Abweichung des FG-Urteils von einem strafgerichtlichen Urteil; Schätzung von Besteuerungsgrundlagen
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 76 Abs. 1, AO § 162
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind teils nicht ordnungsgemäß dargelegt worden, teils liegen sie der Sache nach nicht vor.
1. Der vom Kläger angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund gestützt, muss der Beschwerdeführer eine für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage herausarbeiten, die das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Er muss dabei darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft ist, wobei er sich mit den in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen auseinandersetzen muss (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.).
a) Dies ist nicht geschehen. Der Kläger behauptet lediglich die Notwendigkeit einer erneuten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) für Verfahren, in denen die fehlende Aufbewahrung von sog. Schichtzetteln in Zeiträumen vor dem (BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat. Dabei weist er auch auf einen möglichen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, den Grundsatz von Treu und Glauben und eine mögliche Selbstbindung der Verwaltung sowie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung unter den Taxifahrern hin.
b) Eine Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere mit dem einschlägigen (BFH/NV 2007, 1208) fehlt jedoch. Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Der Kläger hätte dazu substantiiert vortragen müssen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG) und/oder in der Literatur gegen die Rechtsprechung des BFH vorgebracht worden sind (Beschluss des erkennenden Senats vom X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33).
c) Auch durch das Vorbringen des Klägers, die Revisionsentscheidung sei für eine größere Zahl von Fällen bedeutsam, wird nach der Rechtsprechung des BFH die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht eröffnet (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
2. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Klägers diese Darlegungsanforderungen erfüllt. Ebenso braucht nicht entschieden zu werden, ob die behauptete Divergenz des finanzgerichtlichen Urteils von einem Urteil eines Amts- oder Landgerichts überhaupt zu einer Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führen kann (bejahend Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 115 FGO Rz 174; ablehnend Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 49). Es fehlt jedenfalls an einer identischen Rechtsfrage.
Dieselbe Rechtsfrage ist gegeben, wenn die zu vergleichenden Entscheidungen zu derselben Rechtsnorm ergangen sind. Eine Divergenz kann auch gegeben sein, wenn die voneinander divergierenden Entscheidungen die gleiche Rechtsfrage in verschiedenen Normen mit den gleichen gesetzlichen Tatbeständen unterschiedlich beantwortet haben. In diesem Fall ist bei der Prüfung der Divergenz jedoch immer zu beachten, dass der jeweilige Normzweck und der unterschiedliche Bedeutungszusammenhang der jeweiligen Vorschriften selbst bei gleichem Wortlaut unterschiedliche Auslegungen rechtfertigen können, so dass ggf. keine Abweichung vorliegt (, nicht veröffentlicht —n.v.—). In diesem Fall muss die Beschwerde im Einzelnen darlegen, inwieweit gleichwohl eine Divergenz gegeben sein soll (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 89/03, BFH/NV 2004, 1221; vom VII B 244/02, BFH/NV 2003, 833, m.w.N.).
b) Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich keine Divergenz. Die von ihm zitierten Urteile betreffen ausnahmslos Strafverfahren und keine finanzgerichtlichen Verfahren. Eine gleiche Rechtsfrage kann sich daher nicht ergeben, da sich der Normzweck der strafrechtlichen Vorschriften mit dem Grundsatz „in dubio pro reo” erheblich von den steuerlichen Vorschriften zur ordnungsgemäßen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unterscheidet.
3. Der vom Kläger geltend gemachte Verstoß des FG gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist nicht gegeben. Seine Rügen, das FG habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch fehlende Einholung eines Sachverständigengutachtens, durch fehlende Vermögenszuwachsrechnung sowie durch Nichtvorlage von Berechnungen bei Vergleichsbetrieben, nicht hinreichend aufgeklärt, legen keine Verfahrensfehler des FG dar.
a) Mit dem Einwand, das FG habe das von ihm beantragte Sachverständigengutachten nicht erhoben, legt der Kläger keinen Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht dar, sondern rügt im Kern einen Rechtsfehler des FG und keinen Verfahrensmangel. Der Kläger hat im FG-Verfahren beantragt, ein Sachverständigengutachten für die Richtigkeit der den Steuererklärungen des Klägers zugrunde gelegten Gewinne aus Gewerbebetrieb und der Umsätze einzuholen. Hierin liegt die Rüge einer falschen Rechtsanwendung der gewählten Schätzungsmethode durch das FG, nicht aber die Rüge eines Verstoßes des FG gegen die Sachaufklärungspflicht. Denn die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig ist, erfordert ebenso wie die Bestimmung der maßgeblichen Schätzungskriterien eine rechtliche Beurteilung, die in erster Linie dem FG obliegt und weder regelmäßig noch in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten vorbereitet werden muss (Senatsbeschlüsse vom X B 7/06, BFH/NV 2007, 1167; vom X B 162/03, BFH/NV 2005, 224). Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist aber im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Senatsbeschluss vom X B 142/03, n.v.).
b) Das FG hat auch nicht dadurch, dass es keine Vermögenszuwachsrechnung erstellt hat, gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen. Weder der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) noch das FG sind grundsätzlich verpflichtet, das aufgrund einer Schätzungsmethode (hier die Nachkalkulation anhand betriebsinterner Daten) gewonnene Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern. Es ist Sache der Tatsacheninstanz, zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Der Steuerpflichtige selbst hat keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode (Beschluss des erkennenden Senats vom X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014, m.w.N.). Berechtigte Einwendungen gegen die Schätzungsmethode der Nachkalkulation hat der Steuerpflichtige nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.
c) Die Rüge des Klägers, das FG habe durch die Nichtvorlage von Berechnungen bei Vergleichsbetrieben seine Aufklärungspflicht verletzt, geht ebenfalls ins Leere. Zum einen ist ein externer Betriebsvergleich dann nicht notwendig, wenn eine andere Schätzungsmethode zu einem vernünftigen Schätzungsergebnis führt, zum anderen hat das FG die Werte vergleichbarer Taxibetriebe berücksichtigt, und zwar mit dem Ergebnis, dass auch ein externer Betriebsvergleich die Schätzung als realitätsnah erscheinen lässt (Urteilsgründe des FG S. 10, 2. Absatz).
4. Der Hinweis des Klägers, er habe sich zu den von ihm nicht nachprüfbaren angeblichen „Erfahrungswerten” des FA nicht äußern können, stellt keine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Dazu ist nicht nur notwendig, dass der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig darlegt, wozu er sich nicht äußern konnte, sondern auch, was er Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden wäre, da derjenige, der nichts hätte vorbringen können, sich auch nicht auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen kann (Lange in HHSp, § 119 FGO Rz 223, m.w.N.). An einem solchen Vorbringen fehlt es.
5. Die vom Kläger gegen die Schätzung des FG erhobenen Einwände vermögen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht zu begründen. Er legt einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG bei der Schätzung des Gewinns, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnte (Senatsbeschlüsse vom X B 126/07, n.v.; vom X B 38/06, BFH/NV 2007, 757), nicht hinreichend dar bzw. solche Fehler liegen nicht vor.
a) Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalles durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss vom X B 142/03, n.v.). Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 36/07, n.v.).
b) Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.). Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 69, m.w.N.). Das Vorliegen dieser besonderen Umstände ist in der Beschwerdebegründung darzulegen (Senatsbeschluss vom X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273).
c) Der Kläger erhebt zahlreiche Einwände gegen die Schätzung des FG, die sich zum einen auf dessen Befugnis zur Schätzung und zum anderen auf das Ergebnis der Schätzung beziehen. Einen erheblichen Rechtsanwendungsfehler des FG legt er damit nicht dar. Soweit er behauptet, das FA sei zur Schätzung nicht befugt gewesen, da seine Buchhaltung trotz fehlender Schichtzettel —unabhängig davon, ob sie zunächst geführt und später vernichtet wurden oder sie gar nicht geführt wurden— ordnungsgemäß gewesen sei, kann diese Behauptung vor dem Hintergrund des BFH-Urteils in BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 keinen Rechtsanwendungsfehler des FG begründen (siehe dazu auch oben 1.).
d) Auf das Ergebnis der Schätzung bezieht sich die Behauptung des Klägers, die vom FG vorgenommene Hochrechnung führe zu rein fiktiven Zahlen, die von Taxiunternehmen der Region . auch bei günstigster Gestaltung überhaupt nicht eingefahren werden könnten, so dass die zugrunde gelegten Ergebnisse der Schätzung wirtschaftlich nicht vernünftig und möglich gewesen seien. Die Schätzung unter Zugrundelegung eines Besetztfahrtenanteils von 40 % sei willkürlich, die vom FA W vorgenommene Auswertung von Schichtzetteln habe nur zu einem Besetztfahrtenanteil von 28 % geführt. Auch seien —wie das FA wisse— in der Zeit von 1996 bis 2001 nur Durchschnittserlöse in der Größenordnung von 0,78 DM bis 0,98 DM je Kilometer erzielt worden.
e) Das FG hält Hinzuschätzungen für schlüssig und wirtschaftlich möglich, die zu Gewinnen des Klägers aus seinem Taxibetrieb im Jahr 1999 in Höhe von 118 459 DM und im Jahr 2000 in Höhe von 95 256 DM führen. Dabei begründet das FG nachvollziehbar, warum es einen Ansatz eines Bruttoerlöses von 1,20 DM für 1999 und 1,30 DM für 2000 pro Kilometer für realistisch hält und verweist auf die Rückrechung der Zahlen des Klägers aus dem Jahr 2002, den Abgleich mit der Liste des „besten Fahrers” und den im Schredder sichergestellten Listen. Zudem verprobt das FG das gefundene Ergebnis mit der vom Kläger von seiner Versicherung eingeforderten Ausfallentschädigung, dem durch das FG Hamburg festgestellten Besetztfahrtenanteil sowie den Ergebnissen diverser Vergleichsbetriebe.
Ebenso nachvollziehbar ist die Ableitung einer durchschnittlichen Fahrleistung von 74 000 km je Fahrzeug pro Jahr durch das FG. Die vorgenommene innerbetriebliche Nachkalkulation wird zudem durch die beim Kläger gefundenen handschriftlichen Aufzeichnungen verprobt.
Zusätzliche substantiierte Einwendungen gegen die sonstigen Kalkulationsgrundlagen sind nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür, dass die für den Kläger nach Hinzuschätzung ermittelten Gewinne seines Taxiunternehmens in den Streitjahren willkürlich hoch und realitätsfremd sind, bestehen nicht.
6. Das weitere Vorbringen des Klägers in den Schriftsätzen vom und ist —mit Ausnahme der Ausführungen unter 7.— verspätet, weil die Schriftsätze nicht innerhalb der am abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist beim BFH eingegangen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen. Spätere Darlegungen sind —abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens— nicht zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 116/05, BFH/NV 2006, 969).
7. Die Ergänzungen des Klägers in den Schriftsätzen
zu fehlerhaften Schlussfolgerungen aus den vorgefundenen geschredderten Dateien,
zum vermeintlich falschen Ansatz eines Lohnanteils von 45 % in 1999 und 42 % in 2000,
zur fehlerhaften Berücksichtigung von Vergleichsbetrieben,
zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung,
zur fehlerhaften Verprobung
enthalten —nach Art einer Revisionsbegründung— Ausführungen, dass und warum das FG die Tatsachen und Beweise unzutreffend gewürdigt sowie den Streitfall unrichtig entschieden habe. Solche (vorgeblichen) Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und 82 sowie § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 717 Nr. 5
YAAAD-17947