BGH Urteil v. - IX ZR 73/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 540 Abs. 1; ZPO § 547; ZPO § 562 Abs. 1; ZPO § 563 Abs. 1; BRAGO § 3 Abs. 3; RVG § 3a Abs. 2

Instanzenzug: OLG Hamm, 28 U 71/07 vom LG Essen, 18 O 310/04 vom

Tatbestand

und

Gründe

I.

Der Kläger beauftragte die beklagten Rechtsanwälte mit seiner Vertretung in einer strafrechtlichen Angelegenheit. Die Parteien vereinbarten ein Pauschalhonorar von 10.000 EUR. Der Kläger zahlte an die beklagten Rechtsanwälte 9.000 EUR. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt er die teilweise Rückzahlung dieses Betrages. Das Berufungsgericht hat die Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 2.333,33 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Schlussantrag weiter.

II.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung, weil es weder einen Tatbestand noch eine Bezugnahme gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO enthält und außerdem weder den Klageantrag noch die Berufungsanträge ausweist oder auch nur erkennen lässt (§ 547 Nr. 6 ZPO). Das Berufungsgericht zitiert statt dessen § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach es des Tatbestandes (im Falle des § 540 ZPO also: der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen) nicht bedarf, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Richtig ist, dass die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist, wenn der Wert mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision jedoch zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Damit war § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzuwenden. Fehlende Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO stellen einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt (BGHZ 154, 99, 101 ; 156, 216, 220 ; , NJW 2007, 2334, 2335 Rn. 5 ff).

Fehlen die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorgeschriebenen Feststellungen, kann eine Aufhebung und Zurückverweisung dann unterbleiben, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen sowie das Rechtsschutzziel der Parteien hinreichend deutlich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt. Vorliegend ist dies nicht der Fall. Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, welchen Betrag der Kläger zurückverlangt. Ebenso wenig wird mitgeteilt, in welchem Umfang die Klage in erster Instanz Erfolg hatte und welcher Betrag in der Berufungsinstanz noch im Streit war. Das genügt den Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht. Das angefochtene Urteil enthält keine tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Revisionsgericht ist weder verpflichtet noch auch nur berechtigt, den entscheidungserheblichen Sachverhalt und die in den Vorinstanzen gestellten Anträge selbst aus den Akten zu ermitteln.

III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die neue Verhandlung und Entscheidung wird auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen: Vereinbart ein Rechtsanwalt bei Strafverteidigungen eine Vergütung, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie unangemessen hoch und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO (jetzt: § 3a Abs. 2 RVG) verletzt ist (BGHZ 162, 98 ff). Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken, sieht der Senat derzeit nicht. Klärungsbedarf besteht jedoch noch hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen der Anwalt die tatsächliche Vermutung der Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung erschüttern kann. An den sehr hohen Anforderungen der Leitentscheidung BGHZ 162, 98 ff ("ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände") kann möglicherweise nicht in vollem Umfang festgehalten werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
RAAAD-15398

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein