BSG Beschluss v. - B 11 AL 115/08 B

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGG § 103

Instanzenzug: LSG Bayern, L 8 AL 460/04 vom SG Augsburg, S 1 AL 393/04

Gründe

I

Der Kläger hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt H., mit Schriftsatz vom eingelegt ("legen wir namens und im Auftrag des Klägers und Beschwerdeführers Nichtzulassungsbeschwerde ein"). Ferner hat er angekündigt, die Begründung werde in einem weiteren Schriftsatz nach Akteneinsicht, die er hiermit beantrage, erfolgen. Mit Schriftsatz vom hat Rechtsanwalt Ho., der ihn in der Berufungsinstanz vertreten hatte, ebenfalls Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt und vorsorglich einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist gestellt. Mit Verfügung der Senatsvorsitzenden vom sind die Akten antragsgemäß an Rechtsanwalt H. und Kollegen zur Einsichtnahme übersandt worden; gleichzeitig ist die Beschwerdebegründungsfrist bis zum verlängert worden, worüber sowohl Rechtsanwalt Ho. als auch Rechtsanwalt H. unterrichtet worden sind. Mit Schriftsatz vom hat Rechtsanwalt Ho. "auf Weisung des Klägers, Berufungsklägers und Beschwerdeführers die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen". Am ist Rechtsanwalt H. von der Geschäftsstelle des Senats telefonisch über die Beschwerderücknahme informiert und gebeten worden, die zur Akteneinsicht überlassenen Akten an das BSG zurückzusenden; gleichzeitig ist ihm eine Abschrift des Schriftsatzes von Rechtsanwalt Ho. vom zur Kenntnisnahme übersandt worden. Mit Schriftsatz vom hat Rechtsanwalt H. die zur Einsicht überlassenen Akten an das Bundessozialgericht (BSG) zurückgesandt. Mit Schriftsatz vom hat er die Nichtzulassungsbeschwerde begründet und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerügt.

Auf den Hinweis des Berichterstatters vom , wonach dem BSG eine Beschwerderücknahme vorliege, hat Rechtsanwalt H. mit Schriftsatz vom ausgeführt, die Beschwerderücknahme sei durch den nicht bevollmächtigten Rechtsanwalt Ho. erfolgt. Dieser sei Prozessbevollmächtigter im Berufungsverfahren gewesen. Danach sei das Mandatsverhältnis erloschen. Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde von Rechtsanwalt Ho. sei daher ohne ordnungsgemäße Bevollmächtigung erfolgt. Das Urteil des LSG sei Rechtsanwalt Ho. am zugestellt worden; in dem beigefügten, an den Kläger gerichteten Schreiben vom habe Rechtsanwalt Ho. mitgeteilt, dass er ohne ausdrücklichen, schriftlichen Auftrag keine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde. Mit Schreiben vom habe der Kläger die Kanzlei H. mit der Prüfung der Erfolgsaussichten und Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sowie der Beschwerdebegründung beauftragt. Demgemäß sei mit Schriftsatz vom Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und eine entsprechende Prozessvollmacht vorgelegt worden. Nur diese Nichtzulassungsbeschwerde sei somit unter ordnungsgemäßer Bevollmächtigung erfolgt.

Mit Schreiben der Senatsvorsitzenden vom ist Rechtsanwalt H. darauf hingewiesen worden, dass sich die Beschwerde des Klägers durch die wirksame Rücknahmeerklärung von Rechtsanwalt Ho. erledigt haben dürfte. Innerhalb der gesetzten Frist bis Ende November 2008 hat sich Rechtsanwalt H. nicht geäußert.

II

Die Beschwerde hat sich durch die wirksame Rücknahmeerklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt Ho., vom erledigt. Dies folgt aus § 156 Abs 2 Satz 1 iVm §§ 165, 160a SGG ( B - SozR 3-1500 § 73 Nr 8 mwN). Danach bewirkt die Zurücknahme den Verlust des Rechtsmittels. Die Zurücknahme hat Rechtsanwalt Ho. als Prozessbevollmächtigter des Beschwerdeführers wirksam erklärt.

Dem steht nicht entgegen, dass der Mandatsvertrag von Rechtsanwalt Ho. bei Abgabe der Rücknahmeerklärung nach dem Vortrag des Beschwerdeführers bereits "erloschen" war. Selbst wenn Rechtsanwalt Ho. im Innenverhältnis zum Beschwerdeführer nicht mehr befugt gewesen sein sollte, für den Kläger Prozesserklärungen abzugeben, so galt er kraft der ihm ausweislich der Berufungsakten erteilten Prozessvollmacht (§ 73 Abs 2 SGG in der hier maßgeblichen, bis zum geltenden Fassung), die keine Beschränkung enthielt (vgl § 73 Abs 4 Satz 2 SGG aF), doch noch als dessen Prozessbevollmächtigter. Damit musste sich der Beschwerdeführer die Prozessführung - also auch die Zurücknahme der Beschwerde - durch Rechtsanwalt Ho. zurechnen lassen (§ 73 Abs 3 Satz 2 SGG aF). Seine Rücknahmeerklärung beschränkte sich auch nicht auf seine eigene Prozesserklärung, sondern betraf "die" Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 3-1500 § 156 Nr 1).

Auch unter Berücksichtigung des (zeitlich früheren) Schriftsatzes von Rechtsanwalt H. vom , mit dem dieser "namens und im Auftrag des Klägers und Beschwerdeführers" Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und - ohne Erwähnung von Rechtsanwalt Ho. - im Rubrum seine Kanzlei als prozessbevollmächtigt bezeichnet hat, ergibt sich nichts anderes. Damit war aber die Vollmacht von Rechtsanwalt Ho. nicht erloschen.

Wie der 8. Senat des BSG in seinem Beschluss vom (B 8 KN 11/00 U B - SozR 3-1500 § 73 Nr 8 mwN) ausgeführt hat, ordnet § 73 Abs 4 SGG aF für den Umfang und die Wirkung der Vollmacht die entsprechende Geltung der §§ 81, 84 bis 86 Zivilprozessordnung (ZPO) an. Gemäß § 84 Satz 1 ZPO besteht die Möglichkeit, mehrere Bevollmächtigte zur Vertretung der Partei zu ermächtigen. Wenn zwei Bevollmächtigte die Vertretung nicht gemeinsam wahrnehmen sollen, muss deshalb dem Gericht gegenüber eindeutig angezeigt werden, dass die zunächst erteilte Prozessvollmacht erloschen ist (BSG aaO). Denn eine Prozessvollmacht endet nicht ohne weiteres von selbst durch die Bestellung eines anderen Bevollmächtigten. Der Vollmachtgeber muss vielmehr dem Prozessbevollmächtigten das Mandat entziehen und dem Gericht von dem Erlöschen der Vollmacht Kenntnis geben. Die Kündigung einer Prozessvollmacht durch den Vollmachtgeber wird erst mit der entsprechenden Mitteilung an das Gericht wirksam (BSG aaO mwN). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.

Wie der 8. Senat in seiner Entscheidung ebenfalls bereits ausgeführt hat, gilt dies unbeschadet der Frage, ob und ggf in welchem Umfang § 87 Abs 1 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist. Danach erlangt die Kündigung des Vollmachtsvertrages in Anwaltsprozessen erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Selbst wenn § 87 Abs 1 ZPO auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG entsprechend angewandt würde (bejahend Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl, § 73 RdNr 17b; verneinend Zeihe, SGb 2001, 400, 401 f mwN), ergäbe sich daraus nicht, dass mit der Bestellung von Rechtsanwalt H. die Vollmacht von Rechtsanwalt Ho. erloschen und damit die Rücknahmeerklärung unwirksam gewesen wäre. Mit seinem Schriftsatz vom hat Rechtsanwalt H. zwar angezeigt, dass er namens und im Auftrag des Klägers und Beschwerdeführers Nichtzulassungsbeschwerde als dessen Prozessbevollmächtigter einlegt. Dem Schriftsatz lässt sich jedoch nicht der Wille entnehmen, dass die Vollmacht von Rechtsanwalt H. zum Erlöschen gekommen sein soll. Weder ist dies ausdrücklich ausgeführt noch den Umständen zu entnehmen. Er hat sich zwar im Rubrum seines Schriftsatzes als Prozessbevollmächtigten bezeichnet, er hat jedoch weder in diesem Schriftsatz noch anlässlich der mitgeteilten Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum klargestellt, dass er als neuer Prozessbevollmächtigter ausschließlich den Kläger im Prozess vertrete bzw Rechtsanwalt H. nicht mehr bevollmächtigt sei. Wegen der im Prozessrecht zu fordernden klaren Verhältnisse kann es auf späteres Vorbringen im Schriftsatz vom (hier: das angebliche Erlöschen bzw die Kündigung des Vollmachtsvertrages vor der Rücknahmeerklärung von Rechtsanwalt Ho: ...) nicht ankommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Fundstelle(n):
JAAAD-17871