Leitsatz
Die Ausübung des Letztentscheidungsrechts durch die oberste Dienstbehörde setzt die ordnungsgemäße Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens voraus.
Gesetze: MVPersVG § 60 Abs. 1; MVPersVG § 68 Abs. 1
Instanzenzug: OVG Mecklenburg-Vorpommern, 8 L 120/07 vom VG Greifswald, 7 A 2129/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 87 Abs. 2 MVPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1.
Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Antragsteller wollen geklärt wissen, ob die Ausübung des Letztentscheidungsrechts der obersten Dienstbehörde bei Abordnungen auch dann zulässig ist, wenn im Mitbestimmungsverfahren eine ordnungsgemäße Unterrichtung der Personalvertretungen nicht erfolgt ist, der Personalrat, die Stufenvertretung und die Einigungsstelle dies gerügt und ihre Zustimmungsverweigerung darauf gestützt haben. Diese Rechtsfrage bedarf nicht der Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren, weil ihre Beantwortung offenkundig ist (vgl. zu diesem Maßstab bei der Beurteilung der Grundsatzrüge: BVerwG 6 PB 7.08 - Buchholz 250 § 55 BPersVG Nr. 4 Rn. 2 m.w.N.).
Gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 10 MVPersVG sind Abordnungen für die Dauer von mehr als 3 Monaten mitbestimmungspflichtig. Sind davon wie im vorliegenden Fall Beamte oder Angestellte in Beamtenfunktionen betroffen (§ 64 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 Nr. 1 MVPersVG), so gilt das Modell der eingeschränkten Mitbestimmung: Kommt es zwischen der entscheidungsbefugten Dienststelle und der zur Beteiligung berufenen Personalvertretung nicht zu einer Einigung, so schließen sich in der Landesverwaltung nach Maßgabe von § 62 Abs. 3 bis 5 MVPersVG das Stufenverfahren und sodann das Verfahren vor der Einigungsstelle an. Diese spricht eine Empfehlung gegenüber der obersten Dienstbehörde aus, die sodann endgültig entscheidet (§ 64 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 MVPersVG).
Das in Personalangelegenheiten der hier in Rede stehenden Art kraft Verfassung und Gesetz gegebene Letztentscheidungsrecht der obersten Dienstbehörde ist in seinem Bestand unabhängig davon, ob das vorausgegangene Mitbestimmungsverfahren in jeder Beziehung rechtmäßig verlaufen ist oder ob es unter Rechtsfehlern leidet. Insbesondere gewinnt in solchen Fällen der auf die Bedeutung einer Empfehlung zurückgenommene Beschluss der Einigungsstelle nicht den Charakter einer verbindlichen Entscheidung (§ 64 Abs. 3 Satz 3 MVPersVG). Dies ist in den Angelegenheiten nach § 64 Abs. 3 Satz 4 MVPersVG von vornherein ausgeschlossen. Dies sehen im Ergebnis auch die Antragsteller so.
Andererseits macht das Gesetz die Ausübung des Letztentscheidungsrechts und die Durchführung der beschlossenen Maßnahmen von der ordnungsgemäßen Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens abhängig (s. § 67 Abs. 3 Satz 1 MVPersVG). Es liegt auf der Hand, dass die oberste Dienstbehörde über die fragliche Angelegenheit nicht entscheiden darf, bevor die gesetzlich vorgesehenen Stationen des Mitbestimmungsverfahrens durchlaufen wurden. Zu einem ordnungsgemäßen Mitbestimmungsverfahren gehört die vollständige Unterrichtung des Personalrats nach § 60 Abs. 1 MVPersVG, weil dieser sonst seine Aufgabe, die Beschäftigteninteressen zu wahren, nicht erfüllen kann (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 22.84 - BVerwGE 78, 65 <69> = Buchholz 251.0 § 69 BaWüPersVG Nr. 1 S. 4 und vom - BVerwG 6 P 29.91 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 83 S. 109). Die beschriebenen rechtlichen Zusammenhänge sind selbstverständlich, wie die Antragsteller auf S. 7 ihrer Beschwerdebegründung zutreffend bemerken. Demnach muss die oberste Dienstbehörde die Ausübung ihres Letztentscheidungsrechts vorerst zurückstellen, wenn sie selbst erkennt, dass im bisherigen Mitbestimmungsverfahren - also auch im Verfahren vor der Einigungsstelle - eine vollständige Unterrichtung über die mitbestimmungspflichtige Maßnahme noch nicht stattgefunden hat; in einem solchen Fall ist die benötigte Information unter Fortgang des Einigungsstellenverfahrens zunächst nachzuholen. Die Befugnis zu Eilmaßnahmen, die auch bei kurzfristig sicherzustellender Unterrichtsversorgung in Betracht kommen können, bleibt unberührt (§ 62 Abs. 9 MVPersVG).
Ist die oberste Dienstbehörde dagegen der Auffassung, dass die Personalvertretung jedenfalls bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens ordnungsgemäß unterrichtet wurde, so wird sie von ihrem Letztentscheidungsrecht Gebrauch machen können. Daran ist sie nicht deswegen gehindert, weil Personalvertretung oder Einigungsstelle anderer Auffassung sind. Deren Beurteilung, die gegebenen Informationen seien unzureichend, bindet die oberste Dienstbehörde ebenso wenig wie der Beschluss der Einigungsstelle selbst, welcher in den hier in Rede stehenden Angelegenheiten bloß empfehlenden Charakter hat. Bei dieser Sachlage kann die Personalvertretung allerdings gerichtlich klären lassen, ob ihr Mitbestimmungsrecht durch die Letztentscheidung wegen unzureichender Unterrichtung im vorausgegangenen Mitbestimmungsverfahren verletzt wurde (s. § 87 Abs. 1 Nr. 10 MVPersVG). Maßgeblich bleibt also letztlich stets die objektive Rechtslage.
Wie bereits das Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zutreffend bemerkt hat, ist es der Personalvertretung auch unabhängig von der Ausübung des Letztentscheidungsrechts durch die oberste Dienstbehörde unbenommen, bei Streit über Art und Umfang der zu erteilenden Informationen das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren einzuleiten (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 21.92 - BVerwGE 95, 73 = Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 15 und vom - BVerwG 6 P 5.01 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 17 = PersR 2002, 201). Die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bindet die zuständige Dienststelle in Bezug auf die aktuellen bzw. vergleichbaren künftigen Maßnahmen. Solange dem Informationsanspruch der Personalvertretung in dem gerichtlich beschriebenen Umfang nicht Rechnung getragen wurde, hat eine endgültige Entscheidung über die beabsichtigte Maßnahme zu unterbleiben.
2.
Fehlt es somit an der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage, so kann auf sich beruhen, ob die Grundsatzrüge auch an fehlender Entscheidungserheblichkeit scheitert, wozu den Antragstellern durch den Senat vorsorglich rechtliches Gehör gewährt wurde. Die nur für diesen Fall im Schriftsatz vom erhobene Gehörsrüge nebst Wiedereinsetzungsgesuch fiel daher nicht zur Entscheidung an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAD-14030