BGH Urteil v. - I ZR 12/06

Leitsatz

[1] a) Die Vorschrift des § 437 HGB greift grundsätzlich nur dann ein, wenn auf den Hauptfrachtvertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt, da sich die Ersatzpflicht des ausführenden Frachtführers am Verhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer und nicht an den vertraglichen Beziehungen des Letzteren zum ausführenden Frachtführer orientiert.

b) Dem Empfänger des Transportgutes können bei Verlust oder Beschädigung des Gutes gegen den (ausführenden) Unterfrachtführer aus dem mit dem Hauptfrachtführer geschlossenen Unterfrachtvertrag eigene Schadensersatzansprüche zustehen (Aufgabe von BGHZ 116, 15 [zu Art. 34 CMR] und Fortführung von BGHZ 172, 330).

Gesetze: HGB § 425 Abs. 1; HGB § 435; HGB § 437 Abs. 1; EGBGB Art. 27

Instanzenzug: OLG Düsseldorf, 18 U 71/05 vom LG Düsseldorf, 35 O 181/00 vom

Tatbestand

Die Klägerin ist Transportversicherer der P. AG in W. -H. (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagten wegen Verlustes von Transportgut aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten sind Gesellschaften eines internationalen Paketbeförderungsunternehmens; die Beklagte zu 1 hat ihren Sitz in Taiwan, die Beklagte zu 2 in Deutschland.

Die Versicherungsnehmerin bestellte am bei der J & A Inc. in T. (im Weiteren: J & A Inc.) 1.914 Speicherchips zum Preis von 70 US-Dollar je Stück. Die J & A Inc. übergab der Beklagten zu 1 noch am selben Tag die in zwei Paketen verpackte Ware und beauftragte sie mit deren Beförderung zur Versicherungsnehmerin. Ausweislich des von der Beklagten zu 1 ausgestellten Frachtbriefs waren in dem ersten Paket 1.000 und in dem zweiten Paket 914 "computerparts" enthalten. Die Beklagte zu 1 beförderte beide Pakete per Luftfracht zum Flughafen Köln/Bonn. Dort übernahm die Beklagte zu 2 beide Pakete am zum Weitertransport zur Versicherungsnehmerin. Das Paket mit 1.000 Speicherchips kam bei der Versicherungsnehmerin an, das zweite Paket ging während des Landtransports zur Versicherungsnehmerin verloren.

Die Klägerin hat behauptet, in dem abhanden gekommenen Paket hätten sich die restlichen 914 der von der Versicherungsnehmerin bestellten Speicherchips befunden. Sie habe an die Versicherungsnehmerin für den Verlust im Februar 2000 einen Betrag von 126.776,14 DM (= 64.819,61 EUR) gezahlt. Die J & A Inc. habe die ihr aus dem Transportschaden zustehenden Ansprüche an die Versicherungsnehmerin abgetreten, die diese Ansprüche wiederum an sie, die Klägerin, abgetreten habe. Die Ansprüche der Versicherungsnehmerin als Empfängerin seien gemäß § 67 Abs. 1 VVG a.F. auf sie übergegangen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 64.820,63 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagten haben geltend gemacht, die gegen sie gerichteten Ansprüche beurteilten sich nach taiwanesischem Recht. Gemäß § 639 des taiwanesischen Zivilgesetzbuchs sei eine Haftung der Beklagten zu 1 ausgeschlossen, weil nach dieser Vorschrift der Frachtführer bei Verlust von Wertgegenständen - um solche handele es sich bei den Speicherchips - nicht hafte, wenn der Versender den Wert der Warensendung - wie im vorliegenden Fall - nicht deklariert habe. Auf diesen Haftungsausschluss könne sich auch die Beklagte zu 2 berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der beanspruchten Zinsen stattgegeben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 schulde der Klägerin wegen des Verlusts des Pakets gemäß § 425 Abs. 1 HGB Schadensersatz in der beanspruchten Höhe. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 ergebe sich aus § 437 Abs. 1 HGB. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Auf den Streitfall komme deutsches Recht zur Anwendung. Der zwischen der J & A Inc. und der Beklagten zu 1 abgeschlossene Hauptfrachtvertrag unterliege zwar an sich dem taiwanesischen Recht. Die Parteien hätten jedoch zu Beginn des Rechtsstreits nachträglich gemäß Art. 27 EGBGB die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Der zwischen den Beklagten geschlossene Unterfrachtvertrag beurteile sich nach deutschem Recht.

Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der §§ 425, 437 HGB seien erfüllt. Die Beklagten könnten sich nicht auf gesetzliche oder in ihren Beförderungsbedingungen vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, weil die Beklagte zu 2, für deren vertragswidriges Verhalten die Beklagte zu 1 einstehen müsse, den Verlust des Pakets leichtfertig i.S. von § 435 HGB verursacht habe. Für die Höhe des behaupteten Schadens streite aufgrund der Gesamtumstände des Falles ein Anscheinsbeweis.

Ein Mitverschulden der J & A Inc. wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens komme nicht in Betracht. Es müsse davon ausgegangen werden, dass in den der Beklagten zu 1 von der J & A Inc. übergebenen Versanddokumenten der Kaufpreis der Warensendung ausgewiesen gewesen sei, weil die Beklagten diese Information für die Verzollung des Gutes benötigten. Dadurch habe der Frachtführer in ausreichendem Maße Kenntnis über den tatsächlichen Wert der Warensendung erlangt.

II.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 173, 57 Tz. 21 - Cambridge Institute), folgt aus § 39 ZPO, weil die Beklagte zu 1 in erster Instanz zur Sache verhandelt hat, ohne die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu rügen (vgl. BGHZ 120, 334, 337 ; 134, 127, 132 ff. ).

2.

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, auf den zwischen der J & A Inc. und der Beklagten zu 1 geschlossenen Hauptfrachtvertrag komme deutsches Landfrachtrecht zur Anwendung.

a)

Das Berufungsgericht hat vom Ansatz her allerdings zutreffend angenommen, dass der Hauptfrachtvertrag grundsätzlich dem taiwanesischen Recht unterliegt. Da die J & A Inc. und die Beklagte zu 1 bei Abschluss des Hauptfrachtvertrags keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Vertrag nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird bei Güterbeförderungsverträgen vermutet, dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort befindet. Die Beklagte zu 1 hat ihren Hauptsitz in T. /Taiwan. Dort wurde das Gut auch zum Transport nach Deutschland verladen. Aus den Gesamtumständen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Vertrag mit einem anderen Staat als Taiwan engere Verbindungen aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB).

b)

Das Berufungsgericht hat den Hauptfrachtvertrag dennoch dem deutschen Sachrecht unterworfen, weil die Parteien des Rechtsstreits nachträglich, nämlich zu Beginn des Rechtsstreits, gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB eine Rechtswahl dahingehend getroffen hätten, dass der Rechtsstreit nach deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Es hat seine Beurteilung darauf gestützt, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche in der Klageschrift mit Bestimmungen des deutschen Frachtrechts (§ 425 Abs. 1, § 437 Abs. 1 HGB) begründet habe und die Beklagten in der Klageerwiderung - soweit frachtrechtliche Einwände erhoben worden seien - zu ihrer Verteidigung ausschließlich Vorschriften des deutschen Frachtrechts (betreffend die Verjährung und die Haftungsbeschränkungen) angeführt hätten. Dieses Verhalten der Parteien im Prozess hat das Berufungsgericht als eine stillschweigende Vereinbarung deutschen Rechts gewertet, weil die Parteien dadurch dem Gericht gegenüber zum Ausdruck gebracht hätten, dass der Rechtsstreit nach deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Diese Rechtswahl hätten die Beklagten später nicht mehr einseitig widerrufen können.

c)

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten nachträglich stillschweigend die Geltung deutschen Rechts vereinbart, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa)

Die Beurteilung der Frage, ob die Parteien zu Beginn des Rechtsstreits nachträglich gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB im Wege der Individualvereinbarung eine stillschweigende Rechtswahl - eine ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung macht auch die Klägerin nicht geltend - getroffen haben, ist Gegenstand tatrichterlicher Auslegung und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar. Der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob das Berufungsgericht seiner Auslegung die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe zugrunde gelegt hat, ob es den Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt und ob es die indizielle Bedeutung der in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte erkannt hat (, NJW-RR 1997, 686, 687; Urt. v. - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003; Urt. v. - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 206, 208). Bei der Auslegung von Individualvereinbarungen nach §§ 133, 157 BGB ist der Tatrichter insbesondere gehalten, alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend zu würdigen und die Interessenlage beider Seiten ausreichend zu berücksichtigen (vgl. , NJW 2000, 2508, 2509 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Auslegung des Prozessverhaltens der Beklagten durch das Berufungsgericht nicht gerecht.

bb)

Zwar kann es für die Annahme einer nachträglichen konkludenten Rechtswahl ausreichen, wenn die Parteien im Prozess deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1004 ; , TranspR 2004, 369, 371 = VersR 2005, 811). Für eine die ursprünglich geltende Rechtsordnung abändernde Rechtswahl bedarf es aber eines dahingehenden beiderseitigen Gestaltungswillens (vgl. , NJW 1991, 1292, 1293).

Im Streitfall haben die Parteien zwar in erster Instanz anfangs nur unter Hinweis auf deutsche Rechtsvorschriften vorgetragen. Bereits in ihrem Schriftsatz vom haben die Beklagten jedoch darauf hingewiesen, dass die Sendung der Beklagten zu 1 in Taiwan zum Transport übergeben worden sei, was zur Folge habe, dass von ihr nicht verlangt werden könne, zum Lauf der Sendung substantiiert vorzutragen, weil es eine derartige Einlassungsobliegenheit nach der Rechtsprechung in Taiwan nicht gebe. Mit Schriftsatz vom haben die Beklagten sich ausdrücklich darauf berufen, dass auf den Hauptfrachtvertrag ausschließlich taiwanesisches Recht zur Anwendung komme. Bis zum Schriftsatz der Beklagten vom war die Frage des anwendbaren Rechts nicht Gegenstand des Vortrags der Parteien.

Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass sich die Beklagten mit einer Änderung der ursprünglich für den Hauptfrachtvertrag geltenden Rechtsordnung einverstanden erklärt haben. Beide Parteien des Hauptfrachtvertrags haben ihren Sitz in Taiwan. Der Verladeort war gleichfalls in Taiwan. Es entsprach daher nicht den Interessen der Beklagten zu 1, sich bei dieser Sachlage auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Hauptfrachtvertrag einzulassen, das nach ihrem Vortrag für sie wesentlich ungünstiger als das taiwanesische ist.

Da somit nach Art. 28 Abs. 1 und 4 Satz 1 EGBGB auf den Hauptfrachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu 1 taiwanesisches Recht anzuwenden ist, richtet sich sowohl die Frage, ob der Absenderin und/oder der Empfängerin wegen des Verlusts des Pakets vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 zustehen, als auch die Beurteilung, ob gegebenenfalls ein Mitverschulden der Absenderin zu berücksichtigen ist, nach taiwanesischem Recht (zur Bestimmung des auf die Abtretung und den gesetzlichen Forderungsübergang anwendbaren Rechts vgl. Art. 33 EGBGB).

3.

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 2 für den streitgegenständlichen Verlust gemäß § 437 Abs. 1 Satz 1 HGB bejaht hat, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.

a)

Die Vorschrift des § 437 HGB greift nur dann ein, wenn auf den Hauptfrachtvertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt. Nach den Darlegungen unter II 2 unterliegt der Hauptfrachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu 1 jedoch dem taiwanesischen Recht. Zwar kommt auf den zwischen den Beklagten geschlossenen Unterfrachtvertrag nach Art. 28 Abs. 1 und 4 EGBGB deutsches Frachtrecht zur Anwendung, da die Beklagte zu 2 ihre Hauptniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland hat und dort auch das in Verlust geratene Paket zum Weitertransport zur Versicherungsnehmerin übernommen hat. Die Ersatzpflicht des ausführenden Frachtführers nach § 437 HGB orientiert sich jedoch stets am Verhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer und nicht an den vertraglichen Beziehungen des Letzteren zum ausführenden Frachtführer (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Transportsrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 75; Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 437 HGB Rdn. 32; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 437 HGB Rdn. 16; Seyffert, Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen deutschen Frachtrecht, 2000, S. 165 f.; Ramming, TranspR 2000, 277, 279 f.). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach der ausführende Frachtführer "in gleicher Weise wie der Frachtführer" haftet. Damit wird nicht allgemein auf die Frachtführerhaftung Bezug genommen, sondern maßgebend ist die Rechtsstellung des den Frachtvertrag mit dem Absender schließenden Frachtführers. Dementsprechend ist der ausführende Frachtführer nach § 437 Abs. 2 HGB auch berechtigt, alle Einwendungen aus dem Vertrag mit dem Hauptfrachtführer geltend zu machen.

Das Vertragsverhältnis zwischen dem ausführenden Frachtführer und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer ist dagegen für die Haftung gemäß § 437 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich ohne Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, dass zwischen beiden überhaupt eine (wirksame) vertragliche Beziehung besteht; es können auch beliebig viele Unterfrachtführer zwischengeschaltet sein (vgl. Koller Transportrecht aaO § 437 HGB Rdn. 16; Ramming, TranspR 2000, 277, 279). Daraus ergibt sich, dass § 437 HGB nicht zur Anwendung kommt, wenn für das Vertragsverhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen Frachtführer - wie im Streitfall - kein deutsches Recht gilt (so auch Ramming, TranspR 2000, 277, 280; Ebenroth/Boujong/Joost/Gass, HGB, § 437 Rdn. 19).

b)

Als Grundlage für eine Haftung der Beklagten zu 2 kommt jedoch ein auf die Klägerin übergegangener oder abgetretener (vertraglicher) Schadensersatzanspruch der Empfängerin gegen die Beklagte zu 2 aus dem Unterfrachtvertrag in Betracht. Insoweit gilt deutsches Recht.

aa)

Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit angenommen, dass dem Empfänger gegen den Unterfrachtführer, der nicht nachfolgender Frachtführer ist (§ 432 Abs. 2 HGB, Art. 34 CMR), wegen des Verlusts oder der Beschädigung des dem Hauptfrachtführer vom Absender zur Beförderung übergebenen Gutes keine Schadensersatzansprüche zustehen (vgl. nur , TranspR 1988, 108, 111; BGHZ 116, 15, 17 ff.) . Die Entscheidungen sind zwar auf der Grundlage des Haftungsregimes der CMR ergangen; sie beziehen sich aber stets auch ausdrücklich auf die Rechtslage nach dem Handelsgesetzbuch a.F. Danach konnte der Empfänger gemäß § 435 HGB a.F. (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR) grundsätzlich nur im Rahmen des Frachtvertrags zwischen dem Absender und dem Hauptfrachtführer Ersatzansprüche wegen Beschädigung oder Verlust des Gutes geltend machen. Der Unterfrachtführer sollte dem Empfänger dagegen nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 432 Abs. 2 HGB a.F. (Art. 34 CMR) zum Schadensersatz verpflichtet sein.

bb)

Diese Rechtsprechung hat der Senat für den Bereich des Warschauer Abkommens (1955) und der CMR mit Urteil vom (BGHZ 172, 330 Tz. 26 ff.) aufgegeben. Nach erneuter Prüfung hält der Senat auch für den Bereich des Handelsgesetzbuches nicht mehr an ihr fest. Der Hauptfrachtführer, der einen Beförderungsauftrag selbst nicht (vollständig) ausführt, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung einen anderen Frachtführer, den Unterfrachtführer, mit einer in den Anwendungsbereich der §§ 407 ff. HGB fallenden Beförderung beauftragt, schließt mit diesem einen selbständigen (Unter-)Frachtvertrag ab (vgl. BGHZ 172, 330 Tz. 30). Der Unterfrachtführer haftet dem Hauptfrachtführer als Absender nach den Haftungsvorschriften der §§ 425 ff. HGB. Trifft aber den Unterfrachtführer dem Hauptfrachtführer gegenüber die volle Frachtführerhaftung, so gibt es keinen sachgerechten Grund, seine Haftung gegenüber dem Empfänger als Drittbegünstigten des Unterfrachtvertrags auszuschließen (BGHZ 172, 330 Tz. 30).

cc)

Der vom Gesetzgeber mit der Transportrechtsreform geschaffene - im Streitfall nicht anwendbare - § 437 HGB steht einem solchen vertraglichen Anspruch des Empfängers gegen den Unterfrachtführer nicht als lex specialis entgegen, weil die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger aus einem anderen Rechtsverhältnis folgt. Während der ausführende Frachtführer nach Maßgabe des (Haupt-)Frachtvertrags zwischen dem Absender und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer haftet (s. dazu unter II 3 a), richtet sich die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger allein nach dem den Empfänger begünstigenden Unterfrachtvertrag (vgl. BGHZ 172, 330 Tz. 30). Dementsprechend kann der Unterfrachtführer gegenüber dem Empfänger, der ihn nach §§ 437, 421 Abs. 1 Satz 2 HGB in Anspruch nimmt, nur die Einwendungen aus dem Hauptfrachtvertrag geltend machen (§ 437 Abs. 2 HGB), während er bei einer Inanspruchnahme aus dem Unterfrachtvertrag seiner Haftung Einwendungen aus dem von ihm mit dem Hauptfrachtführer geschlossenen Beförderungsvertrag entgegenhalten kann. Beide Ansprüche können daher, wenn deutsches Recht zur Anwendung kommt, nebeneinander bestehen (so auch Thume, TranspR 2007, 427, 428; Ramming, NJW 2008, 291, 292).

Ob der Beklagten zu 2 aus dem mit der Beklagten zu 1 geschlossenen Unterfrachtvertrag Einwendungen zustehen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu klären haben.

III.

Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
DB 2009 S. 1461 Nr. 27
NJW 2009 S. 1205 Nr. 17
RIW 2009 S. 245 Nr. 4
OAAAD-13484

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja