Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGG § 103; SGG § 160 Abs 2 Nr 2; SGG § 160 Abs 2 Nr 3
Instanzenzug: LSG Hessen, L 8 P 8/07 vom SG Marburg, S 7 P 101/03
Gründe
I
Der Kläger leidet an Multipler Sklerose mit progredientem Krankheitsverlauf. Er ist bei dem beklagten Versicherungsunternehmen privat krankenversichert und pflegeversichert. Der Beklagte gewährt dem Kläger Leistungen aus dem Pflegeversicherungsvertrag nach der Pflegestufe III gemäß dem Tarif PVN in Verbindung mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (Bedingungsteil MB/PPV 1996). Seinen Antrag, die Kosten für ein noch anzuschaffendes Trainingsgerät (Motomed Viva) zu übernehmen, lehnte der Beklagte ab, weil er nach den jeweiligen Versicherungsbedingungen weder krankenversicherungsrechtlich noch pflegeversicherungsrechtlich leistungspflichtig sei.
In vorliegendem Rechtsstreit geht es allein um die Leistungspflicht aus der privaten Pflegeversicherung. Für die Entscheidung über die Leistungspflicht aus der privaten Krankenversicherung sind die Zivilgerichte zuständig (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom - B 3 P 3/06 R - SozR 4-3300 § 40 Nr 6). Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch könne nicht auf den Pflegeversicherungsvertrag gestützt werden, weil das Trainingsgerät vorrangig zur Krankenbehandlung (Erhaltung der Restmuskelkraft, Verhinderung des Eintritts weiterer Kontrakturen und Spastiken) eingesetzt werde und deshalb ein Hilfsmittel der Krankenversicherung sei. Es sei nicht als Pflegehilfsmittel oder technische Hilfe iS des § 40 SGB XI einzustufen, weil die Erleichterung der Pflege und die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung nicht im Vordergrund stünden und nur Folge der Krankenbehandlung sei.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, wobei er sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft. Zudem rügt er das Vorliegen einer Divergenz sowie mehrerer Verfahrensfehler.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch § 160 Abs 2, § 160a Abs 2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1, § 169 SGG).
1. Der Kläger macht geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX. Kap RdNr 65 f mwN). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48 und BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 12). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Der Kläger hat zwar mehrere Rechtsfragen zum Umfang der Leistungspflicht privater Versicherungsunternehmen im Bereich der Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen, zum Gleichwertigkeitsgebot des § 23 Abs 1 SGB XI sowie zum Zusammenspiel der kranken- und pflegeversicherungsrechtlichen Leistungspflichten bei der Hilfsmittelversorgung aufgeworfen, deren Klärungsbedürftigkeit aber nicht aufgezeigt. Es fehlt an der hinreichenden Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung des BSG zu diesen Rechtsfragen und an der Darlegung, dass diese Fragen auch nach Auswertung dieser Rechtsprechung noch nicht als geklärt angesehen werden können. Das BSG hat entschieden, dass Hilfsmittel, die sowohl der Krankenbehandlung bzw dem Behinderungsausgleich dienen als auch die Pflege erleichtern, grundsätzlich der Krankenversicherung zuzurechnen sind; nur soweit im Einzelfall die Pflegeerleichterung ganz im Vordergrund steht, kann die Pflegeversicherung zuständig sein. Die Einführung der Pflegeversicherung hat die seit jeher bestehenden Leistungspflichten der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung nicht beschränkt, sondern unverändert gelassen und nur neue Leistungspflichten der Pflegeversicherung für Pflegehilfsmittel und technische Hilfen geschaffen, die bis dahin von den Betroffenen selbst oder von der Sozialhilfe zu finanzieren waren. Die Pflegeversicherung ist nicht eintrittspflichtig für Hilfsmittel, die nach ihrer Funktion und ihrem Zweck in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung fallen, es dort aber - aus welchen Gründen auch immer - an den leistungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt. Ein gesetzliches Gleichwertigkeitsgebot zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Versicherungsschutz gibt es nur bei der Pflegeversicherung (§ 23 Abs 1 SGB XI), nicht aber bei der Krankenversicherung ( - SozR 4-3300 § 40 Nr 2; Urteil vom - B 3 P 3/06 R - SozR 4-3300 § 40 Nr 6; Urteil vom - B 3 A 1/07 R - SozR 4-2500 § 33 Nr 16).
b) Der Kläger zeigt auch nicht auf, dass das LSG nach diesen Grundsätzen das begehrte Trainingsgerät nicht als Hilfsmittel der Krankenversicherung einordnen durfte, sondern als Pflegehilfsmittel oder als technische Hilfe (§ 40 SGB XI) hätte einstufen müssen. Die Frage, ob der Beklagte als Krankenversicherungsunternehmen leistungspflichtig ist, war im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden, worauf das LSG im Urteil auch hingewiesen hat. Die vom Kläger aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken betreffen die Reichweite des in Deutschland angebotenen (bzw des vom Kläger vereinbarten) privaten Krankenversicherungsschutzes und nicht die Reichweite der privaten Pflegeversicherung, die mit jener der sozialen Pflegeversicherung im Sinne einer Gleichwertigkeit übereinstimmt (§ 23 Abs 1 SGB XI).
2. Eine Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist ebenfalls nicht formgerecht dargetan. Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass das LSG einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem anderen Rechtssatz aufgestellt hat, den eines der vorgenannten Gerichte entwickelt und angewandt hat, und dass die Entscheidung des LSG auf dieser Divergenz beruht. Hierzu ist notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit mit einem Rechtssatz eines der genannten Gerichte aufzuzeigen. Eine Abweichung liegt indes nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Der Kläger hat lediglich angegeben, das LSG habe - aus seiner Sicht - ein Urteil des BSG (vom - B 3 P 4/01 R - BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6) nicht beachtet oder unter Verkennung dieser Rechtsprechung entschieden. Damit lässt sich jedoch eine zulässige Divergenzrüge iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht begründen. Es reicht nämlich nicht aus, dass die angebliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung im Hinblick auf anderslautende BSG-Urteile dargelegt wird; entscheidend ist vielmehr die Darlegung einer Nichtübereinstimmung in den abstrakten Rechtsaussagen (Krasney/Udsching, aaO, RdNr 196 mwN). Dies ist nicht geschehen.
3. Ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist nur dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich - den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht.
a) Die Rüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz § 160 Abs 2 Nr 2 SGG (§ 103 SGG) ist schon deshalb unzulässig, weil eine Verletzung dieser Verfahrensnorm gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur darauf gestützt werden kann, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies ist nicht geschehen. Der Kläger behauptet zwar, dass er einen Beweisantrag zur "Pflegerelevanz" des Trainingsgeräts gestellt habe, zeigt aber nicht auf, dass die "Pflegerelevanz" überhaupt streitig gewesen ist. Das LSG hat sich mit diesem Punkt auseinandergesetzt; nur die rechtliche Bewertung unterscheidet sich von der des Klägers (Urteilsumdruck S 10).
b) Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 106 SGG) ist gleichfalls nicht formgerecht dargetan. Das LSG konnte den geltend gemachten Anspruch nur anhand des tatsächlich abgeschlossenen Pflegeversicherungsvertrages entscheiden. Weshalb die Frage, ob bei einer anderen Vertragsgestaltung in der privaten Krankenversicherung oder in der privaten Pflegeversicherung ein Anspruch gegeben wäre und ob eine solche Vertragsgestaltung am Markt angeboten wurde oder aus Rechtsgründen hätte angeboten werden müssen, entscheidungserheblich sein soll, ist nicht substantiiert dargelegt worden.
c) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 GG) ist nicht nachvollziehbar ausgeführt worden. Der Kläger zeigt keinen Sachvortrag auf, den das LSG nicht berücksichtigt hat. Dass das Gericht den Argumenten des Klägers nicht gefolgt ist oder diese als im vorliegenden Zusammenhang unerheblich eingestuft hat, begründet nicht den Vorwurf, Sachvortrag sei gänzlich unbeachtet geblieben.
d) Der Vorwurf der "Nichtanwendung der Vorschriften der ZPO", auf die gemäß § 202 SGG ergänzend verwiesen werde, ist ebenfalls nicht plausibel dargelegt worden. Der Kläger nennt keine Vorschrift der ZPO, die vom LSG im vorliegenden Rechtsstreit über § 202 SGG heranzuziehen gewesen wäre und unbeachtet geblieben ist. Weshalb die breite Darstellung des zwischen den Beteiligten ergangenen Revisionsurteils vom (B 3 P 10/04 R) im Tatbestand einen Verfahrensfehler darstellen soll, ist nicht ersichtlich.
e) Von weiteren Erläuterungen sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wären, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2, 2. Halbsatz SGG).
4. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom ergänzende Ausführungen gemacht hat, war auf das Vorbringen nicht einzugehen, weil die Frist zur Beschwerdebegründung am abgelaufen war.
5. Da die Beschwerde schon nicht formgerecht begründet worden ist, bedurfte es auch nicht der - vom Kläger beantragten - Beiziehung der im Schriftsatz vom aufgeführten weiteren Akten.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstelle(n):
RAAAD-17877