Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GWB § 41 Abs. 1; GWB § 81 Abs. 1; OWiG § 9 Abs. 1; OWiG § 130 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Düsseldorf, 2 Kart 10/05 OWi vom
Gründe
Das Oberlandesgericht hat den Betroffenen und die Nebenbetroffene vom Vorwurf des fahrlässigen Verstoßes gegen das Vollzugsverbot gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 41 Abs. 1 GWB 1999 freigesprochen. Die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, bleiben erfolglos.
I.
Dem Betroffenen liegt zur Last, als deren Vorstandsmitglied den Erwerb der alleinigen Kontrolle der Nebenbetroffenen an der G+J/RBA GmbH & Co. KG Hamburg ohne vorherige Anmeldung und Freigabe durch das Bundeskartellamt vollzogen zu haben. Das Bundeskartellamt hat gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 40.000 EUR verhängt; die Nebenbetroffene hat es wegen dieser Ordnungswidrigkeit als Nebenfolge mit einer Geldbuße von 110.000 EUR belegt. Das Oberlandesgericht hat auf ihre Einsprüche hin den Betroffenen und die Nebenbetroffene freigesprochen, weil der objektive Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nicht erfüllt sei.
1.
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ist die Nebenbetroffene ein zum Bertelsmann-Konzern gehörendes international tätiges Verlagshaus mit Sitz in Hamburg. Der Betroffene war bis Ende 2003 Vorstandsmitglied der Nebenbetroffenen und verantwortlich für das Zeitschriftengeschäft im Inland. Die Nebenbetroffene und die RBA Germany GmbH (künftig: RBA) sind die beiden beherrschenden Gesellschafter des paritätischen Gemeinschaftsunternehmens Gruner + Jahr/RBA GmbH & Co. KG, das die deutsche Ausgabe der Zeitschrift "National Geographic Magazine" herausgab. Das Gemeinschaftsunternehmen verfügte über einen Beirat (§ 8 des Kommanditgesellschaftsvertrags), der aus vier Mitgliedern zusammengesetzt war, von denen je zwei von den beiden Partnern bestellt wurden. Der Beirat kontrollierte die Geschäftsführung und musste bei in § 9 dieses Vertrags näher ausgeführten wichtigen Maßnahmen mit einfacher Mehrheit zustimmen. Ab 2001 trat der Beirat nicht mehr zusammen, da seine Aufgabe von der Gesellschafterversammlung mit übernommen wurde.
Im Verlauf des Jahres 2003 nahmen die beiden Gesellschafter des paritätischen Gemeinschaftsunternehmens Verhandlungen auf, weil sich die RBA aus dem Gemeinschaftsunternehmen zurückziehen und ihre Anteile an die Nebenbetroffene übertragen wollte. Sie schlossen einen von der Nebenbetroffenen am unterzeichneten Vertrag, wonach diese unter der aufschiebenden Bedingung der Freigabe durch das Kartellamt die Geschäftsanteile übernahm. Zugleich war vorgesehen und nicht unter eine entsprechende aufschiebende Bedingung gestellt, dass die von der RBA ernannten Mitglieder des Beirats zurücktraten; an ihre Stelle sollten zwei (allerdings nicht leitende) Mitarbeiter der Nebenbetroffenen treten. Die beiden von RBA benannten Beiratsmitglieder hatten ihren Rücktritt bereits erklärt. Die unterzeichneten Erklärungen über den Rücktritt aus dem Beirat wurden dem Vertrag angefügt. Von diesem Zeitpunkt an bestand der Beirat aus den für die Nebenbetroffene tätigen Angestellten Dr. N. und H. sowie dem bereits vorher von ihrer Seite benannten Vorstandsmitglied G. und dem Betroffenen selbst. In der Folgezeit trat der Beirat jedoch nicht mehr zusammen.
Das Bundeskartellamt untersagte das im April 2004 angemeldete Zusammenschlussvorhaben. Die Untersagung wurde durch den Bundesgerichtshof bestätigt (, WuW/E DE-R 1995 - National Geographic II).
2.
Das Oberlandesgericht sieht den objektiven Tatbestand des § 81 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB 1999 nicht als erfüllt an. Ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 GWB liege nicht vor, weil kein Kontrollerwerb stattgefunden habe. Der Rückzug der Mitglieder von RBA unter gleichzeitiger Neubestellung von Mitarbeitern der Nebenbetroffenen stelle keinen Kontrollerwerb im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB dar. Ein Kontrollerwerb setze voraus, dass ein bestimmender Einfluss des herrschenden Unternehmens langfristig ausgeübt werden könne. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Bis zur Freigabe des Zusammenschlusses hätte die RBA nämlich jederzeit wieder eine paritätische Besetzung durchsetzen können.
II.
Die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.
1.
Das Oberlandesgericht hat mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen eines Kontrollerwerbs verneint. Die RBA hätte - so die rechtsfehlerfreie Auslegung des Oberlandesgerichts zum Vertrag über den Anteilserwerb - bis zu dessen Freigabe aufgrund ihrer Gesellschafterstellung jederzeit die Möglichkeit gehabt, erneut eine paritätische Besetzung des Beirats durchzusetzen. Aus diesem der RBA verbliebenen Recht zur Neubesetzung des Beirats wird deutlich, dass die Möglichkeit zur Beherrschung nicht auf Dauer angelegt war. Dies ist aber für die Annahme eines Zusammenschlusses gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erforderlich, weil der bestimmende Einfluss nicht von vorübergehenden Umständen abhängen darf (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 37 Rdn. 22).
2.
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft unterliegt das angefochtene Urteil auch nicht deshalb der Aufhebung, weil das Oberlandesgericht weitere Möglichkeiten eines Verstoßes gegen das Vollzugsverbot unerörtert gelassen hat. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, das Oberlandesgericht hätte prüfen müssen, ob nicht schon der Austausch der Beiratsmitglieder als Vollzug des (nicht freigegebenen) Zusammenschlusses anzusehen sei und unter diesem Gesichtspunkt eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1999 vorliege. Sie meint, auch solche Vollzugshandlungen, die unterhalb der Schwelle eines Zusammenschlusses lägen, könnten einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 GWB darstellen und damit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen.
Der Senat kann diese in der Literatur umstrittene Frage (vgl. einerseits Rieger in FK, GWB, 63. Lfg., § 41 Rdn. 7; andererseits Ruppelt in Langen/ Bunte, GWB, 10. Aufl., § 41 Rdn. 1) offenlassen. Es kommt bei dem hier gegebenen Sachverhalt hierauf nicht an, weil eine bußgeldbewehrte Handlung des Betroffenen nicht ersichtlich ist und damit auch die Grundlage für eine Geldbuße gegen die Nebenbetroffene fehlt.
a)
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Betroffene weder den Vertrag über den Anteilskauf selbst ausgearbeitet noch die Umbesetzung im Beirat veranlasst. Er hat lediglich die Verhandlungen über den Anteilserwerb maßgeblich geführt. Auch im Blick auf die kartellrechtlichen Probleme des Anteilserwerbs hat der Betroffene Juristen aus dem Unternehmen mit der Ausarbeitung der Vertragsregelungen betraut. Zudem wurde eine in Kartellsachen spezialisierte Anwaltskanzlei beauftragt, die zu den kartellrechtlichen Fragen Stellungnahmen ausgearbeitet, Kontakt mit dem Bundeskartellamt aufgenommen und den Anteilserwerb speziell unter dem Gesichtspunkt der kartellrechtlichen Fragen begleitet hat. Die Unterzeichnung des Anteilsübertragungsvertrags, den die Anwaltskanzlei maßgeblich entworfen hatte, erfolgte durch Rechtsanwalt K. als den Bevollmächtigten der Nebenbetroffenen. Rechtsanwalt K. , ein in der Rechtsabteilung der Nebenbetroffenen tätiger Jurist, entschied auch - unter Einbindung des Repräsentanten der RBA - kurzfristig, dass der Beirat umbesetzt werden und wer nachrücken sollte.
b)
Bei dieser Sachlage kommt eine täterschaftliche Verletzung der Bußgeldnorm des § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1999 durch den Betroffenen nicht in Betracht, weil er im Hinblick auf die Umbesetzung des Beirats nicht selbst gehandelt hat. Er hatte auch hinsichtlich der Besetzung des Beirats keine Vorgaben gemacht. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass er Rechtsanwalt K. hierzu veranlasst oder in irgendeiner Form unterstützt haben könnte (§ 14 Abs. 1 OWiG). Vielmehr spricht nach den festgestellten Umständen alles dafür, dass er von der Umbesetzung keine Kenntnis hatte.
c)
Eine Ahndung des Betroffenen wäre deshalb nur bei einer schuldhaften Verletzung seiner Aufsichtspflichten möglich, die er als Organ der Nebenbetroffenen wahrzunehmen hatte (§ 130 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten ist jedoch nicht erkennbar. Der Betroffene hat die kartellrechtliche Behandlung des Anteilsverkaufs einer spezialisierten Anwaltskanzlei übertragen. Auf deren Sachkunde konnte er sich grundsätzlich verlassen (vgl. BGHSt 21, 18, 22 f.) . Er durfte insbesondere darauf vertrauen, dass durch die auf kartellrechtliche Fragen spezialisierte Anwaltskanzlei kartellbehördliche Genehmigungserfordernisse gewahrt werden. Zum einen war das Bundeskartellamt bereits mit dem Entwurf einer Anmeldung befasst worden. Zum anderen sah der Vertrag ausdrücklich eine Freigabe durch das Bundeskartellamt als aufschiebende Bedingung des Anteilserwerbs vor.
Der Betroffene musste mit einer Neubesetzung des Beirats nicht rechnen. Eine solche war nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts auch nicht Verhandlungsergebnis zwischen den Parteien des Anteilsverkaufs, bevor der Betroffene die nähere Ausarbeitung an die Rechtsabteilung übergab. Da der Beirat zum damaligen Zeitpunkt praktisch ohne Bedeutung war, weil seine Aufgaben im Wesentlichen von der Gesellschafterversammlung wahrgenommen wurden, stand diese Frage für den Betroffenen nicht im Zentrum. Er hatte deshalb keinen Anlass, auf die Besetzung dieses für die Leitung des Gemeinschaftsunternehmens eher unwichtigen Gremiums besondere Sorgfalt zu verwenden. Hinzu kommt, dass die Organstellung des Betroffenen bereits wenige Wochen nach der Umbesetzung des Beirats endete und er deshalb naheliegend sein Augenmerk mehr auf die Veräußerung an sich als auf die zukünftige Besetzung der Gremien legte.
d)
Obwohl das Oberlandesgericht den Gesichtspunkt einer persönlichen Schuld des Betroffenen im Sinne des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht erörtert hat, sieht der Senat angesichts dieser Sachlage davon ab, die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Es erscheint - auch im Hinblick auf den Zeitablauf - ausgeschlossen, dass sich noch Feststellungen treffen lassen, die einen Schuldvorwurf gegen den Betroffenen begründen könnten. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer Ahndung der Nebenbetroffenen, weil nicht erkennbar ist, dass möglicherweise andere Personen, welche die besonderen Zurechnungsanforderungen des § 30 OWiG erfüllen, vorwerfbar gehandelt haben könnten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 2959 Nr. 40
NJW-RR 2009 S. 973 Nr. 14
DAAAD-18404
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein