Keine Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens
Gesetze: FGO § 76 Abs. 1, FGO § 96 Abs. 1, FGO § 108
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Reisebüro. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. November bis 31. Oktober. In ihrer Bilanz zum hatte sie eine Ansparrücklage gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 249 810 DM steuermindernd berücksichtigt. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2000 ist bestandskräftig. Die Rücklage war nach Angaben der Klägerin gebildet worden, weil sie beabsichtigte, weitere Filialen zu eröffnen. Nach einer Außenprüfung berücksichtigte der Beklagte, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die für das Jahr 2001 gebildete Ansparrücklage nicht mehr, da er der Auffassung war, es handle sich um eine wesentliche Erweiterung eines bestehenden Betriebes. Nach dem (BStBl I 2004, 1063) könne in diesem Fall eine Rücklage nur gebildet werden, wenn die Wirtschaftsgüter bis zum Ende des Jahres verbindlich bestellt seien.
Das FA beanstandete des Weiteren eine Rückstellung wegen nicht genommenen Urlaubs der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer. Weitere Feststellungen hierzu hat das Finanzgericht (FG) nicht getroffen.
Das FG gab der Klage hinsichtlich der Rückstellungen wegen nicht genommenen Urlaubs der Geschäftsführer statt. Es führte insoweit aus, das FA habe übersehen, dass die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes für Organe einer Kapitalgesellschaft nicht gelten. Der Senat gehe aufgrund der Darlegungen der Klägerin davon aus, dass aus betrieblichen Gründen der Urlaub von den beiden Geschäftsführern nicht genommen worden sei. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Das FA beantragte nach Zustellung des Urteils die Berichtigung des Urteils nach § 108 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Ergänzung des Tatbestandes um folgenden Satz: „Nachdem sie die Bilanz zum am beim Finanzamt eingereicht hatte, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom , angeblich nicht genommene Urlaubstage der Gesellschafter-Geschäftsführer (87 Tage Herr G, 116 Tage Frau O) gewinnmindernd zu berücksichtigen.”
Das FG lehnte diesen Antrag als unbegründet ab.
FA und Klägerin beantragen, die Revision zuzulassen.
Beide sind der Auffassung, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO); zudem beruhe das Urteil auf Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG hat seinem Urteil nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde gelegt und damit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen.
a) Eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zu Grunde legt, der schriftlich festgehaltenem Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt geblieben ist (vgl. , BFH/NV 2000, 1355, m.w.N.).
b) Das FG hat den Tatbestandsberichtigungsantrag des FA mit der Begründung abgelehnt, der vorgetragene Sachverhalt sei weder in den beiden im Verfahren eingereichten Schriftsätzen vom und vom vorgetragen noch nachweislich der Niederschriften über die Erörterung der Streitsache am und dem sowie ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom vorgetragen oder problematisiert worden. Auch aus der Betriebsprüfungsakte könne der vorgetragene Sachverhalt nicht entnommen werden.
c) Angesichts dieser Begründung ist davon auszugehen, dass das Urteil auf einer Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO beruht.
aa) Im Schriftsatz vom an das FG führt das FA aus, dass in der ursprünglich eingereichten Steuerbilanz des Jahres 2001 nur Rückstellungen wegen von den Gesellschafter-Geschäftsführern nicht in Anspruch genommenen Urlaubs für 20 Tage (Herr G) sowie 19 Tage (Frau O) gebildet worden seien und die Klägerin erstmals mit Schreiben vom Aufstellungen über angeblich nicht genommene Urlaubstagstage der beiden Geschäftsführer übersandt habe. Danach solle O 116 und G 87 Tage Urlaub nicht genommen haben. Auch in der Einspruchsentscheidung ist ausgeführt, dass die Klägerin im Wege der Bilanzberichtigung eine Erhöhung der Urlaubsrückstellung für nicht genommenen Urlaub der Gesellschafter-Geschäftsführer beantragt habe. Die Klägerin ist diesem Vorbringen im Klageverfahren nicht entgegengetreten. Aus ihren Äußerungen im Klageverfahren ergibt sich vielmehr, dass die Schilderung des Sachverhalts durch das FA zutreffend war.
bb) Das FG hat dieses Vorbringen, das sich zudem leicht anhand der Steuerakten verifizieren lässt, offenbar nicht zur Kenntnis genommen und damit seine Würdigung nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gestützt.
cc) Das Urteil des FG kann auf dem Verfahrensfehler beruhen, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil des FG anders ausgefallen wäre, wenn das FG zur Kenntnis genommen hätte, dass die Klägerin erst nachträglich im Wege der Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 EStG) die ursprünglich gebildete Rückstellung für weitere 163 Tage nicht genommenen Urlaubs ihrer Geschäftsführer erhöht hat. Zum einen hätte es geprüft, ob und inwieweit angesichts der Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt die , BFHE 218, 221, BStBl II 2007, 818, und vom I R 40/07, BFHE 220, 361, BStBl II 2008, 669) überhaupt die Rückstellungen im Wege der Bilanzberichtigung hätten erhöht werden dürfen. Des Weiteren hätte es den Vortrag der Klägerin zu diesem Streitpunkt angesichts dessen, dass die Urlaubsansprüche über Jahre hinweg nicht geltend gemacht wurden, möglicherweise anders gewürdigt. Zumindest hätte es zuvor Ermittlungen (§ 76 Abs. 1 FGO) angestellt, ob die Anstellungsverträge mit den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern zeitnahe Vereinbarungen darüber enthalten, wie viel Urlaub den Geschäftsführern zusteht und welcher Verjährung diese Urlaubsansprüche ggf. unterlagen.
2. Da bereits die Beschwerde des FA zum Erfolg führt, bedarf es keiner Ausführungen, ob auch die Beschwerde der Klägerin erfolgreich gewesen wäre. Da die Sache an das FG zurückverwiesen wird, kann es sich insbesondere mit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage beschäftigen, ob und inwieweit die Ansparrücklage im Wege der Bilanzberichtigung im Streitjahr 2001 unter Berücksichtigung der angeführten Senatsrechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriff korrigiert werden durfte.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 787 Nr. 5
GAAAD-13922