BGH Urteil v. - I ZR 11/06

Leitsatz

[1] Als Namensträger, der - wenn er seinen Namen als Internetadresse hat registrieren lassen - einem anderen Namensträger nicht weichen muss, kommt auch der Träger eines ausgefallenen und daher kennzeichnungskräftigen Vornamens (hier: Raule) in Betracht.

Gesetze: BGB § 12

Instanzenzug: LG Hannover, 12 O 231/04 vom OLG Celle, 13 U 69/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Domainnamen "raule.de".

Der Beklagte betreibt ein Atelier für Grafik, Design und Marketing-Dienste. Er unterhält unter der Internetadresse "raule.de" eine Internetseite. Auf dieser ist der Internetauftritt von Raule H. , einer Tänzerin, Choreographin und Tanztherapeutin in B. , zu sehen, die den standesamtlich eingetragenen ersten Vornamen Raule trägt.

Der Kläger heißt mit bürgerlichem (Nach-)Namen Raule. Er sieht in dem Verhalten des Beklagten einen unbefugten Gebrauch seines Namens. Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, durch schriftliche Erklärung die Internet-Domain "www.raule.de" gegenüber der zuständigen Vergabestelle, der DENIC e.G., freizugeben.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Celle MMR 2006, 558 = CR 2006, 697).

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 12 BGB bejaht und hierzu ausgeführt:

Schon in der Registrierung der Internetadresse "raule.de" durch den Beklagten liege ein Gebrauch des Namens Raule. Der Gebrauch sei unbefugt, weil der Beklagte keine eigenen Rechte an dem Namen Raule habe und sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen könne, dass er den Domainnamen seiner Freundin Raule H. geschenkt habe und daher davon auszugehen sei, dass sie ihm die Benutzung ihres Vornamens für die Registrierung der Internetadresse durch schlüssiges Verhalten nachträglich gestattet habe; denn eine solche Gestattung könne nicht dazu führen, dass dem Beklagten im Verhältnis zum Kläger eine Priorität im Hinblick auf den Domainnamen "raule.de" zustehe. Der analogen Anwendung des Rechtsgedankens des § 986 Abs. 1 BGB stehe entgegen, dass Frau H. die Internetadresse nicht im eigenen Namen bei der DENIC habe registrieren lassen und damit keine Rechtsposition besessen habe, aus der der Beklagte eine bessere Berechtigung herleiten könnte als der Kläger. Internetbenutzer, die für einen Dritten einen Internetauftritt realisieren wollten, hätten auch schon im Jahr 1999 den Domainnamen bei der DENIC im Namen und im Auftrag des jeweiligen Dritten registrieren lassen können.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Beklagten führt zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte sich zu seiner Verteidigung allein auf ein ihm in eigener Person zustehendes Namensrecht stützen konnte (unten unter II 1). Der Vorname Raule begründete auch eine eigenständige namensrechtliche Berechtigung, auf die sich Frau H. und mit ihrer Zustimmung der Beklagte berufen konnten (unten unter II 2).

1. Wie der Senat - zeitlich nach Erlass des vorliegend zu beurteilenden Berufungsurteils - entschieden hat, kommt in Fällen, in denen ein Domainname aufgrund des Auftrags eines Namensträgers auf den Namen eines Treuhänders registriert worden ist, dieser Registrierung im Verhältnis zu Gleichnamigen die Priorität zu, wenn für alle Gleichnamigen eine einfache und zuverlässige Möglichkeit besteht zu überprüfen, ob die Registrierung des Namens als Domainname im Auftrag eines Namensträgers erfolgt ist (BGHZ 171, 104 Tz. 18 - grundke.de). Dabei kann, wenn schon zu dem Zeitpunkt, zu dem ein gleichnamiger Prätendent erstmals Ansprüche auf den Domainnamen anmeldet, unter diesem Domainnamen ein Internetauftritt des Namensträgers besteht, ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Registrierung des Domainnamens im Auftrag des Namensträgers erfolgt ist (BGHZ 171, 104 Tz. 19 - grundke.de). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Namensträger bei im Übrigen gleichen Voraussetzungen zwar ursprünglich keinen Auftrag zur Eintragung des Domainnamens erteilt, die Eintragung aber nachträglich genehmigt hat, bevor der gleichnamige Prätendent den Domainnamen beansprucht.

Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen waren diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Aufgrund dieser Feststellungen und im Hinblick auf das Parteivorbringen, auf das sich diese Feststellungen beziehen, ist davon auszugehen, dass der Internetauftritt von Frau Raule H. im zeitlichen Zusammenhang mit der Registrierung des Domainnamens im Jahre 1999 eingerichtet worden ist. Der Kläger hat selbst vorgetragen, erst am auf die Registrierung des streitgegenständlichen Domainnamens aufmerksam gemacht worden zu sein. Das Berufungsgericht ist auch - von der Revisionserwiderung unbeanstandet - davon ausgegangen, dass Frau H. dem Beklagten die Benutzung ihres Vornamens für die Registrierung des Domainnamens "raule.de" durch schlüssiges Verhalten nachträglich gestattet hatte.

2. Die Verwendung des Vornamens Raule durch Frau Raule H. begründete in deren Person eine dem Klageanspruch entgegenzuhaltende eigenständige namensrechtliche Berechtigung.

Die Revisionserwiderung weist allerdings mit Recht darauf hin, dass die für einen eigenständigen Schutz des Vornamens erforderliche Individualisierung entweder eine überragende Bekanntheit der betreffenden Person oder aber eine erhebliche Kennzeichnungskraft des Vornamens voraussetzt (vgl. , GRUR 1983, 262, 263 = WRP 1983, 339 - Uwe; MünchKomm.BGB/Bayreuther, 5. Aufl., § 12 Rdn. 23 und 156 m.w.N.; vgl. zu § 22 KUG BGHZ 143, 214, 231 - Marlene Dietrich). Jedenfalls das Letztere trifft im Streitfall zu. Es kann dabei dahinstehen, ob Frau H. - wie der Beklagte behauptet und unter Beweis gestellt hat - tatsächlich die einzige Person in Deutschland ist, die den standesamtlich eingetragenen ersten Vornamen Raule trägt. Zumindest ist dieser Vorname derart ausgefallen, dass er die bei fehlender überragender Bekanntheit der betreffenden Person für einen ausnahmsweise möglichen namensrechtlichen Schutz des Vornamens erforderliche erhebliche Kennzeichnungskraft aufweist.

III. Danach ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1756 Nr. 24
WM 2009 S. 1004 Nr. 21
NAAAD-19737

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja