BGH Urteil v. - III ZR 142/08

Leitsatz

[1] Eine vom Treunehmer verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung in einem Treuhandvertrag über die Einrichtung eines sonstigen Zweckvermögens zur Sicherstellung der Grabpflege nach dem Tod des Treugebers, die diesem die Möglichkeit der Kündigung zu seinen Lebzeiten nimmt, verstößt gegen § 309 Nr. 9a BGB.

Gesetze: BGB § 309; BGB § 667; BGB § 675 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Hamm, 21 U 5/08 vom LG Dortmund, 2 O 385/06 vom

Tatbestand

Der Kläger nimmt den beklagten Kirchenkreis auf Rückzahlung von 5.250 EUR in Anspruch, die er nach Abschluss eines Treuhandvertrages gezahlt hatte und die dazu dienen sollten, nach seinem Ableben die Pflege seines Urnengrabes für 30 Jahre zu sichern.

Am schloss der Kläger mit dem Beklagten einen "Treuhandvertrag (über die Einrichtung eines sonstigen Zweckvermögens gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und § 14 Verwaltungsordnung)", der im Wesentlichen folgende Regelungen enthielt:

"§ 1

Begründung des Treuhandverhältnisses

(1)

Der Nutzungsberechtigte wird dem Treuhänder das Kapital, das zur Pflege der auf dem Ev. Friedhof M. , Feld A 063, <gelegenen Grabstätte> voraussichtlich erforderlich ist, in Höhe von 5.250 EUR ... auf das Konto ... überweisen (Treuhandvermögen). Das Konto trägt die Bezeichnung "Treuhandkonto Grabpflege A 063, K. ". Eigentümer des Treuhandvermögens wird der Ev. Kirchenkreis U. ...

§ 2

Pflichten des Treuhänders

(1)

Der Treuhänder und der Nutzungsberechtigte sind sich darüber einig, dass der Treuhänder zum Zeitpunkt des Ablebens des Nutzungsberechtigten E. K. einen Dauergrabpflegevertrag mit einer Laufzeit <von> 30 Jahren schließt.

Die jährlichen Leistungen der Dauergrabpflege sind in der diesem Vertrag beigefügten Leistungs- und Kostenaufstellung (Anlage 1) aufgeführt. ...

(2)

Der Treuhänder ist verpflichtet,

a)

im Rahmen der verfügbaren Mittel aus dem Treuhandkonto sicherzustellen, dass Kapital und Erträge des Treuhandkontos ausreichen, um die Grabpflege in der vereinbarten Vertragslaufzeit ordnungsgemäß durchzuführen;

b)

die Kosten der Grabpflege zunächst aus den jährlich anfallenden Zinsen des nach § 1 eingebrachten Kapitals und im Übrigen durch Inanspruchnahme des Kapitals zu bestreiten;

c)

das Kapital und seine Erträge ausschließlich dem Treuhandkonto gut zu schreiben und zur Zahlung der Grabpflegeleistungen, angemessener Verwaltungs- und Überwachungsgebühren und möglicherweise anfallender Steuern zu verwenden;

d)

die gärtnerische Pflege zu überwachen;

e)

für eine gesonderte Kontenführung zu sorgen, das Treuhandvermögen als sonstiges Zweckvermögen von seinem übrigen Vermögen getrennt zu führen und mündelsicher anzulegen;

f)

die steuerlichen Pflichten des sonstigen Zweckvermögens zu erfüllen.

§ 3

Beendigung des Treuhandvertrages

(1)

Die/Der Nutzungsberechtigte bzw. die Erben der/des Nutzungsberechtigten sind zu einer Kündigung nicht berechtigt.

(2)

Der Treuhandvertrag endet mit Ende der Laufzeit gemäß § 2 Abs. 1 oder nach dem Verbrauch des Kapitals aus dem Treuhandvermögen.

(3)

Die/Der Nutzungsberechtigte kann von dem Treuhandvertrag zurücktreten, wenn eine Bestattung im Gebiet des Kirchenkreises nicht mehr möglich oder nicht mehr zumutbar ist. ..."

In der als Anlage 1 dem Vertrag beigefügten Leistungs- und Kostenaufstellung waren die Aufwendungen für die Dauergrabpflege als "Vertragssumme (sonstiges Zweckvermögen)" mit 5.000 EUR und zuzüglich ein Betrag für "Verwaltungskosten" in Höhe von 250 EUR festgehalten.

Der Kläger zahlte 5.250 EUR. Die Beklagte schloss einen Grabpflegevertrag mit der Ev. Kirchengemeinde M. über 30 Jahre (beginnend mit dem Tod des Klägers). Die Kosten für die vereinbarte Pflegezeit sollten 5.000 EUR betragen. Den Parteien dieses Vertrages stand das Recht zu, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Jahresende zu kündigen.

Am teilte der Kläger dem Beklagten mit, er beabsichtige zu kündigen, da die Grabpflege von seiner Tochter übernommen werde. Am kündigte er gegenüber dem Beklagten den "Grabpflegevertrag" mit sofortiger Wirkung und begründete dies mit einer unzureichend durchgeführten Grabpflege und -bepflanzung. Er habe die Grabstätte, in die zwischenzeitlich die Asche seiner Frau in einer Doppelurne umgebettet worden sei, bis Frühjahr 2006 durch die Firma S. pflegen lassen, die seitens der Kirchengemeinde M. üblicherweise für die Betreuung der Gräber auf dem Friedhof eingesetzt werde. Die Firma sei ihrer Verpflichtung aber nicht ordnungsgemäß nachgekommen, sodass er das Vertrauen verloren habe, dass sie nach seinem Tod das Grab angemessen pflege. Im weiteren Verlauf stützte der Kläger die Kündigung auch darauf, dass er auf das Geld dringend angewiesen sei, da er aufgrund seiner Behinderung (GdB 100) einen Treppenlift in sein Reihenhaus einbauen müsse.

Der auf Rückzahlung gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben; die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klagabweisung weiter.

Gründe

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 667 BGB zustehe, da die Parteien einen Treuhandauftrag vereinbart hätten, der wirksam widerrufen worden sei.

Die Vorschriften des Schuldrechts seien entgegen der Ansicht des Beklagten auf die hier vorliegende Vertragskonstruktion einer unselbständigen (fiduziarischen) Stiftung anwendbar. Unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Vertrages sei hier ein Treuhandverhältnis, dem ein Auftrag im Sinne der §§ 662 ff BGB zugrunde liege, anzunehmen. Diesen Auftrag habe der Kläger wirksam widerrufen. Das Widerrufsrecht sei nicht nach § 3 Abs. 1 ausgeschlossen, da insoweit eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorliege, die gegen § 309 Nr. 9a BGB verstoße. Zwar gelte § 309 Nr. 9a BGB nur für Kauf-, Werk- sowie Dienstverträge, erfasse damit an sich nicht das hier vorliegende Rechtsverhältnis. Der Treuhandauftrag unterfalle aber dennoch § 309 Nr. 9a BGB, da die gewählte Vertragskonstruktion dazu führe, dass der Kläger im Ergebnis an einen 30-jährigen Grabpflegevertrag gebunden sei. Hätte der Kläger unmittelbar einen solchen Grabpflegevertrag mit der Kirchengemeinde abgeschlossen, wäre § 309 Nr. 9a BGB zweifelsfrei anwendbar. Die Zwischenschaltung eines Auftrags mit dem Inhalt, langjährige Grabpflege zu organisieren, könne nicht zu einem anderen Ergebnis und damit über eine Allgemeine Geschäftsbedingung zu einer langfristigen Bindung an diese Dienstleistung führen. Zwar sei das von dem Beklagten angeführte Interesse älterer Menschen, die für die Bestattung und Grabpflege aufgewendeten Beträge vor dem Zugriff von Gläubigern und Angehörigen zu schützen, durchaus berechtigt. Dieses Interesse bestehe aber nicht gegenüber dem Aufwendenden selbst, sondern erst nach dessen Tod. Vorher müsse es ihm unbenommen bleiben, über das Geld anderweitig zu verfügen. Der Anwendung des § 309 Nr. 9a BGB stehe auch nicht entgegen, dass es ein anerkennenswertes Interesse des Beklagten gebe, mit Nutzungsberechtigten einen über die gesamte Ruhezeit laufenden Grabpflegevertrag zu schließen. Die Vorgabe einer langfristigen Bindung sei nicht die einzige Möglichkeit für eine Kirchengemeinde, eine gepflegte und würdige Gestaltung der Gräber bzw. des Friedhofs zu gewährleisten. Im Übrigen seien jedenfalls durch Individualvereinbarungen jedwede Abreden über Dauer und inhaltliche Ausgestaltung der Grabpflege weiter möglich.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung zwar nicht unmittelbar aus § 667 BGB, aber aus § 675 Abs. 1 BGB i.V.m. § 667 BGB zu.

1.

Der Umstand, dass aus steuerlichen Gründen - entsprechend einem vom Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von W. in Abstimmung mit der Oberfinanzdirektion M. entwickelten Vertragsmuster - die Parteien ein sonstiges Zweckvermögen im Sinne einer unselbständigen Stiftung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG errichten wollten, steht, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet ausgeführt hat, der Anwendung der Vorschriften des Schuldrechts nicht entgegen.

Unter einer unselbständigen Stiftung versteht man die Übertragung von Vermögenswerten auf eine natürliche oder juristische Person mit der Maßgabe, diese als ein vom übrigen Vermögen des Empfängers getrenntes wirtschaftliches Sondervermögen zu verwalten und dauerhaft zur Verfolgung der vom Stifter gesetzten Zwecke zu verwenden (vgl. nur Hof in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 36, Rn. 1 ff; MünchKomm/Reuter, BGB, 5. Aufl., vor § 80, Rn. 87; Bamberger/Roth/Schwarz, BGB, 2. Aufl., vor § 80, Rn. 22; RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., vor § 80, Rn. 5; OLG Oldenburg, Urteil vom - 12 U 60/03 - zit. nach [...], Rn. 70). Maßgebend sind, je nach dem, ob es sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder um eine Verfügung von Todes wegen handelt, die allgemeinen schuldrechtlichen oder erbrechtlichen Bestimmungen (vgl. nur RGZ 88, 335, 339; VGH Mannheim, VRspr. Bd. 8, 550, 553; Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., vor § 80, Rn. 10; Bamberger/Roth/Schwarz, aaO; Hof in Seifart/v. Campenhausen aaO, Rn. 11).

2.

Der Vertrag über die Errichtung einer solchen Stiftung kann nach h.M. als Schenkung unter Auflage oder in Gestalt eines fiduziarischen Rechtsgeschäftes als Auftrag bzw. bei Entgeltlichkeit als Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen werden (vgl. Staudinger/Rawert, BGB, 13. Bearb., Vorbem. zu §§ 80 ff, Rn. 158 ff; Bamberger/Roth/Schwarz, aaO; Palandt/Ellenberger, aaO; Hof in Seifart/v. Campenhausen, aaO, Rn. 30 ff; Wochner, Die unselbständige Stiftung, ZEV 1999, 125, 126 ff). Soweit in Teilen des Schrifttums (vgl. etwa MünchKomm/Reuter, aaO, Rn. 87 ff, 93 ff) unter Hinweis auf die Gefährdung der Existenz der unselbständigen Stiftung durch die Abhängigkeit ihres Fortbestandes vom Willen des Treugebers die Eignung eines Treuhandvertrages zur Begründung einer unselbständigen Stiftung in Frage gestellt und nur die Schenkung unter Auflage als passender Vertragstyp angesehen wird, kann die Berechtigung dieser Argumentation dahinstehen. Denn entscheidend ist, welche Rechtsform die Parteien gewählt haben, nicht welche sie hätten wählen sollen. Im vorliegenden Fall haben die Parteien, wie das Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - zutreffend festgestellt hat, sich ausdrücklich für ein Treuhandverhältnis entschieden. Insoweit geht der Vertrag auch zurück auf die Regelung in § 15 der Verordnung für das Friedhofswesen in der evangelischen Kirche von W. vom (Amtsbl. EKD 2004, 219); dort ist der Abschluss eines Treuhandvertrages zwecks Begründung eines Treuhandvermögens für Zwecke der Dauergrabpflege gemäß den vom Landeskirchenamt herausgegebenen Musterverträgen vorgeschrieben.

3.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Parteien allerdings keinen Auftrag im Sinne des § 662 BGB vereinbart. Denn dem Beklagten steht für seine Leistungen ein - wenn auch geringes - Entgelt zu, wie sich aus Ziffer 10 der Leistungs- und Kostenaufstellung (Anlage 1 zum Treuhandvertrag) - Verwaltungskosten 250 EUR - sowie aus § 2 Abs. 2 c des Vertrages ergibt, wonach das Kapital und seine Erträge u.a. zur Zahlung "angemessener Verwaltungs- und Überwachungsgebühren" zu verwenden sind.

Damit liegt ein Geschäftsbesorgungsverhältnis im Sinne des § 675 Abs. 1 BGB vor, das teilweise (bezüglich der Verpflichtung zum Abschluss eines Dauergrabpflegevertrages) werkvertraglichen, im Wesentlichen aber (bezüglich der Verwaltungs- und Überwachungspflichten) dienstvertraglichen Charakter hat und auf das - ausgehend von dem Grundsatz, wonach gemischte Verträge dem Recht des Vertragstyps zu unterstellen sind, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Rechtsgeschäfts liegt (vgl. nur - NJW 2007, 213, 214, Rn. 7 m.w.N.) - die für Dienstverträge geltenden Vorschriften ergänzend zu § 675 Abs. 1 BGB Anwendung finden.

4.

Für einen solchen Vertrag gilt § 309 Nr. 9a BGB unmittelbar.

Nach dieser Norm ist bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages unwirksam.

a)

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei § 3 Abs. 1 des Treuhandvertrages um eine vom Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Die Regelung entspricht unstreitig dem vom Landeskirchenamt im Rahmen von § 15 Abs. 4 der Verordnung über das Friedhofswesen in der evangelischen Kirche von W. vom dem Kirchenkreis vorgegebenen Muster. Gegen die Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung wendet sich die Revision deshalb zu Recht nicht.

b)

Durch den Ausschluss der Kündigung in § 3 Abs. 1 in Verbindung mit der in § 3 Abs. 2 festgelegten Laufzeit des Vertrages wird der Kläger zeitlich in einem die zulässige Dauer nach § 309 Nr. 9a BGB übersteigenden Maß an den Treuhandvertrag, der die regelmäßige Erbringung von Dienstleistungen durch den Beklagten beinhaltet, gebunden. Dass die eigentliche Grabpflege der Kirchengemeinde und die darauf bezogenen regelmäßigen Verwaltungs- und Überwachungspflichten der Beklagten erst nach dem Tod des Klägers anfallen, steht der Anwendung des § 309 Nr. 9a BGB nicht entgegen, da die "den anderen Vertragsteil bindende Laufzeit" ab dem Vertragsschluss berechnet wird (vgl. BGHZ 122, 63, 67 ff) .

c)

Der Sinn und Zweck des § 309 Nr. 9a BGB steht einer Anwendung auf den hier streitgegenständlichen Treuhandvertrag nicht entgegen.

aa)

Der Gesetzgeber ist bei den von § 309 Nr. 9 BGB - früher § 11 Nr. 12 AGBG - erfassten Verträgen davon ausgegangen, dass diese die Dispositionsfreiheit der Parteien in besonderem Maße einschränken, ohne dass eine solche langfristige Bindung stets durch die Natur des Vertrages vorgegeben wird. Bei der Entscheidung für eine längerfristige Bindung seien zahlreiche in die Zukunft reichende Umstände und deren mögliche Änderung zu bedenken. Solle die Bindung einen bestimmten überschaubaren Zeitraum überschreiten, so bilde die Festlegung der Laufzeit ein Essential, das in seiner Bedeutung und Tragweite der Vereinbarung über den Preis kaum nachstehe und das deshalb grundsätzlich nicht in Form vorformulierter Allgemeiner Geschäftsbedingungen, sondern nur im Wege individueller Vereinbarung getroffen werden solle. Die übermäßig lange Bindung des Kunden sei unangemessen, da sie in der Regel allein den geschäftlichen Interessen des Anbieters diene und schutzwürdige Belange des Kunden außer Acht lasse. Der Kunde könne zumeist nur auf eine begrenzte Zeit überblicken, ob und inwieweit sein Bedarf und Interesse an den in Anspruch genommenen Leistungen erhalten bleibe oder infolge veränderter Umstände entfalle; auch könnten bereits von Anfang an irrige Vorstellungen über die in Anspruch genommenen Leistungen und ihren Nutzen vorhanden sein. Dies alles begründe ein anerkennenswertes Interesse, nicht gleichwohl auf Jahre hinaus infolge formularmäßiger Vorgaben des Vertragspartners zur Inanspruchnahme solcher Leistungen verpflichtet zu werden (BT-Drucks. 7/3919, S. 37; 7/5422, S. 9; siehe auch BGHZ 122, 63, 67 f) . Demgegenüber ist der Gesetzgeber bei den in § 309 Nr. 9 Halbs. 2 BGB - früher in § 23 Abs. 2 Nr. 6 AGBG - geregelten Ausnahmen ("dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen, für Versicherungsverträge sowie für Verträge zwischen den Inhabern urheberrechtlicher Rechte und Ansprüche und Verwertungsgesellschaften im Sinne des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten") davon ausgegangen, dass hier die langfristige Bindung entweder aus der Natur des Rechtsverhältnisses oder aus der besonderen Interessenlage beider Vertragsteile resultiert, weshalb die im Gesetz an sich vorgesehenen Beschränkungen nicht passen, sodass entsprechende Regelungen auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen festgelegt werden dürfen (BT-Drucks. 7/3919, S. 42; siehe auch BGHZ 84, 109, 113 ; BVerfGE 70, 115, 123 f) .

bb)

Vor diesem Hintergrund ist in der Vergangenheit in Rechtsprechung und Schrifttum vereinzelt die Möglichkeit diskutiert worden, § 23 Abs. 2 Nr. 6 AGBG im Wege der Analogie auf Vertragsgestaltungen anzuwenden, die nach der Interessenlage den gesetzlich geregelten Fällen gleichgestellt werden können (OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 438, 439; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 23, Rn. 32; vgl. auch - im Ergebnis ablehnend wegen des Charakters der Norm als eng begrenzte Ausnahmevorschrift -BGHZ 86, 284, 292 zu § 23 Abs. 2 Nr. 1, 3 AGBG; siehe allgemein kritisch zur Analogiefähigkeit des § 23 Abs. 2 AGBG Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 23, Rn. 3, 100; Soergel-Stein, 12. Aufl., § 23 AGBG, Rn. 2). Das OLG Karlsruhe hat in seiner von der Revision zitierten Entscheidung (Justiz 1990, 356, 357) betreffend die Kündigung eines Dauergrabpflegevertrages durch einen Erben die Auffassung vertreten, eine Laufzeit von 30 Jahren in Verbindung mit dem Ausschluss des Rechts auf ordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der bei Vertragsschluss gegebenen Interessenlage des Erblassers weder im Hinblick auf § 11 Nr. 12a AGBG noch in Bezug auf § 9 Abs. 1 AGBG zu beanstanden.

cc)

Zwar liegt der Abschluss eines langfristigen Treuhandvertrages zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Grabpflege auch im Interesse des Klägers. Viele ältere Menschen haben den legitimen Wunsch, schon zu Lebzeiten die Pflege ihres Grabes zu regeln. Entweder haben sie keine Angehörigen vor Ort oder sie wollen sie von dieser Aufgabe entlasten oder sie haben Sorge, dass die Angehörigen sich später um das Grab nicht ausreichend kümmern (vgl. Müller-Hannemann, Lexikon Friedhofs- und Bestattungsrecht, S. 92). Insoweit kann auch ein nachvollziehbares Interesse daran bestehen, die Kündigungsmöglichkeit für die Erben auszuschließen, um einer Gefährdung der Grabpflege nach dem Tod des Erblassers vorzubeugen.

Diese Interessenlage verlangt aber nicht die lebzeitige Bindung des Treugebers selbst durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in Abweichung von § 309 Nr. 9a BGB. Die Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit ist nicht durch die Natur des Vertrages vorgegeben und kann auch nicht mit etwaigen steuerrechtlichen Vorteilen der gewählten Vertragskonstruktion gerechtfertigt werden, zumal das gesetzliche Verbot in § 309 Nr. 9a AGBG entsprechenden Individualvereinbarungen nicht entgegensteht, wobei in diesem Zusammenhang schon dann von einer Individualvereinbarung ausgegangen werden kann, wenn die streitgegenständliche Regelung vom Verwender als eine von mehreren Alternativen angeboten wird, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat (vgl. Senat, BGHZ 175, 76, 85, Rn. 21). Das Ziel des Vertrages - Sicherstellung der Grabpflege nach dem Tod des Treugebers - gebietet es nicht, diesen zu Lebzeiten langfristig an den Vertrag zu binden und eine Änderung seiner Willensbildung zu ignorieren. Vor seinem Hintergrund muss es bei der in § 309 Nr. 9a BGB getroffenen Wertentscheidung des Gesetzgebers verbleiben, wonach jedenfalls durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eine solche Bindung dem Treugeber nicht auferlegt werden kann.

5.

Der Verstoß gegen § 309 Nr. 9a BGB führt dazu, dass die im Vertrag festgelegte Bindung von 30 Jahren ohne Kündigungsmöglichkeit unwirksam ist. An die Stelle der zu langen und unzulässigen Bindung tritt nicht die zulässige Höchstfrist von 2 Jahren (BGHZ 84, 109, 114 ff ; MünchKomm/Kieninger, BGB, 5. Aufl., § 309 Nr. 9, Rn. 20; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB, Neubearbeitung 2006, § 309 Nr. 9, Rn. 23), vielmehr sind gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften, hier des Dienstvertragsrechts anzuwenden. Deshalb stand es dem Kläger frei, das Vertragsverhältnis gemäß § 620 Abs. 2 i.V.m. § 621 Nr. 5 BGB zu kündigen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1553 Nr. 30
NJW 2009 S. 1738 Nr. 24
WM 2009 S. 909 Nr. 19
GAAAD-18938

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja