Existenzgründereigenschaft einer GmbH & Co. KG ernstlich zweifelhaft
Gesetze: EStG § 7g Abs. 7, FGO § 69
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine GmbH & Co. KG, die im November 2003 gegründet wurde. Einzige Kommanditistin ist Frau B; sie ist zugleich einzige Gesellschafterin der nicht am Vermögen der Antragstellerin beteiligten Komplementär-GmbH. B hat —unstreitig— in den fünf Jahren vor Gründung der Antragstellerin und der GmbH keine Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt.
In der Bilanz auf den bildete die Antragstellerin eine Rücklage i.S. des § 7g Abs. 3 EStG in seiner vor 2008 geltenden Fassung (EStG a.F.) in Höhe von 26 420 € für die geplante Anschaffung eines Kraftfahrzeugs. Die Rücklage wurde auch noch zum Ende des Streitjahres 2007 bilanziert.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) war der Ansicht, die Rücklage müsse nach § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. im Streitjahr aufgelöst werden, weil die Antragstellerin keine Existenzgründerin i.S. des § 7g Abs. 7 EStG sei. Das FA erhöhte den Gewinn deshalb um den Rücklagebetrag zuzüglich eines Aufschlags nach § 7g Abs. 5 EStG a.F. von 3 170,40 €. Gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2007 und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2007 vom hat die Antragstellerin Einspruch erhoben. Das Einspruchsverfahren ruht im Einverständnis der Beteiligten.
Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der beiden angefochtenen Bescheide lehnte das FA ab. Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) gab dem Aussetzungsbegehren jedoch mit Beschluss vom 6 V 6161/08 statt.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, das FG habe eine eigene materiell-rechtliche Prüfung des Streitfalls zu Unrecht unterlassen. Es bestünden angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts keine ernstlichen Zweifel daran, dass eine GmbH & Co. KG nicht Existenzgründerin i.S. des § 7g Abs. 7 EStG a.F. sein könne. Der Anwendungsbereich des § 7g EStG als Subventionsnorm dürfe nicht über die vom Gesetzgeber bewusst gezogenen Grenzen hinaus ausgedehnt werden (, BFHE 221, 136, BStBl II 2008, 817). Dies müsse auch für den Kreis der Anspruchsberechtigten gelten.
Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben.
Die Antragstellerin hat keine Stellungnahme zu der Beschwerde abgegeben.
II. Die Beschwerde ist statthaft, aber nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen für eine AdV bejaht.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen.
a) Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. , BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. , BFHE 183, 174, m.w.N.).
Im Beschwerdeverfahren hat der BFH das Begehren auf AdV eigenständig zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen (vgl. z.B. , BFH/NV 1988, 374).
b) Die Beschwerde ist statthaft, weil das FG sie zugelassen hat. Die Gründe der Zulassung hat der BFH nicht zu überprüfen. Er ist —abgesehen von Fällen greifbarer Gesetzwidrigkeit— an die Zulassung gebunden (, BFHE 120, 26, BStBl II 1976, 774).
Die Zulassung steht im Übrigen, wie das FG selbst erkennt, in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Großen Senats des (BFHE 124, 130, BStBl II 1978, 229), wonach im Rahmen einer Beschwerde gegen einen Beschluss betreffend AdV auch Zweifel in Bezug auf erst im Hauptsacheverfahren zu klärende Rechtsfragen geltend gemacht werden können (ebenso z.B. , BFH/NV 1987, 813). Deshalb muss das FG bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO auch die Klärungsbedürftigkeit der im Hauptsacheverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen berücksichtigen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 191). Die Beschwerdeentscheidung des BFH wird die betreffende Frage nicht klären, sondern nur zum Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids aufgrund der betreffenden Rechtsfrage Stellung nehmen.
c) Die Beschwerde ist unbegründet, weil in Übereinstimmung mit der Auffassung des FG ernstliche Zweifel daran bestehen, ob eine GmbH & Co. KG auch dann nicht Existenzgründerin i.S. des § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 EStG a.F. sein kann, wenn alle Kommanditisten und alle Gesellschafter der auf ihre Haftungsrolle beschränkten Komplementär-GmbH die Voraussetzungen eines Existenzgründers i.S. des § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F. erfüllen. Die ernstlichen Zweifel folgen bereits aus den einander widersprechenden Entscheidungen des Hessischen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2005, 686, rechtskräftig) und des (EFG 2008, 841, Revision anhängig unter IV R 16/08). Deshalb hat das FG in der angefochtenen Entscheidung ebenso wie das (EFG 2008, 1018) zu Recht ernstliche Zweifel in rechtlicher Hinsicht bejaht und die AdV angeordnet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1068 Nr. 20
BFH/NV 2009 S. 760 Nr. 5
VAAAD-16000