BFH Beschluss v. - IX B 120/08

AfaA und Abbruchkosten bei Erwerb ohne Abbruchabsicht; Wirksamkeit einer Postzustellungsurkunde ohne Unterschrift

Gesetze: EStG § 7 Abs. 1, EStG § 9 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116, ZPO § 176, ZPO § 178, ZPO § 180, ZPO § 182 Abs. 2 Nr. 8

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) allein geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.

1. a) Die Beschwerde ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.

Zugestellt wird gemäß § 53 Abs. 2 FGO nach den Vorschriften der ZivilprozessordnungZPO— (§ 176, § 178, § 180 ZPO). Die Postzustellungsurkunde über das zuzustellende Urteil des Finanzgerichts (FG) enthält jedoch nicht die nach § 182 Abs. 2 Nr. 8 ZPO erforderliche Unterschrift, sondern nur ein Handzeichen (Paraphe) der Zustellerin (zum Unterschriftserfordernis vgl. , Neue Juristische Wochenschrift 1997, 3380, Deutsches Steuerrecht 1997, 1653; vom IV ZR 122/05, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW-RR— 2007, 351, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 504). Das führt aber nach der Neufassung der Zustellungsvorschriften durch das Zustellungsreformgesetz (vom , BGBl I 2001, 1206) nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung (vgl. , Monatsschrift für Deutsches Recht 2008, 161, NJW-RR 2008, 218; zur alten Rechtslage s. , BFH/NV 2000, 466), sondern das FG-Urteil gilt nach § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der betreffenden Person tatsächlich zugegangen ist. Das ist vorliegend Montag, der ; die Monatsfrist des § 116 Abs. 2 FGO lief daher erst am ab, an dem auch die Beschwerdeschrift eingegangen ist.

Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO bedarf es daher insoweit nicht.

b) Wegen der Versäumung der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO) wird dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt.

2. Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO ist im Streitfall nicht erforderlich; die gerügte Divergenz zum (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) und —in dessen Folge— zu den BFH-Urteilen vom IX R 5/79 (BFHE 142, 477, BStBl II 1985, 208), vom IX R 122/88 (BFHE 171, 234, BStBl II 1993, 504), vom X R 116/91 (BFHE 179, 331, BStBl II 1996, 358) und vom IX R 26/96 (BFH/NV 1998, 1212) liegt nicht vor.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (s. vorstehend, insbes. Beschluss in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620) kommt es für eine Berücksichtigung von Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) und Abrisskosten als Werbungskosten statt als Herstellungskosten darauf an, dass das abgerissene Gebäude nicht in der Abbruchabsicht erworben wurde. Die Unterscheidung danach, ob das Gebäude mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wurde, hat der Große Senat des BFH (in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, unter D.II.1.b) vor dem Hintergrund der bisherigen Nutzung des abgerissenen Gebäudes getroffen. Wurde daher das später abgerissene Gebäude zuvor in einkommensteuerrechtlich bedeutsamer Weise genutzt, bleibt diese vorherige Nutzung des (abgebrochenen) Objekts maßgeblich für die Abziehbarkeit, der Zusammenhang des Abbruchvorgangs mit der Herstellung eines neuen Gebäudes tritt in den Hintergrund. Denn bei einem Erwerb des Objekts ohne Abbruchabsicht ist das spätere Motiv des Steuerpflichtigen für den Abbruch grundsätzlich unerheblich. Das schließt es aber nach der BFH-Rechtsprechung nicht aus, dass der Abzug von AfaA und Abbruchkosten als Werbungskosten ausscheidet, wenn sie ausschließlich oder ganz überwiegend durch eine nachfolgende Veräußerung des Grundstücks oder die geplante Selbstnutzung des Neubaus veranlasst sind (vgl. , BFHE 127, 510, BStBl II 1979, 551; vom IX R 22/98, BFH/NV 2002, 16; , BFH/NV 2001, 766; gl.A. Siebenhüter in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 750 „Abbruchkosten” a.E.).

b) Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger das Mehrfamilienhaus (Objekt) —unstreitig— ohne Abbruchabsicht erworben, und es führten die während der Vermietungszeit eingetretenen Schäden nicht zu einem technischen oder wirtschaftlichen Verbrauch des Objekts, das deshalb noch als sanierungsfähig anzusehen war; Gegenteiliges wie auch eine AfaA rechtfertigende Schäden und Mängel konnte der Kläger nicht zur Überzeugung des FG nachweisen. Auf der Basis dieser Feststellungen und in Beachtung der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätze ist das FG unter Würdigung der Umstände des Streitfalles zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abriss des Objekts „nicht durch die (vorherige) Vermietungstätigkeit des Klägers veranlasst” war.

Insbesondere sei der Abriss durch die Vorgänge nach Ende der Vermietung (Planung für Neubau eines —dann selbstgenutzten— Einfamilienhauses Ende 2000, Bauantrag für Neubau, Architekten-Empfehlung zu Abriss und Neubau jeweils im März 2001) bestimmt gewesen. Diese (mögliche) Würdigung wäre auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Entsprechend ist eine Vorlage an den Großen Senat des BFH nicht angezeigt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 964 Nr. 6
HAAAD-19016