BGH Beschluss v. - 3 StR 47/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 225 Abs. 1; StPO § 349 Abs. 4

Instanzenzug: LG Hildesheim, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte am Nachmittag des aus Verärgerung der ca. vier Jahre und acht Monaten alten Tochter Leonie seiner Lebensgefährtin mit der rechten Hand so heftig gegen die linke Wange, dass der Schläfenmuskel zertrümmert wurde. Am gegen 11.00 Uhr badete er das Mädchen, das sich eingenässt hatte. Dabei ärgerte er sich aus ungeklärten Umständen derart stark über das Kind, dass er es ein weiteres Mal bestrafen und ihm wehtun wollte. Deshalb ergriff er es, hob es aus der Wanne und schüttelte es sehr heftig, wobei ihm klar war, dass das Schütteln den Tod verursachen könnte. Diese Misshandlung führte zu Läsionen von Brückenvenen sowie zu Einblutungen in die Schädelhöhle (subdural) und unter die weiche Hirnhaut (subarachnoidal). Außerdem wurde die Hirnsubstanz selbst erheblich geschädigt und die Gehirnflüssigkeit verschoben. Leonie verstarb an den Folgen der erlittenen Verletzungen.

Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, das Kind niemals misshandelt zu haben; er halte es für wahrscheinlich, dass es sich selbst verletzt oder einen Unfall erlitten habe.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat sich die Strafkammer hinsichtlich der Todesursache dem Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen angeschlossen. Dieser hat ausgeführt, Leonie sei an zentraler Lähmung infolge exzessiver Hirndruckzunahme mit Hirnstammeinklemmung und weitgehender Komprimierung des Hirnkammersystems, letztlich einhergehend mit einer erheblichen intravitalen Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns (Hypoxie) und daraus resultierenden ausgedehnten ischämischen Nervenzelluntergängen im gesamten Gehirn verstorben. Da nach den durchgeführten Untersuchungen als Ursache der Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns krankheitsbedingte Geschehnisse ausschieden, sei die exzessive Hirnschwellung im Rahmen eines globalen Ödems, die letztlich zum Tode geführt habe, im Zusammenhang mit der Blutung unter die harte Hirnhaut (subdural) als Folge eines Traumas oder sogar mehrerer Traumata anzusehen. Die Blutung im Bereich der harten Hirnhaut sei aufgrund des Nachweises von Eisen mindestens drei Tage vor dem Tode entstanden. Dabei sei als Todeszeitpunkt das Abstellen der den Kreislauf erhaltenen Maschinen am um 00.30 Uhr (UA S. 14, 19) anzusehen. Todesursächlich geworden sei eine nicht unfallbedingte, massive Gewalteinwirkung auf den Kopf des Kindes, die gegen Mittag des stattgefunden haben könne (UA S. 21); andere plausible Erklärungen seien nach dem Verletzungsbild auszuschließen. Ein Entstehen der Kopfverletzungen bei dem Vorfall vom scheide aus, weil zwischen der Gehirnschädigung und dem Koma, in welches das Kind gefallen sei, nur ein sehr kurzer Zeitraum habe liegen können. Insbesondere die Einblutungen im Augapfel und Sehnerv sprächen für ein kräftiges Schütteln als Auslöser der Verletzungen.

Diese Beweiswürdigung enthält einen nicht auflösbaren Widerspruch. Einerseits soll die massive Gewalteinwirkung auf den Kopf des Kindes, welche zu der Blutung im Bereich der harten Hirnhaut führte, mindestens drei Tage vor dem Tode, also vor dem um 00.30 Uhr stattgefunden haben. Andererseits soll es möglich sein, dass die todesursächlichen Kopfverletzungen am kurz vor Mittag verursacht wurden. Die unterschiedlichen Äußerungen des Sachverständigen zum Zeitpunkt der Gewaltausübung lassen sich anhand der Urteilsgründe nicht miteinander in Einklang bringen. Der vom Landgericht unter Würdigung weiterer Indizien festgestellte Tatzeitpunkt und Geschehensablauf ist daher nicht tragfähig begründet.

Der Fehler in der Beweiswürdigung zum Vorfall vom erfasst auch die Verurteilung wegen der Tat vom . Da in beiden Fällen innerhalb eines kurzen Zeitraums massive Gewalt gegen den Kopf des Mädchens ausgeübt wurde, kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass bereits die Verletzungshandlung vom ursächlich oder mitursächlich für den Tod von Leonie war.

Für den Fall, dass sich der neue Tatrichter erneut von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt, sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen: Das Tatbestandsmerkmal "roh misshandelt" in § 225 Abs. 1 StGB erfordert eine sorgfältige Darstellung nicht nur der objektiven Tatseite, sondern auch der Gesinnung des Täters. Zur Prüfung der Frage, ob gegebenenfalls die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge eines Affekts erheblich vermindert war, empfiehlt sich die Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen. Bei der Strafzumessung sollten Formulierungen vermieden werden, die besorgen lassen könnten, Tatbestandsmerkmale seien strafschärfend berücksichtigt worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BAAAD-18328

1Nachschlagewerk: nein