BFH Beschluss v. - I B 60/08

Einkünfte nach dem Kassenstaatsprinzip sind im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen

Gesetze: EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3, DBA USA Art. 19, DBA USA Art. 23 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2003) im Inland wohnten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und freiberufliche Einkünfte. Der Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger und bezog als Mitarbeiter des US-amerikanischen Generalkonsulats Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die aus einer öffentlichen Kasse der USA ausbezahlt wurden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) unterwarf die Einkünfte des Klägers zwar nicht der deutschen Einkommensteuer; jedoch berücksichtigte er sie im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) bei der Bemessung des Steuersatzes. Die dagegen gerichtete Klage hat das abgewiesen; das FG-Urteil wurde den Klägern am zugestellt.

Gegen das FG-Urteil haben die Kläger mit per Telefax am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schriftsatz ihres Rechtsanwalts Nichtzulassungsbeschwerde erhoben; ein Blatt mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten wurde dabei nicht übermittelt. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Ihre Nichtzulassungsbeschwerde stützen sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Die Kläger beantragen, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die unterbliebene Übermittlung eines vom Prozessbevollmächtigten der Kläger unterzeichneten Beschwerdeschriftsatzes innerhalb der Beschwerdefrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zur Folge hat oder ob dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO stattzugeben wäre. Denn jedenfalls ist die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb unzulässig, weil die Kläger entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht hinreichend dargetan haben.

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall klärungsfähig sein muss. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen; ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (Senatsbeschluss vom I B 88/07, BFH/NV 2008, 577, m.w.N.).

b) Diesen Maßgaben wird die Beschwerdebegründung der Kläger nicht gerecht. Die Kläger möchten in erster Linie geklärt wissen, ob —wie das FG meint— der in Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Vermeidung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom (BGBl II 1991, 354) —DBA-USA 1989— normierte Progressionsvorbehalt, nach dem die Bundesrepublik Deutschland das Recht behält, die nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 von der Besteuerung in Deutschland ausgenommenen Einkünfte hier ansässiger Personen bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen, auch die streitgegenständlichen, nach dem sog. Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA 1989 von der Besteuerung in Deutschland befreiten Einkünfte des Klägers aus der öffentlichen Kasse in den USA umfasst.

Die Kläger befassen sich indes nicht hinreichend mit der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage. Diese ist auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats zu verneinen. Danach ist nämlich die Anwendung des Progressionsvorbehalts des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung nicht auf die Fälle beschränkt, in denen eine Steuerfreistellung auf dem so genannten Methodenartikel des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens —im Streitfall Art. 23 DBA-USA 1989— beruht. Vielmehr gilt der Progressionsvorbehalt —soweit das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbietet— auch für Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfen und damit bereits durch die so genannte Zuteilungsnorm —hier: Art. 19 DBA-USA 1989— im Wohnsitzstaat freigestellt sind (, BFHE 197, 495, BStBl II 2003, 302; vom I R 40/01, BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660; vom I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260; Senatsbeschluss vom I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; zustimmend z.B. Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 32b EStG Rz 25; Blümich/Wied, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32b EStG Rz 50; ablehnend z.B. Vogel in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 5. Aufl., Art. 23 Rz 41, 213 f.; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 32b Rz 112a).

Soweit die Kläger Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1989 als in der Weise abschließende Regelung auslegen, dass in anderen als den dort geregelten Fällen die Berufung der Bundesrepublik Deutschland auf den Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 abkommensrechtlich verboten sei, hat der Senat ein solches Verständnis dieser Vorschrift in seinem Urteil in BFHE 197, 495, BStBl II 2003, 302 (Gliederungspunkt II.5.b) abgelehnt. Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander; insbesondere befassen sich die Kläger insoweit weder mit der Stellung des Methodenartikels in der abkommensrechtlichen Systematik noch mit dem Verhältnis zwischen den abkommensrechtlichen und den innerstaatlichen Regelungen zum Progressionsvorbehalt.

Der Hinweis auf § 2 der Abgabenordnung (AO), den die Kläger (unter Bezugnahme auf Grotherr in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 23 DBA-USA Rz 23) gegen die Senatsrechtsprechung ins Feld führen, ist kein gewichtiger Einwand, mit dem sich der Senat bislang nicht befasst hat. § 2 AO regelt allgemein den Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen über die Besteuerung —zu denen die Doppelbesteuerungsabkommen gehören— vor den innerstaatlichen Steuergesetzen. Der Senat hat Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1989 jedoch in seinem Urteil in BFHE 197, 495, BStBl II 2003, 302 als deklaratorische Regelung charakterisiert, so dass es nicht darauf ankommt, ob § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 ausdrücklich ein „treaty overriding” enthält. Auch hiermit befasst sich die Beschwerdebegründung nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 769 Nr. 5
AAAAD-13924