Leitsatz
[1] Zur haftungsrechtlichen Zuordnung eines Schadens, der dem Bauherrn aufgrund der amtspflichtwidrigen Aufhebung einer Baugenehmigung dadurch entstanden ist, dass der vom Bauherrn beauftragte Bauunternehmer von einem für diesen Fall eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht und den vertraglich zugesagten "pauschalen Schadensersatz" verlangt hat.
Gesetze: BGB § 839 Abs. 1; GG Art. 34
Instanzenzug: OLG Koblenz, 1 U 1210/07 vom LG Trier, 11 O 221/06 vom
Tatbestand
Die Klägerin ist aus übergegangenem Recht Inhaberin einer Baugenehmigung, die 2002 zur Errichtung von jeweils einem Photovoltaik Modulträger an zwei Windkraftanlagen in der Gemarkung Z. erteilt wurde.
Die Klägerin hatte am mit der Firma K. einen Vertrag über das Bauvorhaben "Photovoltaik Modulträger an Windkraftanlage in Windpark Z. " geschlossen. In § 1 des Vertrages erklärte die Klägerin, dass die benötigten Baugenehmigungen "rechtskräftig und frei von Widersprüchen" vorlägen. § 6 hatte in den hier maßgeblichen Teilen folgenden Wortlaut:
"Im Bereich des benannten Vorhabens haben diverse rechtliche Hindernisse zu Verzögerungen bei der Ausführung der existenten WKA geführt. Auch Nachbarschaftseinwendungen sind möglich. Daher werden in dieser Frage und der damit einhergehend möglichen Kostenrisiken präventiv folgende Regelungen getroffen.
1.
...
2.
Im Falle behördlicher Eingriffe in die Genehmigung oder erschwerter behördlicher Auflagen hinsichtlich der Bauausführung hat der DL (zwischen der Baubeginnsanzeige durch den BH () bis zum Baubeginn der Modulträger das Recht mit sofortiger Wirkung vom Vertrag zurückzutreten, wenn Erkenntnisse oder Ereignisse die Umsetzung verzögern oder zu verzögern drohen. Der DL hat eine Klärung über den Rechtsweg nicht abzuwarten, da dessen Ausgang ungewiss und zeitlich unbestimmt ist.
3.
Im Falle des Rücktritts des DL gemäß § 6 Abs. 2 ist BH zu einem pauschalen Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro verpflichtet, der die entgangene Auftragsannahme durch den DL in Erwartung der hindernisfreien Ausführung der rechtskräftigen Baugenehmigung des hier gegenständlichen Vorhabens eingeplant hat und in der Folge auf die Auftragsannahme dritter Projekte im Jahresendgeschäft verzichtet hat.
4.
... "
Am zeigte die Klägerin den zum beabsichtigten Baubeginn dem beklagten Landkreis an. Ohne Anhörung hob dieser am die Baugenehmigung auf und forderte die Klägerin auf, Antragsunterlagen zur Durchführung eines Verfahrens nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz vorzulegen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am Widerspruch ein. Nachdem die Firma K. von der Klägerin über die Aufhebung der Baugenehmigung in Kenntnis gesetzt worden war, erklärte diese mit Schreiben vom den Rücktritt von dem Vertrag mit der Klägerin und forderte sie unter dem zur Zahlung von 5.000 EUR auf. Mit Bescheid vom hob der beklagte Landkreis seine Aufhebungsverfügung vom wieder auf.
Mit der Klage macht die Klägerin Schadensersatz in Höhe des an die Firma K. bezahlten Betrages in Höhe von 5.000 EUR geltend.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Gründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Es liege eine Verletzung der dem Schutz der Klägerin dienenden Amtspflichten durch die Beklagte vor. Der hier geltend gemachte Schaden sei aber nicht vom Schutzbereich der Amtspflicht umfasst. Die Klägerin mache einen Schaden geltend, welcher infolge einer frei vereinbarten vertraglichen Verpflichtung gegenüber einem von ihr beauftragten Unternehmer entstanden sei. Diese weiche vom gesetzlichen Haftungsleitbild des Einstehenmüssens für Leistungsstörungen oder Pflichtverletzungen bei der Durchführung eines (Werk-)Vertrages so erheblich ab, dass sie nicht mehr vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst sei.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.000 EUR gegen den beklagten Landkreis nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
1.
Das Berufungsgericht hat die Verletzung einer dem Schutz des Vermögens der Klägerin dienenden Amtspflicht durch den beklagten Landkreis bejaht. Dies nimmt die Revisionsklägerin als für sich günstig hin.
2.
Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch durch den bei der Klägerin eingetretenen Vermögensnachteil in Form der Belastung mit der Verbindlichkeit gegenüber der Firma K. ein Schaden entstanden, der vom Schutzzweck der hier verletzten Amtspflicht umfasst ist und deswegen im Wege des Amtshaftungsanspruchs vom beklagten Landkreis ersetzt verlangt werden kann.
a)
Der Schutzzweck dient der inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Amtshaftung. Der Ersatzanspruch hängt dementsprechend davon ab, dass gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden sollte (Senatsurteil BGHZ 125, 258, 269) . Dabei ist, soweit begünstigende Verwaltungsakte wie die Baugenehmigung in Rede stehen, auf das Vertrauen abzustellen, das die Maßnahme begründen soll (Senatsurteil vom - III ZR 259/01 - NVwZ 2003, 376, 377) .
Für die Baugenehmigung hat der Senat ausgeführt, dass die zuständige Behörde auf die Interessen des Bauherrn Rücksicht zu nehmen hat, als sie ihm nicht ohne ausreichende rechtliche Grundlage deren Erteilung verweigern darf. Darüber hinaus fällt mit ihrer Erteilung das bis dahin bestehende Bauverbot und der Bauherr ist nunmehr befugt, mit dem Bauen entsprechend der Genehmigung zu beginnen. Es wird deshalb für ihn mit der Baugenehmigung ein Vertrauenstatbestand geschaffen, dass er nunmehr davon ausgehen darf, dass der der Baugenehmigung entsprechenden Durchführung seines Bauvorhabens (öffentlich-)rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen und er dementsprechend wirtschaftlich disponieren kann (Senatsurteile BGHZ 60, 112, 116 f ; 105, 52, 54 f ; 109, 380, 394 ; 134, 268, 276 f ; 144, 394, 396 f ). Zwar geht der Schutzzweck der im Baugenehmigungsverfahren wahrzunehmenden Pflicht nicht dahin, den Bauherrn vor allen denkbaren wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, die ihm bei der Verwirklichung seines Bauvorhabens erwachsen können. Die Baugenehmigung ist aber ausreichende Vertrauensgrundlage für den Bauherrn, unmittelbar mit der Verwirklichung des konkreten Bauvorhabens zu beginnen und zu diesem Zweck konkrete Aufwendungen für die Planung und Durchführung des Vorhabens zu tätigen (vgl. Senatsurteile BGHZ 134, 268, 277 ; vom - III ZR 28/93 - NJW 1994, 2087, 2091) . Das gilt jedenfalls in den Grenzen eines überschaubaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs (Senatsurteil BGHZ 134 aaO). Der Bauherr hat es aber nicht in der Hand, durch eine besondere Vertragsgestaltung den Schutzbereich der Amtspflichten der Bauaufsichtsbehörde uferlos dahin zu erweitern, dass jedes beliebige Vermögensinteresse darunter fällt (Senatsurteil BGHZ 125, 258, 269 f) .
Der Schutzzweck der Amtspflichten, eine erteilte Baugenehmigung nicht zu Unrecht zurückzunehmen, korrespondiert dabei als belastender Verwaltungsakt mit der Reichweite des Vertrauens, den die zurückgenommene Genehmigung für den Bauherrn begründet hat.
b)
Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht den Schutzzweck der Amtspflichten des beklagten Landkreises zu eng gezogen. Der Umstand, dass die als Schaden geltend gemachte Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten ihre Grundlage in einer von den dispositiven Normen des Werkvertragsrechts (§§ 631 ff, insbesondere §§ 642 ff BGB) abweichenden Vereinbarung findet, rechtfertigt es für sich allein nicht, sie nicht mehr als von der Vertrauensgrundlage der Baugenehmigung umfasst anzusehen. Der Schutzzweck der Amtspflichten der für die Erteilung und die Rücknahme einer Baugenehmigung zuständigen Behörde ist nicht darauf begrenzt, dass nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen sind, die der Erfüllung allein unmittelbar aus dem Gesetz abzuleitender Forderungen gegen den Bauherrn als Geschädigten dienen. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass die Parteien eines Schuldverhältnisses bis auf die Grenzen zwingender Vorschriften in großem Umfang den beiderseitigen Interessen bei der Vertragsdurchführung Rechnung tragen können, in dem sie gerade in Abweichung von der gesetzlichen Regelung Ansprüche zwischen ihnen begründen oder ausschließen. Deshalb ist ausgehend von der Vertrauensgrundlage, die durch die später rechtswidrig aufgehobene Baugenehmigung begründet wurde, in den Mittelpunkt zu rücken, ob die vom Geschädigten eingegangene Verpflichtung unmittelbar mit der Durchführung der beabsichtigten Baumaßnahme verbunden ist; ist dies zu bejahen, so ist der zur Erfüllung dieser Forderung aufgewendete Betrag grundsätzlich ersatzfähig. In Abgrenzung dazu sind insbesondere solche Forderungen aus Vereinbarungen nicht mehr vom Schutzzweck der Amtspflichten der Behörde umfasst, die mit Blick auf die bezügllich des konkreten Bauvorhabens bestehende Interessenlage der Vertragspartner nicht mehr nachvollziehbar sind, etwa weil sie der Kompensation von Nachteilen dienen, die bei anderen Bauvorhaben der Vertragsparteien entstanden sind. Allgemein kann gesagt werden, dass sich die schadensersatzpflichtige Körperschaft solche "schadensursächlichen" Vertragsabsprachen nicht entgegenhalten lassen muss, auf die sich ein wirtschaftlich denkender Vertragspartner auch unter Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite nicht einlassen würde. Ebenfalls sind solche Forderungen ausgeschlossen, die im Hinblick auf eine - als möglich erkannte -Amtspflichtverletzung begründet wurden, um für diesen Fall eine möglichst hohe Schadensersatzforderung geltend machen zu können.
c)
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Klägerin ein zu ersetzender Schaden in Höhe von 5.000 EUR durch die Belastung mit der Forderung der Firma K. nach deren Rücktritt vom Vertrag mit der Klägerin infolge der Aufhebung der Baugenehmigung durch den beklagten Landkreis entstanden ist. Es handelte sich um eine Aufwendung zur Ausführung des Bauvorhabens.
Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma K. war objektbezogen und diente der Verwirklichung des genehmigten Bauvorhabens; die hier konkrete Regelung war von den Vertragsparteien als Ausgleich der gegenseitigen Interessen vereinbart worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn Arbeiten an einem Grundstück des Bestellers auszuführen sind, es grundsätzlich Sache des Bestellers ist, dafür Sorge zu tragen, dass die für die Bauausführung erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen - wie z.B. die Baugenehmigung - vorliegen ( - NJW 2006, 3413, 3415 Rn. 33; MünchKommBGB/ Busche, 5. Aufl., § 642 Rn. 11; siehe auch vgl. § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B). Vor diesem Hintergrund entfernt sich die Vereinbarung der Vertragsparteien, die der Klägerin als dem Besteller des Werks auch das Risiko zuweist, dass die einmal erteilte Baugenehmigung bis zur Vollendung des Werks Bestand haben wird, jedenfalls nicht erheblich vom Leitbild des "typischen Bauvertrags". Eine derartige Klausel liegt auch nicht außerhalb der Interessenlage wirtschaftlich denkender Parteien.
Ob der Klägerin ein Verschulden als Voraussetzung möglicher gesetzlicher Haftungsnormen zur Last fiele, wenn die Baugenehmigung fehlte, beurteilte sich nach dem Verhältnis der Klägerin zum beklagten Landkreis, das für die Firma K. nicht ohne weiteres einsehbar und aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Komplexität nicht sicher zu beurteilen war. Zugleich setzt der Nachweis eines Gewinnentgangs die Offenlegung der eigenen Kalkulation voraus. Im Übrigen können auch insoweit für die für einen Schadenseintritt im Verhältnis zur Klägerin darlegungspflichtige Firma K. entstehen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die in § 6 Nr. 2 des Vertrags enthaltene Regelung, wonach sich der Auftragnehmer im Falle der Aufhebung der Baugenehmigung mit sofortiger Wirkung vom Vertrag lösen kann, nicht von vornherein als nicht mehr interessengerecht und damit sachfremd angesehen werden. Die Vertragspartner gingen, was auch im Wortlaut des Vertrags hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist, bei Vertragsschluss angesichts ihrer bei früheren Bauvorhaben gemachten Erfahrungen und unter Berücksichtigung der üblichen Verfahrensdauer in verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren davon aus, dass im Falle eines "behördlichen Eingriffs in die Genehmigung" die Klärung der Rechtslage längere Zeit in Anspruch nehmen wird. War aber zu vermuten, dass die Zeitspanne, innerhalb der dem Unternehmer ein weiteres Festhalten am Vertrag zugemutet werden kann (dabei mag ein Zeitraum von etwa drei Monaten angesetzt werden können, vgl. § 6 Nr. 7 VOB/B), bei weitem überschritten wird, ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin der Firma K. ein sofortiges Kündigungsrecht eingeräumt hat, wodurch für beide Vertragspartner umgehend Klarheit geschaffen werden konnte. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, dass für die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags oder auch bei Ausübung des Kündigungsrechts erkennbar war, dass der beklagte Landkreis bereits sechs Wochen später seine amtspflichtwidrige Verfügung wieder aufheben würde.
Auch die Höhe der vertraglich vereinbarten Zahlung in Höhe von 5.000 EUR bei einem Gesamtauftragsvolumen von 55.350 EUR lässt für sich keinen Schluss darauf zu, hier könnten andere, sachwidrige Gesichtspunkte eingeflossen sein, die keinen Bezug zur Ausführung des Bauvorhabens aufweisen. Das Berufungsgericht hat solche nicht festgestellt; diesbezügliche Rügen hat der Revisionsbeklagte nicht erhoben.
Daran ändert auch nichts, dass nach der Rechtsprechung des Senats das Provisionsinteresse in der Hand des Architekten des Grundstückseigentümers keinen inneren sachlichen Bezug zu den Amtspflichten der Bauaufsichtsbehörde bei Bearbeitung einer vom Architekten im eigenen Namen beantragten Bauvoranfrage aufweist (vgl. Senatsurteil BGHZ 125, 258, 269) . Hier geht es nicht um die Amtshaftungsansprüche des Auftragnehmers des Bauherrn, sondern um solche des Bauherrn selbst. Für ihn geht es aber nicht um das Provisionsinteresse seines Auftragnehmers. Für ihn stellt sich vielmehr die Verbindlichkeit als eine sein Vermögen mindernde Belastung aufgrund des zur Durchführung des Bauvorhabens geschlossenen Vertrages dar.
3.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da sie entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1207 Nr. 17
BAAAD-14041
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja