BGH Urteil v. - 4 StR 594/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 55; StGB § 185

Instanzenzug: LG Landau in der Pfalz, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, wegen Beleidigung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Verleumdung in zwei tateinheitlichen Fällen und mit Verleumdung in drei tateinheitlichen Fällen, sowie wegen Beleidigung in zwei Fällen, jeweils begangen in zwei tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB getroffen.

Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft umfassend die Verletzung materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie, dass die Strafkammer den Angeklagten im Fall II 2 b der Urteilsgründe nicht wegen tätlicher Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB, verurteilt hat, und dass von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB abgesehen wurde. Der Angeklagte rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts; er wendet sich vor allem gegen die Verurteilung wegen Körperverletzung und wegen Beleidigungen sowie gegen den Strafausspruch.

I.

Revision der Staatsanwaltschaft

1.

Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Strafkammer den Angeklagten im Fall II 2 b der Urteilsgründe nicht wegen tätlicher Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB, verurteilt hat.

a)

Nach den insoweit getroffenen Feststellungen zeigte der Angeklagte dem Zeugen P. , einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes, seine Missachtung dadurch, dass er ein einem starken Ausatmen mit nahezu geschlossenem Mund ähnliches Geräusch machte, wodurch zugleich, was er zumindest billigend in Kauf nahm, Speichel in Form einer Art "Sprühregens" aus etwa 20 cm Abstand im Gesicht des Zeugen auftraf.

Dieses Verhalten stellt eine unmittelbar spürbare körperliche Einwirkung auf das Opfer dar, aus der sich zugleich dessen Geringschätzung ergibt. Es erfüllt daher den Tatbestand der tätlichen Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1991, 240, 241 ; vgl. auch Hilgendorf in LK-StGB 11. Aufl. § 185 Rdn. 15; Regge in MünchKomm StGB § 185 Rdn. 38; Lenckner in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 185 Rdn. 18; Fischer StGB 56. Aufl. § 185 Rdn. 18).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

b)

Die Änderung des Schuldspruchs zwingt hier nicht zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Monat Freiheitsstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei einer der Schuldspruchänderung entsprechenden Subsumtion des Geschehens auf eine höhere Einzelstrafe erkannt hätte, und zwar auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Landgericht für die weiteren Beleidigungstaten unter Zugrundelegung des Strafrahmens der ersten Alternative des § 185 StGB ebenfalls Einzelstrafen von einem Monat verhängt hat. Diese Taten weisen gegenüber dem Fall II 2 b der Urteilsgründe erschwerende Umstände auf: In den Fällen 4 und 7 hat sich der Angeklagte jeweils der Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht; der Fall 5 ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beleidigung nicht wie hier spontan, sondern im Rahmen einer schriftlich erstatteten Strafanzeige begangen wurde.

2.

Mit Erfolg beanstandet die Staatsanwaltschaft ferner, dass das Landgericht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung abgesehen hat, weil es den Regelungsgehalt des § 55 Abs. 1 StGB verkannt hat.

a)

Nach dieser Vorschrift ist eine nachträgliche Gesamtstrafe dann zu bilden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Der Angeklagte ist vor der Verurteilung im vorliegenden Verfahren bereits mehrfach verurteilt worden, unter anderem durch die Urteile des Amtsgerichts Landau vom , , und sowie das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen vom . Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, sind diese Verurteilungen noch nicht erledigt. Bis auf die Taten vom und aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom wurden sämtliche diesen Verfahren zu Grunde liegenden Taten vor der Verurteilung durch das Urteil des Amtsgerichts Landau vom begangen und sind daher mit den in jenem Urteil verhängten Strafen gesamtstrafenfähig.

Die für den Fall II 1 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe ist mit den für die beiden vorgenannten Taten aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom erkannten Strafen gesamtstrafenfähig, da die Tat am - also vor diesem Urteil - begangen worden ist. Aus den übrigen sechs vom Landgericht Landau verhängten Einzelstrafen ist eine weitere Gesamtstrafe zu bilden. Die Verurteilung durch das Amtsgericht Ludwigshafen vom kann deswegen keine Zäsurwirkung entfalten, weil die ihr zu Grunde liegenden Taten vor dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom begangen worden sind, sodass insofern eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Einer Vorverurteilung kommt dann keine Zäsurwirkung zu, wenn sämtliche in ihr abgeurteilten Taten schon in eine frühere Vorverurteilung einzubeziehen sind (; vgl. auch Fischer aaO § 55 Rdn. 12).

b)

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu verfahren. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung obliegt somit dem nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO zuständigen Gericht.

3.

Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revision der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler aufgedeckt.

II.

Revision des Angeklagten

Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch und zu den (Einzel-) Strafaussprüchen keinen Erfolg. Soweit - wie vorstehend dargestellt - eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unterblieben ist, stellt dies einen auch auf die Revision des Angeklagten zu berücksichtigenden Rechtsfehler dar.

III.

Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revisionen kann der Senat die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel nach § 473 Abs. 1, 2 und 4 StPO selbst treffen (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 b Satz 1 Entscheidung 2).

Fundstelle(n):
OAAAD-15882

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