OFD Münster - Kurzinfo Verfahrensrecht 13/2005

Aufrechnung im Insolvenzverfahren
Fälle des Neuerwerbs oder der Freigabe und Verwendung von Guthaben

Nach dem , sind Umsatzsteuerschulden, die von einem Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen begründet worden sind, keine Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (– sondern vielmehr „neue” Verbindlichkeiten des Schuldners –), wenn sie aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren (Vfg. der OFD D vom ).). Eine solche Tätigkeit liegt vor, wenn der Schuldner während des Verfahrens eine neue Erwerbstätigkeit aufnimmt und er durch seine Arbeit (körperliche, geistige oder sonstige persönliche Leistung) ohne eine Betriebs- oder Geschäftsausstattung oder durch seine Arbeit mit Hilfe von nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen Leistungen erbringt.

Es stellt sich nun die Frage, wem die sich durch diese Tätigkeit eventuell ergebenden Steuerguthaben zustehen und ob gegebenenfalls eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen in Betracht kommt.

§ 35 InsO regelt, dass alle Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens dem Schuldner gehörten und die er während des Verfahrens erlangt, zur Insolvenzmasse gehören. Ausgenommen sind nur die in § 36 InsO bezeichneten unpfändbaren Vermögenswerte. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis werden jedoch von den in § 36 Absatz 1 InsO genannten Vorschriften nicht erfasst (vgl. Insoweit auch § 46 AO). Daraus folgt, dass alle Steuererstattungsansprüche des Gemeinschuldners der Insolvenzmasse zustehen (sog. massezugehörige Erstattungsansprüche). Nach Bekannt werden der Insolvenzeröffnung kann das Finanzamt schuldbefreiend nur noch an die Insolvenzmasse leisten; § 82 InsO.

Für die Frage der Aufrechnung gelten die Beschränkungen §§ 94 bis 96 InsO.

Ergeben sich durch die Tätigkeit des Gemeinschuldners während des Insolvenzverfahrens Steuererstattungsansprüche, so scheitert die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen an § 96 Absatz 1 Ziffer 1 InsO. Denn das Finanzamt wird erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Masse schuldig. Eine Aufrechnung gegen Masseverbindlichkeiten ist dagegen möglich.

Eine Aufrechnung mit Masseforderungen gegen massezugehörige Erstattungsansprüche (= Erstattungsansprüche unter der Dritten Steuernummer) ist dagegen möglich.

Beispiel:

Der Insolvenzverwalter gibt etwa einen Monat nach der Insolvenzeröffnung den angemeldeten PKW des Gemeinschuldners aus dem Insolvenzbeschlag frei, weil eine Veräußerung voraussichtlich die Kosten der Veräußerung nicht decken würde. Die KraftSt für den letzten Erhebungszeitraum war nicht getilgt worden. Es bestehen nunmehr folgende Steuerforderungen:

  • Insolvenzforderungen: Tag der Anmeldung bis zum Tag der Insolvenzeröffnung

  • Masseforderung: Tag der Insolvenzeröffnung bis zum Tag der Freigabe

  • Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen: ab dem Tag der Freigabe

Die Großmutter des Gemeinschuldners zahlt die zu festgesetzte KraftSt (Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen), weil das Finanzamt mit der Zwangsabmeldung des Fahrzeuges droht. Einen Monat später meldet der Gemeinschuldner das Fahrzeug ab, weil es nicht mehr fahrtauglich ist.

Der sich dadurch ergebende KraftSt – Erstattungsanspruch steht der Insolvenzmasse zu, ist also ein massezugehöriger Erstattungsanspruch. Eine Aufrechung mit Insolvenzforderungen scheitert an § 96 Absatz 1 Ziffer 1 InsO, da der Erstattungsanspruch erst nach der Insolvenzeröffnung entstanden ist.

Eine Aufrechnung Mit Masseforderungen ist grundsätzlich möglich. Besteht eine solche Aufrechnungsmöglichkeit im Einzelfall nicht (z. B. mangels Masseforderungen), ist der Betrag an den Insolvenzverwalter auszukehren.

Die OFD bittet daher, bei allen Steuerkonten – auch bei den anlässlich einer echten Freigabe bzw. einer nicht zu Masseforderungen führenden Tätigkeit des Gemeinschuldners eröffneten weiteren Steuerkonten – eine Erstattungssperre (AWS 071 für das gesamte Konto) anzuweisen. Eventuelle Guthaben sind wie oben dargestellt nach der Aufrechnungsprüfung (nur gegen Masseforderungen) auf das Insolvenzanderkonto zu überweisen.

OFD Münster v. - Kurzinfo Verfahrensrecht 13/2005

Fundstelle(n):
HAAAD-18540