Anhörungsrüge: Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gesetze: FGO § 133a
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin, Antragstellerin und Rügeführerin (Antragstellerin) ist eine GmbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Erbringung von Bauleistungen im Tiefbau sowie die Vermietung von Transportgeräten.
Die Antragstellerin hat seit in A bei B einen Büroraum angemietet.
Das für A zuständige Finanzamt (FA) C hat verschiedene Steuerfestsetzungen erlassen. Insoweit sind seit 2001 bzw. 2002 zahlreiche Verfahren beim Sächsischen Finanzgericht (FG) anhängig. In den Verfahren sind verschiedene Aufklärungsanordnungen ergangen.
Die Antragstellerin hat insbesondere in den Klageverfahren 4 K 127/02, 4 K 741/02, 4 K 747/02 und 4 K 1506/01 geltend gemacht, dass die von ihr ausgeführten Umsätze größtenteils nicht steuerbar seien, da der Ort der von ihr fast ausschließlich ausgeführten sonstigen Leistungen in Frankreich liege. Darüber hinaus hat sie geltend gemacht, dass sachlich unzuständige Behörden tätig geworden seien; wegen des in Frankreich belegenen Orts der Geschäftsleitung sei eine zentrale Zuständigkeit des FA D bzw. E begründet.
Unter Hinweis auf diverse beim FG anhängige Verfahren hat die Antragstellerin in den mündlichen Verhandlungen des Verfahrens 4 K 1506/01 am und in den Verfahren 4 K 127/02, 4 K 741/02, 4 K 747/02 am beim FG Anträge auf Durchführung selbständiger Beweisverfahren gestellt. Diese Anträge hat das FG durch Beschlüsse vom (4 S 2258/06 und 4 S 2291/06), vom (4 S 2260/06) sowie vom (4 S 2283/06 und 4 S 2285/06) abgelehnt.
Mit ihren hiergegen erhobenen Beschwerden hat die Antragstellerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Voraussetzungen für selbständige Beweisverfahren in ausreichender Weise glaubhaft gemacht worden seien und dass das FG einen gesetzlichen Beteiligtenwechsel nicht beachtet habe. Sie hat u.a. Verletzung formellen Rechts (insbesondere fehlende Prozessführungsbefugnis des FA C, Vorliegens einer Überraschungsentscheidung wegen Verletzung der richterlichen Hinweispflicht sowie fehlerhafte Besetzung des Gerichts) und materiellen Rechts gerügt.
Der Senat hat mit den angefochtenen Beschlüssen vom V B 68/07 und vom V B 66-67/07 und V B 93-94/07 die Beschwerden der Antragstellerin gegen die ablehnenden Beschlüsse des FG, selbständige Beweisverfahren durchzuführen, als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihren Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen wegen „greifbarer Gesetzes- und Rechtswidrigkeit”.
Zum Vorbringen der Antragstellerin nimmt der Senat Bezug auf die Schriftsätze vom .
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Beschlüsse vom V B 68/07 und vom V B 66-67/07 und V B 93-94/07 aufzuheben, die Verfahren fortzuführen und die selbständigen Beweisverfahren unter Aufhebung der entgegenstehenden Beschlüsse des Sächsischen und 4 S 2291/06), vom (4 S 2260/06) und (4 S 2283/06 und 4 S 2285/06) anzuordnen.
Der Beschwerdegegner, Antragsgegner und Rügegegner (das FA) hat sich zur Anhörungsrüge und Gegenvorstellung nicht geäußert.
II. 1. Die Verfahren werden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, weil es zweckmäßig ist, über die mit den gleichen Gründen erhobenen Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen einheitlich zu entscheiden.
2. Die Anhörungsrügen der Antragstellerin sind als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn
1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).
Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO nicht entsprechend den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO substantiiert dargelegt (vgl. zum Erfordernis der substantiierten Darlegung z.B. Beschlüsse des , BFH/NV 2007, 2143; vom I S 14/08, juris).
a) Der Senat hat die mit den Beschwerden geltend gemachten Rügen wegen Missachtung eines angeblichen Beteiligtenwechsels auf Seiten des FA sowohl im Hinblick auf die Sachentscheidungsvoraussetzungen als auch im Hinblick auf die Begründetheit der Beschwerden zur Kenntnis genommen und erwogen, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Der Senat verweist insoweit auf die Begründung der Beschwerden.
Aus welchen Gründen der Senat von diesem Rechtsstandpunkt aus gehalten gewesen sein soll, dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin weiter nachzugehen, hat die Antragstellerin nicht dargelegt. Ebenso ist weder dargelegt noch erkennbar, inwieweit die Ausführungen der Antragstellerin zur materiellen Rechtslage, zum Vorgehen des FG und zum Erfordernis einer Beiziehung von Akten auf der Grundlage der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung rechtserheblich sein sollen.
b) Soweit die Antragstellerin rügt, die Beschlüsse wichen von der Rechtsprechung anderer Bundesgerichte sowie anderer Senate des BFH sowie von der Entscheidung des Senats vom V B 83/98 (juris) ab, ist nicht erkennbar, inwiefern die behaupteten Abweichungen des Senatsbeschlusses von Entscheidungen anderer Senate des BFH und anderen obersten Bundesgerichten und von der Entscheidung im (juris) zu einer Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs führen könnten.
c) Gleiches gilt für die Rügen, die Beschlüsse verletzten das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, weil eine Vorlage wegen Divergenzen an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes und den Großen Senat des BFH unterblieben sei, der Senat des FG sei unzuständig gewesen, der gesetzliche Richter sei wegen willkürlicher Nichtanwendung zuständigkeitsbestimmender Gesetze entzogen worden und ein Besetzungsmangel liege vor, weil der Senat des FG willkürlich seine Zuständigkeit bejaht habe, weil das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs nicht betroffen ist (, juris; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 3). Entsprechendes gilt für die angeblichen Verstöße gegen Art. 2, Art. 3, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG sowie gegen Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
d) Auch soweit die Antragstellerin die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, durch „rechtswidrig unterlassene Hinweise”, insbesondere durch unterlassene Aufforderung zur „Antragsergänzung analog § 65 Abs. 2 FGO”, hat die Rüge keinen Erfolg. Das Gericht ist aus dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, einen Hinweis auf seine Rechtsauffassung zu geben (vgl. z.B. , BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383; , BFH/NV 2007, 953). Auch liegt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine sog. „Überraschungsentscheidung” vor, wenn das Gericht den Rechtsauffassungen der Antragstellerin zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht folgt.
e) Auch soweit die Antragstellerin rügt, „die Beschlüsse übergingen wesentlichen Vortrag der Antragstellerin”, geht der Vortrag wie auch im Übrigen im Wesentlichen dahin, der Senat habe eine unzutreffende Sachentscheidung getroffen. Mit diesem Vorbringen kann die Antragstellerin im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133a FGO nicht gehört werden (s. allgemein z.B. BFH-Beschlüsse vom VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; vom III S 9/06, BFH/NV 2006, 1500).
Der Senat hat das gesamte Sachvorbringen der Antragstellerin zur Kenntnis genommen; dass der Senat den rechtlichen Schlussfolgerungen der Antragstellerin in den angefochtenen Beschlüssen nicht gefolgt ist, lässt einen Rückschluss auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zu.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
3. Auch die „Gegenvorstellungen” der Antragstellerin gegen die Beschlüsse vom V B 68/07, und vom V B 66-67/07 und V B 93-94/07 verhelfen der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats (vgl. , BFHE 219, 27, BStBl II 2008, 60) von der Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung ausgeht, beschränkt die vorrangige, kodifizierte Anhörungsrüge den Anwendungsbereich der Gegenvorstellung von vornherein auf Ausnahmefälle auf schwerwiegende Grundrechtsverstöße, wenn die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt oder gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ergangen ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474; vom V S 26/06, BFH/NV 2007, 953; vom IX S 4/07, BFH/NV 2007, 1535).
Derart schwerwiegende Verstöße hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Sie hat nicht hinreichend deutlich gemacht, warum diese Entscheidungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar sein sollen. Dies gilt insbesondere für den Vortrag der Antragstellerin zum gesetzlichen Beteiligtenwechsel.
Dass der Senat in den Beschlüssen vom V B 68/07 und vom V B 66-67/07 und V B 93-94/07 auch im Übrigen den rechtlichen Schlussfolgerungen der Antragstellerin nicht gefolgt ist, führt nicht dazu, dass den Beschlüssen schwerwiegende Grundrechtsverstöße anhaften oder die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt. Insbesondere ist auch nach den Ausführungen des Senats in den Beschlüssen vom V B 68/07, und vom V B 66-67/07 und V B 93-94/07 (hierzu bereits unter II. 2. a) kein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ersichtlich.
4. Die mit Schriftsätzen vom unter den Aktenzeichen V B 66/07, V B 67/07, V B 68/07, V B 93/07 und V B 94/07 beantragte Akteneinsicht war nicht zu gewähren. Da die Rechtsbehelfe unzulässig sind, besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht, denn die Akteneinsicht ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet, der Rechtsschutzgewährung der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren zu dienen (vgl. , BFH/NV 2007, 1804, m.w.N.).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Die Kostenpflicht der Anhörungsrügen ergibt sich dabei aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz —GKG— (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), eingefügt durch das Anhörungsgesetz vom (BGBl I 2004, 3220, BStBl I 2005, 370).
Hinsichtlich der Gegenvorstellungen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei, weil für das Verfahren im Rahmen einer Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist (BFH-Beschlüsse vom IV S 10/05, BFHE 211, 13, BStBl II 2006, 76; vom V S 3/06, BFH/NV 2006, 2292, m.w.N.).
Fundstelle(n):
WAAAD-17965