Leistung an eine nahe stehende Person des beherrschenden Gesellschafters als verdeckte Gewinnausschüttung; Vorliegen einer Überraschungsentscheidung
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2, FGO § 76 Abs. 2, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) liegt nicht vor. Das Finanzgericht (FG) hat den Anspruch der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 Abs. 2 FGO) nicht verletzt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10, m.w.N.; , BFH/NV 2005, 1617). Hiervon ist auszugehen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis (§ 76 Abs. 2 FGO) Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter —selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen— nicht zu rechnen brauchte, so dass dies im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleichkommt.
b) Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Das FG hat im Einklang mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) die Zahlung einer Abfindung an den Minderheitsgesellschafter H als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes beurteilt. Für die Zahlung der Abfindung bestehe keine (ausschließliche) betriebliche Veranlassung, weil das Arbeitsverhältnis auch ohne Zahlung einer Abfindung hätte beendet werden können. Soweit die Klägerin geltend mache, H sei die Abfindung wegen seines herausragenden Einsatzes für die Klägerin in der Vergangenheit gewährt worden, stehe einer steuerlichen Anerkennung dieser Zahlung für die Vergangenheit das so genannte Nachzahlungsverbot entgegen. Zwar sei H nur mit 48 v.H. an der Klägerin beteiligt. Er sei aber nahestehende Person zu seinem Bruder, der mit einer Beteiligung von 52 v.H. als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu beurteilen sei.
Diese rechtliche Beurteilung steht im Einklang mit der ständigen Senatsrechtsprechung, nach der eine vGA auch dann angenommen werden kann, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihren beherrschenden Gesellschafter oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. z.B. Senatsurteil vom I R 70/04, BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882).
H selbst ist zwar nur Minderheitsgesellschafter. Bei der Prüfung der Frage, ob die Zahlung der Abfindung durch das Gesellschaftsverhältnis der Klägerin zu ihm (mit-)veranlasst ist, können daher die von der Rechtsprechung entwickelten spezifischen Kriterien für die Annahme einer vGA bei beherrschenden Gesellschaftern grundsätzlich nicht angewandt werden (zur Ausnahme bei gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter vgl. z.B. , BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797; vom I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504). Da er jedoch zugleich eine dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nahestehende Person ist und die Zahlung der Abfindung nicht auf einer im Voraus getroffenen Vereinbarung beruht, schließt dies nicht aus, insoweit eine vGA der Klägerin an H's Bruder, den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, anzunehmen.
Die Klägerin musste angesichts dieser Rechtsprechung damit rechnen, dass das FG ihrem Vortrag, die Abfindung an H habe dessen hervorragende Leistungen für die Klägerin in der Vergangenheit abgelten sollen, für unerheblich halten würde.
2. Das Urteil des FG weicht auch nicht von einem Rechtssatz des Senatsurteils in BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882 ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Das FG orientiert sich in seiner Entscheidung ausdrücklich an den in diesem Urteil enthaltenen Rechtsausführungen. Entgegen der Sicht der Klägerin ist das FG daher nicht davon ausgegangen, eine vGA sei stets anzunehmen, wenn ohne vorherige Vereinbarung eine Leistung an einen beherrschenden Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person erbracht wird. Vielmehr konnte es keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine ausschließlich betriebliche Veranlassung der ohne vorherige Vereinbarung gezahlten Abfindung an H feststellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 969 Nr. 6
IAAAD-18476