die Entscheidung des Inhabers der elterlichen Sorge voraus, dass das Kind sie erheben soll. Daran fehlt es, solange die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sich nicht einig sind und das Gericht auch nicht auf Antrag des die Anfechtung befürwortenden Elternteils diesem die Entscheidung gemäß § 1628 Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen hat.
c) Bestellt das Gericht (hier: der Rechtspfleger) einen Ergänzungspfleger für das Kind mit dem Wirkungskreis der Vertretung in einem Anfechtungsverfahren des Kindes, ist darin bei gemeinsamem Sorgerecht der Eltern regelmäßig nicht zugleich auch die konkludente Entscheidung zu sehen, dem anfechtungsunwilligen Elternteil oder gar beiden Eltern insoweit das Sorgerecht zu entziehen und dem Ergänzungspfleger auch die Entscheidung über das "ob" der Anfechtung zu übertragen.
Gesetze: ZPO § 69; BGB § 1626 Abs. 1; BGB § 1628; BGB § 1666; RPflG § 8 Abs. 4 Satz 1; RPflG § 14 Abs. 1 Nr. 5; RPflG § 14 Abs. 1 Nr. 8; FamFG § 172 Abs. 1 Nr. 2; FamFG § 184 Abs. 3
Instanzenzug: OLG Hamm, 9 UF 36/07 vom AG Warendorf, 9 F 750/06 vom
Tatbestand
Die 1995 geborene Klägerin ficht die Vaterschaft des Beklagten an. Dessen 1994 geschlossene Ehe mit der Mutter und jetzigen Streithelferin der Klägerin ist seit 1999 geschieden; beiden steht nach wie vor das gemeinsame Sorgerecht zu.
Der Beklagte ist nach dem Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Abstammungsgutachtens nicht der leibliche Vater der Klägerin. Eine von ihm 1999 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage ist wegen Versäumung der Anfechtungsfrist - rechtskräftig - abgewiesen worden. Seit seiner Trennung von der Kindesmutter im Jahre 1997 hat der Beklagte keinen Kontakt mehr zu der Klägerin.
Auf Antrag des Beklagten bestellte der Rechtspfleger des Amtsgerichts das Jugendamt des Kreises Warendorf zum Ergänzungspfleger des Kindes mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des minderjährigen Kindes C.-A. K. in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren". Das Jugendamt lehnte es ab, Anfechtungsklage zu erheben, da dies nicht dem Kindeswohl diene. Der Rechtspfleger teilte diese Auffassung nicht, entließ das Jugendamt als Ergänzungspfleger und bestellte stattdessen auf Anregung des Beklagten den jetzigen Ergänzungspfleger (Rechtsanwalt H.). Dieser erhob namens der Klägerin die vorliegende Klage auf Feststellung, dass die Klägerin nicht das Kind des Beklagten ist. Der Beklagte erklärte, er erkenne an, und beantragte zu erkennen, was rechtens sei.
Das Amtsgericht bestellte zunächst eine Verfahrenspflegerin, die nach persönlicher Anhörung der Klägerin die Ansicht vertrat, die Anfechtung entspreche nicht dem Kindeswohl. Sie beantragte,
die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
Die Mutter der Klägerin trat dieser im Verfahren bei und schloss sich den Ausführungen und Anträgen der Verfahrenspflegerin des Kindes an.
Das Amtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Kindesmutter änderte das Oberlandesgericht die angefochtene Entscheidung, wies die Klage ab und ließ die Revision zu.
Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin und des Beklagten, mit denen beide die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstreben, während die Kindesmutter als Streithelferin der Klägerin das Berufungsurteil verteidigt.
Gründe
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
I.
1.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2008, 1646 ff. veröffentlicht ist, hat die Berufung der Kindesmutter als zulässig angesehen. Diese sei dem Verfahren auf Seiten der Klägerin beigetreten und damit streitgenössische Nebenintervenientin geworden. Sie habe daher auch im Widerspruch zu der von ihr unterstützten Partei Berufung mit dem Ziel der Klagabweisung einlegen können (BGHZ 89, 121, 123 f.) . Einer formellen Beschwer bedürfe es im Kindschaftsverfahren jedenfalls dann nicht, wenn wie hier der Fortbestand der rechtlichen Vaterschaft begehrt werde; zudem sei die Streithelferin der Klägerin im Gegensatz zu dieser hier selbst formell beschwert, da sie in erster Instanz Abweisung der Klage begehrt habe und eine rechtskräftige Entscheidung, die für und gegen alle wirke, auch auf ihre Rechtsstellung unmittelbar einwirke.
2.
Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob eine Anfechtung dem Wohl des Kindes diene und die Anfechtungsfrist hier gewahrt sei. Es hat die Berufung der Mutter schon deshalb als begründet angesehen, weil die Befugnis des Ergänzungspflegers, das minderjährige Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu vertreten, nur eine prozessuale Voraussetzung der Vaterschaftsanfechtung durch das minderjährige Kind erfülle. Sie umfasse aber nicht zugleich die Befugnis, das materielle Gestaltungsrecht des Kindes auszuüben, nämlich für das Kind zu entscheiden, ob die Vaterschaft angefochten werden soll oder nicht. Diese Entscheidung obliege dem Inhaber des Sorgerechts, hier also beiden Eltern gemeinsam. Dass diese sich insoweit nicht einig seien, könne allenfalls Anlass für einen Antrag eines Elternteils an das Familiengericht sein, die Entscheidung nach § 1628 BGB einem von ihnen zu übertragen. Ein solcher Antrag sei aber nicht gestellt worden.
In der Bestellung des Ergänzungspflegers zur Vertretung des Kindes in einem Anfechtungsverfahren sei auch keine stillschweigende Entziehung des Sorgerechts im Hinblick auf die Entscheidung zu sehen, ob eine bestehende Vaterschaft angefochten werden soll. Dies folge bereits daraus, dass dem Rechtspfleger zwar die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nach § 3 Nr. 2 a RPflG übertragen sei, nicht aber die Entscheidung über die Entziehung des Sorgerechts, die nach § 14 Nr. 8 RPflG dem Richter vorbehalten sei. Zudem spreche auch der Wortlaut des Beschlusses des Rechtspflegers dagegen, dass der Wirkungskreis des Ergänzungspflegers auch die Entscheidung über das "ob" der Anfechtung habe umfassen sollen.
II.
Das hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen beider Revisionen stand.
1.
Die Berufung der Streithelferin der Klägerin ist zulässig.
Die Streithelferin konnte im vorliegenden Anfechtungsverfahren, in dem sie nicht als Partei beteiligt ist, dem Kind zu dessen Unterstützung beitreten, § 640 e Abs. 1 Satz 2 ZPO. Als dessen selbständige Streithelferin (§ 69 ZPO) ist sie in der Lage, frei von den für den gewöhnlichen Nebenintervenienten geltenden Beschränkungen ( § 67 ZPO) Prozesshandlungen auch im Widerspruch zu der von ihr unterstützten Partei vorzunehmen und dadurch selbständig, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels, auf eine nach ihrer Ansicht richtige Entscheidung hinzuwirken (vgl. BGHZ 89, 121, 123 f. = FamRZ 1984, 164).
a)
Das stellen im Grundsatz auch beide Revisionen nicht in Frage. Sie wenden insoweit lediglich ein, mit dem eigenständigen Anfechtungsrecht des Kindes nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB sei es nicht zu vereinbaren, wenn die Kindesmutter als selbständige Nebenintervenientin ohne weiteres auch gegen den Willen des anfechtenden Kindes Berufung gegen ein stattgebendes Feststellungsurteil einlegen könne, weil dies auf eine Verhinderung der Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind hinauslaufe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zum einen widerspräche es der besonderen Rechtsstellung einer als Streitgenossin geltenden Nebenintervenientin im Sinne des § 69 ZPO, sie letztlich doch den Beschränkungen des § 67 ZPO zu unterwerfen, denen sie im Gegensatz zu einer einfachen Nebenintervenientin gerade nicht unterliegt. Zum anderen schränkt ein solches Rechtsmittel das Anfechtungsrecht des Kindes nicht ein oder vereitelt es gar, sondern stellt die Anfechtung nur zur erneuten Überprüfung durch das übergeordnete Gericht.
b)
Ohne Erfolg stellt die Revision der Klägerin ferner die Auffassung des Berufungsgerichts zur Überprüfung, dass im Anfechtungsverfahren - etwa in entsprechender Anwendung des § 641 i Abs. 2 ZPO - generell auf eine Beschwer des Rechtsmittelführers (hier: der Mutter) bzw. der von ihr als Streithelferin unterstützen Hauptpartei (hier: der Klägerin) verzichtet werden kann.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung erübrigt sich diese Frage nicht schon deshalb, weil die Nebenintervenientin in erster Instanz Abweisung der Klage beantragt habe und deshalb durch die stattgebende Entscheidung des Familiengerichts jedenfalls formell beschwert sei. Denn die selbständige Streitgehilfin ( § 69 ZPO) hat zwar ein von der Hauptpartei unabhängiges Recht zur Prozessführung, führt insoweit aber keinen eigenen, sondern einen fremden Prozess, nämlich den der von ihr unterstützten Hauptpartei (vgl. Münch-Komm/Schultes ZPO 3. Aufl. § 69 Rdn. 11). Deshalb kommt es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels grundsätzlich nicht auf ihre eigene Beschwer an, sondern auf die Beschwer der von ihr unterstützten Hauptpartei (vgl. Stein/Jonas/ Bork § 69 Rdn. 7, 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 67. Aufl. Grundzüge § 511 Rdn. 22 Streithelfer; Wieczorek/Mansel ZPO 2. Aufl. § 69 Rdn. 49; OLG Düsseldorf FamRZ 1988, 1179, 1181; offen gelassen von - NJW 2001, 2638, 2639) .
Hier fehlt es an einer Beschwer der unterstützten Hauptpartei durch das erstinstanzliche Urteil, weil das Amtsgericht der Anfechtungsklage der Klägerin stattgegeben hatte. Die Berufung der Streithelferin war daher nur zulässig, wenn diese keine Beschwer voraussetzt.
Bislang hatte der Senat offen gelassen, ob für eine Berufung in Kindschaftssachen - etwa in Analogie zur Scheidung oder zu § 641 i Abs. 2 ZPO -generell auf das Erfordernis einer formellen Beschwer verzichtet werden kann (vgl. - FamRZ 2005, 514 und vom - XII ZR 207/92 - FamRZ 1994, 694 f.). Diese Frage bedarf auch hier keiner generellen, sondern lediglich auf die vorliegende Fallkonstellation bezogenen Entscheidung.
Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur hält eine Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels gegen ein stattgebendes Urteil im Vaterschaftsanfechtungsprozess nicht für erforderlich (Stein/Jonas/Schlosser aaO § 641 Rdn. 6; MünchKomm/Coester-Waltjen ZPO 2. Aufl. § 640 e Rdn. 13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 641 Rdn. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO § 641 i Rdn. 6; Staudinger/Rauscher BGB [2004] § 1600 e Rdn. 100; Zimmermann ZPO 8. Aufl. § 641 i Rdn. 4; Wieczorek/Schütze/Schlüter ZPO 3. Aufl. § 640 e Rdn. 15; Grunsky StAZ 1970, 253; Gaul in Fs Bosch [1976] S. 242 f.; KG DAVorm 1985, 412; einschränkend Odersky, NeG 4. Aufl. § 1600 l BGB Anm. VI 3; a.A. Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 641 i Rdn. 12; Zöller/Hessler ZPO 27. Aufl. vor § 511 Rdn. 25; Musielak/Borth ZPO 6. Aufl. § 641 i Rdn. 6; OLG München FamRZ 1987, 171 f.).
Der Senat schließt sich der erstgenannten, auch in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung jedenfalls für den Fall an, dass die Parteien - wie hier - unabhängig von ihrer jeweiligen Parteirolle im Verfahren das gemeinsame Ziel der Beseitigung des bestehenden Status des Kindes anstreben und der nach § 640 e Abs. 1 Satz 2 ZPO beigetretene Elternteil sein Rechtsmittel gegen die der Anfechtung stattgebende Entscheidung mit dem Ziel der Abweisung der Klage einlegt.
Hierfür bedarf es indes keines Rückgriffs auf eine entsprechende Anwendung des § 641 i Abs. 2 ZPO, die wegen des Ausnahmecharakters der Restitutionsklage bedenklich wäre. Diese Vorschrift ist allerdings Ausdruck der besonderen Bedeutung, die das Gesetz einer materiell richtigen Statusfeststellung beimisst. Zugleich zeigt die Regelung des § 640 d ZPO, dass kein öffentliches Interesse an der Beseitigung eines bestehenden Abstammungsstatus besteht, im Interesse seiner Aufrechterhaltung hingegen die Parteiherrschaft dem Amtsermittlungsgrundsatz weichen muss. Dem entspricht im Scheidungsverfahren die Regelung des § 616 Abs. 2 ZPO. Beiden Vorschriften liegt somit ein analogiefähiger Rechtsgedanke zugrunde, der es rechtfertigt, im Interesse der Aufrechterhaltung eines bestehenden Abstammungsstatus in geeigneten Fällen auf die Voraussetzung einer formellen Beschwer für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zu verzichten.
Hierfür spricht auch die Überlegung, dass § 640e Abs. 1 Satz 2 ZPO nach der ratio legis der prozessualen Absicherung der Rechtsposition des Beigeladenen dienen und ihm die Möglichkeit eröffnen soll, die materiellrechtlichen Auswirkungen des in dem Verfahren ergehenden Urteils auf ihn mitzugestalten.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dies im Ergebnis auch der zum in Kraft tretenden gesetzlichen Neuregelung des FGG-Reformgesetzes (BGBl. 2008 I S. 2586) entspricht. Nach § 184 Abs. 3 FamFG steht auch demjenigen die Beschwerde gegen Endentscheidungen in Abstammungssachen zu, der an dem Verfahren beteiligt war oder zu beteiligen wäre. Dazu gehört nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 FamFG auch die Mutter. Ihr soll damit ein eigenständiges Beschwerderecht unabhängig davon eingeräumt werden, ob der in der Abstammungssache ergehende Beschluss sie unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt (BT-Drucks. 16/9733 S. 368 zu § 184).
2.
Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Streithelferin auch für begründet gehalten und der Klage den Erfolg versagt. Die Klage ist nämlich derzeit unzulässig.
a)
Die Klage ist allerdings nicht schon deshalb unzulässig, weil der Ergänzungspfleger, Rechtsanwalt H., sie namens der Klägerin als Vertreter ohne Vertretungsmacht erhoben hätte, wie die Revisionserwiderung geltend macht, die Klägerin also im vorliegenden Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten wäre.
Der (nach § 3 Nr. 2 a RPflG insoweit funktionell zuständige) Rechtspfleger des Familiengerichts hat den Ergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des minderjährigen Kindes C.-A. K. in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren" bestellt. Der Ergänzungspfleger hatte daher Vertretungsmacht zur Prozessführung im Sinne des § 640 b Satz 2 ZPO, wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft zu Recht erfolgte. Denn auch wenn es an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Pflegschaft fehlt, berechtigt dies das Prozessgericht grundsätzlich nicht, die Befugnis des bestellten Pflegers zu verneinen, den Prozess für das Kind zu führen (vgl. BGHZ 33, 189, 201).
Deshalb besteht auch kein Anlass, der Anregung der Revisionserwiderung zu folgen, die Kosten des Verfahrens nicht der Klägerin, sondern dem Ergänzungspfleger als vollmachtlosem Prozessvertreter aufzuerlegen.
b)
Die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage des Kindes setzt aber auch voraus, dass zuvor eine wirksame Entscheidung getroffen wurde, die Vaterschaft namens des Kindes anzufechten, und zwar von dem oder den zu dieser Entscheidung Berufenen. Daran fehlt es hier zumindest derzeit, was auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat.
Zu unterscheiden ist nämlich zwischen der Ausübung des materiellen Gestaltungsrechts auf Anfechtung einerseits und der prozessualen Verfahrenshandlung der Erhebung einer entsprechenden Klage andererseits ( - NJW 1975, 345, 346 ; OLG Frankfurt/Main FamRZ 1969, 106; MünchKomm/Wellenhofer BGB 5. Aufl. § 1600 a Rdn. 11; Erman/Hammermann BGB § 1600 a Rdn. 11; Staudinger/ Rauscher aaO § 1600 a Rdn. 24; Schwer in jurisPK-BGB 4. Aufl. § 1629 Rdn. 32; Nickel in jurisPK-BGB 4. Aufl. § 1600 a Rdn. 24; Soergel/Gaul BGB 12. Aufl. § 1597 a.F. Rdn. 8; BGB-RGRK/Böckermann 12. Aufl. § 1597 a.F. Rdn. 4; Wanitzek FPR 2002, 390, 392).
Die Entscheidung, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden soll, gehört zur Personensorge ( § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB) und steht daher grundsätzlich dem Inhaber der elterlichen Sorge zu, hier also dem Beklagten und der Streithelferin gemeinsam. Beide sind zwar nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehindert, das Kind in einem nachfolgenden Anfechtungsprozess zu vertreten: der Vater schon deshalb, weil er den Prozess namens des Kindes gegen sich selbst führen müsste (vgl. - NJW 1975, 345), und die Mutter, weil dies automatisch auch deren Verhinderung nach sich zieht ( - FamRZ 1972, 498, 500). Dies gilt aber nicht für die Entscheidung darüber, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden soll. Diese verbleibt den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, da es sich weder um ein Rechtsgeschäft mit dem Kind im Sinne des § 181 BGB noch um einen Teil des Anfechtungsrechtsstreits handelt ( - NJW 1975, 345).
Es fehlt daher an einer gemeinsamen Entscheidung der nach wie vor sorgeberechtigten Eltern, die Vaterschaft des Beklagten namens des Kindes anzufechten, denn die Mutter ist der Erhebung der Anfechtungsklage von Anfang an entgegengetreten und begehrt nach wie vor deren Abweisung. Diese Entscheidung kann auch der Ergänzungspfleger nicht ersetzen, denn weder steht dem von ihm im Prozess vertretenen minderjährigen Kind ein eigenständiges Entscheidungsrecht zu, noch gehört es zum Aufgabenkreis des Ergänzungspflegers, die Personensorge für das Kind wahrzunehmen.
Damit fehlt es an einer Sachurteilsvoraussetzung für das vorliegende Verfahren. Denn nicht nur Verstöße gegen die Regelungen zur gesetzlichen Vertretung im Verfahren selbst, sondern auch Verstöße gegen den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Anfechtung führen zur Unzulässigkeit der Anfechtungsklage (vgl. Nickel in [...]PK BGB aaO § 1600a Rdn. 31). Dies zeigt auch die frühere, bis zum geltende Rechtslage: Die nach § 640 b Satz 2 ZPO, § 1597 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Anfechtung der Vaterschaft durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes war Prozessvoraussetzung (vgl. RGRK-BGB/Böckermann aaO § 1597 Rdn. 6; LG Gießen FamRZ 1996, 1296, 1297) . Führt aber bereits die schwebende Unwirksamkeit einer vom gesetzlichen Vertreter erklärten Anfechtung zur Unzulässigkeit der Anfechtungsklage (vgl. auch - FamRZ 1966, 504, 505), so muss dies erst recht gelten, wenn es an einer Anfechtungserklärung überhaupt fehlt, weil sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern darauf nicht haben verständigen können.
Die Entscheidung über die Erhebung einer Anfechtungsklage ist auch nicht nach § 1628 Abs. 1 Satz 1 BGB einem der beiden Sorgeberechtigten übertragen worden. Insoweit fehlt es bereits an dem erforderlichen Antrag des anderen Elternteils. Zudem hätte eine solche Entscheidung nur vom Richter getroffen werden können, nicht aber vom Rechtspfleger ( §§ 8 Abs. 4 Satz 1, 14 Abs. 1 Nr. 5 RPflG; vgl. auch OLG Brandenburg OLGR 2008, 416 ff. = FamRZ 2008, 1270 - Ls. -).
In der Bestellung des Ergänzungspflegers mit dem genannten Aufgabenkreis kann entgegen der Auffassung der Revisionen auch keine stillschweigende Entziehung des Sorgerechts der Eltern hinsichtlich der Entscheidung über das "ob" der Anfechtung nach § 1666 BGB oder nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB gesehen werden.
Eine Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB wäre hier schon deshalb unwirksam, weil diese nach § 14 Abs. 1 Nr. 8 RPflG dem Richter vorbehalten ist, § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG.
Hingegen steht die Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB nicht unter Richtervorbehalt und fällt somit nach §§ 14, 3 Nr. 2 a RPflG in die funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers. Ob dies verfassungsrechtlich bedenklich ist (so Erman/Michalski BGB 12. Aufl. § 1629 Rdn. 24 m.w.N.), bedarf hier keiner Entscheidung.
Ebenso kann dahinstehen, ob § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. BGB, der eine Entziehung zum Zweck der Feststellung der Vaterschaft ausdrücklich ausschließt, analog auch für die Anfechtung der Vaterschaft zu gelten hat mit der Folge, dass die elterliche Sorge, soweit sie die Entscheidung über das "ob" einer Anfechtung betrifft, nicht nach dieser Vorschrift, sondern nur nach § 1628 BGB oder § 1666 BGB entzogen werden kann (so BayObLG FamRZ 1999, 737, 738; Erman/Hammermann aaO § 1600 a Rdn. 92; Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2007] § 1629 Rdn. 96).
Jedenfalls erscheint es bereits im Ansatz bedenklich, in der Bestellung eines Ergänzungspflegers "zur Vertretung des Kindes in einem Anfechtungsverfahren" zugleich die stillschweigende Entziehung des Rechts zu sehen, über das "ob" der Anfechtung zu entscheiden (so allerdings wohl - NJW 1975, 345; ebenso OLG Hamm FamRZ 1963, 580, 581; ferner KG FamRZ 1966, 239, 240 bei Bestellung des Pflegers "zur Erhebung einer Ehelichkeitsanfechtungsklage"). Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erscheint es nämlich geboten, eine solche Entziehung durch einen mit Gründen versehenen Beschluss besonders auszusprechen (vgl. KG FamRZ 1966, 239, 240; Soergel/Strätz BGB 12. Aufl. § 1629 Rdn. 38 m.w.N.).
Auch darauf kommt es hier aber nicht an. Das Berufungsgericht hat den Beschluss des Rechtspflegers im Ergebnis zu Recht nicht in diesem Sinne ausgelegt. Die Ergänzungspflegschaft ist darin nämlich allein mit der Begründung angeordnet worden, das Kind bedürfe eines Ergänzungspflegers, weil seine Eltern es "in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren ... nicht gesetzlich vertreten können". Es ist daher bereits nicht ersichtlich, ob der Rechtspfleger die Notwendigkeit einer zuvor, mithin außerhalb eines solchen Verfahrens, zu treffenden Entscheidung über das "ob" der Anfechtung überhaupt gesehen hat und dem Ergänzungspfleger auch diese Entscheidung überantworten, zumindest aber einem Elternteil oder gar beiden das Sorgerecht insoweit teilweise entziehen wollte.
Hinzu kommt, dass sich dem Beschluss nicht einmal entnehmen lässt, gegen wen sich eine solche Entziehung des Sorgerechts richten sollte: gegen den Vater, gegen die Mutter oder gegen beide. Letzteres wäre hier jedenfalls nicht gerechtfertigt gewesen, da die Frage einer Entziehung des Sorgerechts für jeden Elternteil gesondert zu prüfen und die Entziehung auf einen Elternteil zu beschränken ist, wenn in der Person des anderen kein Grund für eine Entziehung gegeben ist (vgl. - NJW 1975, 345; OLG Köln FamRZ 2001, 430 f. ; MünchKomm/Huber BGB 5. Aufl. § 1629 Rdn. 66; Erman/Michalski aaO § 1629 Rdn. 23; Soergel/ Strätz BGB 12. Aufl. § 1629 Rdn. 38). Bei der hier offensichtlichen Uneinigkeit der beiden Sorgeberechtigten hinsichtlich der Frage, ob das Kind Anfechtungsklage erheben solle oder nicht, können aber nicht beide gegenläufigen Entscheidungen zugleich dem Interesse des Kindes zuwiderlaufen.
Erst recht kann die Entscheidung darüber, ob Anfechtungsklage erhoben werden soll, nicht einem Dritten, hier also dem Ergänzungspfleger, übertragen werden, wenn das Sorgerecht insoweit nur einem der beiden sorgeberechtigten Elternteile zu entziehen ist. Denn sobald dies geschehen ist, steht die zu treffende Entscheidung nach § 1680 Abs. 3 BGB dem anderen Elternteil allein zu mit der Folge, dass es der Bestellung eines Ergänzungspflegers insoweit nicht bedarf.
Für die Auslegung des Beschlusses über die Anordnung der Ergänzungspflegschaft dahingehend, dass damit zugleich eine Entscheidung über die Entziehung eines Teils der elterlichen Sorge verbunden sei, sind daher keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich; sie liegt eher fern.
3.
Einer Sachentscheidung steht somit die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage entgegen. Auf die im Hinweis des Senats vom aufgezeigten Bedenken gegen die Wahrung der Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB kommt es daher nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1496 Nr. 21
SAAAD-19783
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja