BSG Urteil v. - B 5 R 112/08 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB VI § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3

Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen, L 2 R 415/07 vom SG Braunschweig, S 13 RA 252/03 vom

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die der Klägerin bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung mit dem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 oder mit einem Zugangsfaktor von 0,943 - das bedeutet einen "Abschlag" von 5,7 % - zu berechnen ist.

Die am 1944 geborene Klägerin bezieht seit dem eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Laut Anlage 6 des Bescheids vom wurde der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,057 (19 Kalendermonate x 0,003) auf 0,943 vermindert; der Rentenberechnung wurden dementsprechend an Stelle von 31,9790 persönlichen Entgeltpunkten (EP) nur 30,1562 EP zu Grunde gelegt. Dies hatte eine Absenkung der Rente um 5,7 % zur Folge, wodurch sich zu Rentenbeginn ein monatlicher Zahlbetrag von 779,84 Euro (brutto) ergab. Zugleich wurde im Versicherungsverlauf eine Zurechnungszeit von insgesamt 18 Monaten vom Eintritt der Erwerbsminderung am bis einschließlich November 2003 berücksichtigt. Ihren Widerspruch, mit dem sie die Berücksichtigung des ungeminderten Zugangsfaktors von 1,0 begehrte, lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom ab.

Demgegenüber hat das Sozialgericht Braunschweig (SG) mit Urteil vom die Beklagte verpflichtet, die der Klägerin gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung vom bis ohne Anwendung der Vorschrift des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu zahlen und die weitergehende Klage auf Zahlung der Rente ohne Anwendung dieser Vorschrift über den hinaus abgewiesen. Zur Begründung hat das SG unter Bezugnahme auf das - BSGE 96, 209 = SozR 4-2600 § 77 Nr 3) ausgeführt, dass die Zeit des Rentenbezugs vor Ablauf des Kalendermonats November 2005 nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme iS des § 77 Abs 2 SGB VI gelte. Abzustellen sei nicht auf die Vollendung des 60. Lebensjahres, sondern auf die Vollendung des nach der Anlage 23 zum SGB VI maßgebenden Lebensalters. Dies betrage im Falle der Klägerin 61 Jahre und 5 Monate. Für die Zeit des Rentenbezugs ab habe die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0. Seit diesem Zeitpunkt nehme die Klägerin die Erwerbsminderungsrente vorzeitig in Anspruch. Die Absenkung des Zugangsfaktors für Zeiten der vorzeitigen Inanspruchnahme sei auch verfassungskonform.

Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil hat die Beklagte geltend gemacht, der Rechtsprechung des (aaO) sei nicht zu folgen. Abgesehen davon habe das SG auch diese Entscheidung nicht zutreffend umgesetzt. Rein rechnerisch sei das Alter aus der Anlage 23 zum SGB VI zutreffend ermittelt worden. Fehlerhaft sei jedoch, auf dieses Alter zur Ermittlung des Zeitraums abzustellen, in dem das Gesetz Abschläge vorsehe. Die Grundregel des § 77 Abs 2 SGB VI im Verständnis der Entscheidung des ergebe aber, dass Abschläge bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres vorzunehmen seien, im vorliegenden Fall also bereits ab .

Die Klägerin hat mit ihrer Anschlussberufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente ohne Kürzung des Zugangsfaktors über den hinaus geltend gemacht.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat mit Urteil vom unter Abänderung des Urteils des SG die Klage insgesamt abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 63 Abs 6, § 64 SGB VI ergebe sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten EP mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt würden. § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI bestimme den Zugangsfaktor. Danach sei dieser für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente gewesen seien, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, den eine Rente vor der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werde, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginne eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres sei die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Davon abweichend bestimme § 264c SGB VI, dass bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 zum SGB VI angegebenen Lebensalters maßgebend sei, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem beginne. Der Zugangsfaktor der am beginnenden Rente wegen voller Erwerbsminderung der im Juni 1944 geborenen Klägerin sei mithin für 19 Kalendermonate (Dezember 2005 bis Juni 2007) um 0,057 (19 x 0,003) auf den Betrag von 0,943 (1,0 - 0,057) zu mindern.

Der entgegenstehenden Rechtsauffassung des 4. Senats des (aaO), vermöge sich der Berufungssenat nicht anzuschließen. Nach dem klaren Wortlaut der Ausgangsregelung des § 77 Abs 1 SGB VI richte sich der Zugangsfaktor nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn. Damit habe der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass der Zugangsfaktor für die Rentenlaufzeit einheitlich zu bestimmen sei. Diesen Grundsatz lasse auch die Ausnahmebestimmung des § 77 Abs 2 Satz 2 SGB VI unberührt. Sie bestimme lediglich, dass für die Bestimmung des Zugangsfaktors die Vollendung des 60. Lebensjahres maßgebend sei, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginne. Damit habe der Gesetzgeber lediglich normiert, dass bei Erwerbsminderungsrenten der Zugangsfaktor nicht unter den Wert von 0,892 (= 1,0 - 0,003 x 36) sinken dürfe. Auch die teleologische Auslegung spreche dafür, dass in § 77 SGB VI Rentenabschläge in Folge der Reduzierung des Zugangsfaktors auch für Zeiten des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres geregelt seien. Um unangemessene Auswirkungen einer solchen Regelung auf Personen zu vermeiden, die schon frühzeitig erwerbsgemindert würden, sei die Zurechnungszeit verlängert worden. Die auf diesem Wege vom Gesetzgeber angestrebte Kompensation werde auch durch das wechselseitige Verhältnis der aufeinander abgestimmten Übergangsregelungen der §§ 253a und 264c SGB VI iVm der Anlage 23 zum SGB VI verdeutlicht. Die Auswirkungen der Regelung, die Erwerbsminderungsrenten um höchstens 10,8 % abzusenken, würden dadurch abgemildert, dass die Zeit zwischen dem vollendeten 55. und 60. Lebensjahr künftig voll als Zurechnungszeit angerechnet werde. Die Anschlussberufung der Klägerin sei unbegründet. Entgegen deren Rechtsauffassung sei § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI weder unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz noch wegen einer Verletzung des Eigentumsrechts verfassungswidrig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie sinngemäß eine Verletzung des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI rügt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Grundregel des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI werde von § 77 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB VI begrenzt. Danach sei der Zugangsfaktor nicht abzusenken, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres bzw des entsprechenden Referenzalters gemäß der Übergangsregelung des § 264c SGB VI iVm der Anlage 23 zum SGB VI beginne, welches im vorliegenden Fall auf 61 Jahre und 5 Monate festgelegt sei. Diese Rechtsauffassung werde durch das Urteil des 4. Senats des gestützt. Zu Recht habe das SG im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des 4. Senats im Hinblick auf die Übergangsregelung des § 264c SGB VI iVm der Anlage 23 zum SGB VI erweiternd ausgelegt und geurteilt, dass eine Verringerung des Zugangsfaktors bei der Erwerbsminderungsrente der Klägerin nicht angezeigt sei, bis sie das Alter von 61 Jahren und 5 Monaten erreicht habe. Entsprechend der Auslegung des 4. Senats des BSG sei nicht jeder Rentenbeginn maßgeblich für die Berechnung des Zugangsfaktors, sondern die Vollendung des 60. Lebensjahres, während die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Die vom LSG erwähnte Kompensation durch Aufstockung von Zurechnungszeiten könnten die Abschläge nicht ausgleichen, soweit die Beklagte bei Renten vor Vollendung des 60. Lebensjahres einen verminderten Zugangsfaktor berücksichtige. Im konkreten Fall müsse die Klägerin durch die Absenkung des Zugangsfaktors einen Verlust von 1,8228 EP hinnehmen. Dies entspreche zu Rentenbeginn am einem Bruttobetrag von 47,14 Euro, was eine Einbuße von 6,04 % bedeute.

Im Übrigen werde durch eine Verminderung des Zugangsfaktors in jedem Fall bzw spätestens nach Erreichen des 60. Lebensjahres oder des entsprechenden Referenzalters der Anlage 23 zum SGB VI in die Grundrechte aus Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) sowie Art 3 Abs 1 GG eingegriffen. Durch Renten wegen voller Erwerbsminderung werde das Risiko abgesichert, dass das Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden täglich gesunken sei. Das Rentenversicherungsrecht gewähre deshalb Versicherten mit einer vollen Erwerbsminderung eine volle Einkommensersatzleistung und berechne die Rente mit dem Rentenartfaktor 1,0 (§ 67 Nr 3 SGB VI). Es müsse also stets der volle Wert der Vorleistung bei der Rentenhöhe berücksichtigt werden, es sei denn, dass das Gesetz auf verfassungsgemäße Weise es ausnahmsweise erlaube, die Vorleistung teilweise unberücksichtigt zu lassen. Im Hinblick auf das Versicherungsziel der Erwerbsminderungsrente beziehe sie ihre volle Erwerbsminderungsrente im Vergleich zum "Normalrentner" nicht "vorzeitig". Das Risiko der Erwerbsminderung lasse sich nicht mit dem Erreichen einer Regelaltersgrenze verknüpfen, sondern könne jederzeit vor Erreichen der Altersgrenze eintreten. Außerdem werde die Gruppe der Erwerbsminderungsrentner mit der Gruppe der vorzeitigen Altersrentner im Hinblick auf den Zugangsfaktor in verfassungswidriger Weise gleich behandelt. Im Unterschied zu der Gruppe der Bezieher einer vorzeitigen Altersrente, die entsprechend der §§ 236 bis 237a SGB VI die Höhe ihres monatlichen Abschlags durch den Zeitpunkt des Rentenbeginns selbst bestimmen könnten, hätten Versicherte, die eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen wollten oder müssten, diese Möglichkeit nicht. Auch seien sie im Hinblick auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags in der Regel nicht frei, weil Bezieher von Kranken- oder Arbeitslosengeld unter Androhung des Entzugs der Leistung eine Frist gesetzt bekommen könnten, innerhalb derer sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilnahme am Arbeitsleben zu stellen hätten. Werde hiernach festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit aufgehoben sei, bleibe diesem Personenkreis nur noch der Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente mit dem entsprechenden Abschlag. Darüber hinaus gebe es für den Personenkreis der Erwerbsminderungsrentner keine Kompensationsmöglichkeit, wie sie zB bei der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters nach § 187a SGB VI durch Zahlung von Beiträgen möglich sei. Schließlich würden die Erwerbsminderungsrentner mit den Regelaltersrentnern ungleich behandelt, weil der Rentenabschlag dauerhaft sei, während die Regelaltersrentner auf Dauer eine ungekürzte Rente erhielten. Die Erwerbsminderungsrentner müssten darüber hinaus diese lebenslangen Abschläge auch dann in Kauf nehmen, wenn der Vorteil des längeren Rentenbezugs aufgebraucht sei.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom abzuändern sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verurteilen, ihr ab dem höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass sie keinen Anspruch auf höhere Rente hat. Darin liegt nach Überzeugung des Senats keine Grundrechtsverletzung.

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 bis 3 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.

Der Zugangsfaktor ist ein Berechnungselement der persönlichen EP, dessen Höhe in § 77 SGB VI näher geregelt ist, hier in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - BGBl I 1791; zur Gesetzesentwicklung Blüggel in Wannagat, SGB VI, § 77 RdNr 6 f, Stand 7/2007; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 77 SGB VI RdNr 1 ff, Stand 12/2005). Danach richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, ob die vom Versicherten während des Erwerbslebens erzielten EP in vollem Umfang oder nur zu einem Anteil bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche EP zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. So liegt der Fall bei der Klägerin. Sie bezieht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres, denn zum Zeitpunkt des Beginns der Rente am hatte die im Juni 1944 geborene Klägerin erst das 58. Lebensjahr vollendet (zur Auslegung des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenzahlbeginns Senatsurteil vom - B 5 RJ 15/04 R, zur Veröffentlichung bestimmt; BSG SozR 3-2600 § 71 Nr 2).

Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, so bestimmt § 77 Abs 2 Satz 2 SGB VI, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres für die "Bestimmung des Zugangsfaktors" maßgebend ist. Davon abweichend regelt § 264c SGB VI (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 754; zur Neufassung ab dem Art 1 Nr 72 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung = RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom , BGBl I 554), dass bei der Ermittlung des Zugangsfaktors an Stelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 zum SGB VI (in der bis geltenden Fassung; zur Aufhebung der Anlage 23 ab dem Art 1 Nr 83 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes) angegebenen Lebensalters maßgebend ist, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem beginnt. Die Voraussetzungen dieser Übergangsvorschrift liegen bei der Klägerin vor; entsprechend der Anlage 23 zum SGB VI und dem Rentenbeginn am hat die Beklagte bei der Absenkung des Zugangsfaktors 19 Monate berücksichtigt (vom zu unterstellenden Lebensalter von 61 Jahren und 5 Monaten bis zur Erreichung des 63. Lebensjahres) und deshalb einen Zugangsfaktor von 0,943 ermittelt. Gleichzeitig legte die Beklagte entsprechend § 253a SGB VI iVm der Anlage 23 zutreffend eine Zurechnungszeit von insgesamt 18 Monaten zu Grunde. Im Zeitpunkt der Erwerbsminderung hatte die Klägerin das 58. Lebensjahr bereits vollendet. Die übrige Zeit bis zur hypothetischen Vollendung des 60. Lebensjahres war nach Anlage 23 zu 37 Vierundfünfzigstel als Zurechnungszeit anzurechnen, das sind aufgerundet 18 Monate. Ohne die Übergangsregelung wären vom 6.2002 bis zum 6.2004 insgesamt 25 Monate zu berücksichtigen gewesen. Aufgrund des früheren Rechts hätte die Zurechnungszeit insgesamt nur 9 Monate betragen (§ 59 Abs 3 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung).

§ 77 Abs 2 Satz 2 SGB VI (ggf iVm § 264c SGB VI und der Anlage 23 zum SGB VI in der bis geltenden Fassung) ist als Berechnungsregel zur Umsetzung der allgemeinen Grundsätze zur Rentenhöhe iS des § 63 Abs 5 iVm § 64 Nr 1 SGB VI zu verstehen (so auch stellvertretend: Bredt, NZS 2007, 193; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 77 SGB VI RdNr 1, Stand 12/2005; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 77 SGB VI Anm 1, Stand 5/2005; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 77 RdNr 4, Stand 2/2002). Im Ergebnis ist der Zugangsfaktor bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres um maximal 0,108 zu mindern und somit auf mindestens 0,892 festzulegen. Dafür sprechen Wortlaut und systematische Stellung des § 77 SGB VI wie auch Sinn und Zweck, systematischer Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm.

Indem die Grundregel des § 77 Abs 1 SGB VI für die Rentenberechnung zum einen das Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder Tod für maßgebend erklärt und zum anderen das rechnerische Verhältnis zwischen EP und persönlichen EP festlegt, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass der Zugangsfaktor und somit die nach § 77 Abs 2, 3 SGB VI zu ermittelnden "Abschläge" oder "Zuschläge" für die gesamte Dauer des ununterbrochenen Rentenbezugs gelten sollen (vgl - Juris RdNr 281 ff; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 77 RdNr 10, Stand 2/2002; Blüggel in Wannagat, SGB, § 77 SGB VI RdNr 18, Stand 7/2007; Ohsmann/Stolz/Thiede, DAngVers 2003, 171). Falls dieselben EP einer weiteren Rente zu Grunde zu legen sind, ist durch § 77 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI eine erneute Ermittlung des Zugangsfaktors grundsätzlich ausgeschlossen (vgl auch § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI).

§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI bestimmt die Höhe des Zugangsfaktors für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Danach sinkt der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird. Ein Rentenbeginn nach dem 63. Lebensjahr hat somit keine Absenkung des Zugangsfaktors zur Folge. Ein sehr früher Rentenbeginn würde demgegenüber bei isolierter Anwendung des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI zu einer Absenkung des Zugangsfaktors auf null führen. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses ergänzt § 77 Abs 2 Satz 2 SGB VI die genannte Vorschrift dahingehend, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend sein soll, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bereits vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Bei jüngeren erwerbsgeminderten Versicherten wird hinsichtlich des Zugangsfaktors so getan, als habe der Versicherte das 60. Lebensjahr bereits vollendet. Entgegen der Grundregel des § 77 Abs 1 SGB VI, wonach sich der Zugangsfaktor nach dem (tatsächlichen) Alter des Versicherten bei Rentenbeginn bestimmt, ordnet das Gesetz eine Rentenberechnung unter der (fiktiven) Annahme an, der Versicherte habe das 60. Lebensjahr bereits vollendet, um auf diese Weise die Minderung des Zugangsfaktors entsprechend der 36 Monate zwischen dem vollendeten 60. und dem vollendeten 63. Lebensjahr auf maximal 36 x 0,003 = 0,108 zu begrenzen (so auch Ruland, NJW 2007, 2087; Mey, RVaktuell 2007, 46; Bredt, NZS 2007, 194; Blüggel in Wannagat, SGB, § 77 SGB VI RdNr 28, Stand 7/2007; Kreikebohm in BeckOK, § 77 SGB VI RdNr 5, Stand 9/2007; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 77 SGB VI Anm 3b, Stand 5/2005; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 77 RdNr 28, Stand 2/2002; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 77 SGB VI RdNr 16, Stand 12/2005; Polster in Kasseler Kommentar, § 77 SGB VI RdNr 12, Stand 9/2006). Eine zusätzliche Herabsetzung des Zugangsfaktors mit Rücksicht auf eine tatsächliche Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres ist ausgeschlossen. Dass es bei der Bezugnahme auf das 60. Lebensjahr des Versicherten um eine Fiktion für die Bestimmung des Zugangsfaktors und nicht etwa um die Festlegung des Beginns der Rentenminderung geht, wird insbesondere daran deutlich, dass dieselbe Vorschrift auch bei der Hinterbliebenenrente auf die Vollendung des 60. Lebensjahres abstellt, um die Höhe des Zugangsfaktors zu bestimmen. Andernfalls müsste dem Gesetz unterstellt werden, es wolle die Rentenhöhe für den Zeitraum regeln, nachdem der verstorbene Versicherte das genannte Lebensalter erreicht haben würde.

§ 77 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB VI dient für die aktuell zu berechnende Rente ausschließlich der Bestimmung eines einheitlichen Zugangsfaktors für die gesamte Zeit des Rentenbezugs und nicht etwa eines variablen Zugangsfaktors in Abhängigkeit von verschiedenen Bezugszeiträumen. Das auf einer möglichen "Vorzeitigkeit" der Rente wegen Erwerbsminderung beruhende gegenteilige Konzept des 4. Senats des BSG (BSGE 96, 209 = SozR 4-2600 § 77 Nr 3, jeweils RdNr 22 f) findet im Gesetz keine Stütze. Eine "vorzeitige" Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Sinne einer freien Entscheidung des Versicherten, vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu wollen, ist nicht möglich, da der Leistungsfall (Eintritt der Erwerbsminderung) in der Regel unabhängig vom Willen des Versicherten eintritt (vgl insoweit auch die Kritik des DGB und des VdK im Rahmen der 57. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am , Prot 14/57 S 18, 26). Streng genommen kann somit in Bezug auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht von einer vorzeitigen, sondern allenfalls von einer früheren oder späteren Inanspruchnahme gesprochen werden (in diesem Sinne auch Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, § 63 SGB VI Anm 6, Stand 12/2005). Dessen war sich der Gesetzgeber auch bewusst, wie nicht nur die Auseinandersetzung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (aaO) zeigt, sondern auch im Wortlaut des § 77 Abs 2 Satz 1 SGB VI zum Ausdruck kommt. Denn das Gesetz spricht von einer "vorzeitigen" Inanspruchnahme nur in Satz 1 Nr 2a, der sich ausschließlich auf Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres (ab : "Erreichen der Regelaltersgrenze"; vgl Art 1 Nr 23 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes) bezieht. Mit der Einführung des abgesenkten Zugangsfaktors auch bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom (BGBl I 1827) wurde der Begriff der "Vorzeitigkeit" in § 63 Abs 5 SGB VI gestrichen. Während vor dem eine Bezugnahme auf die "vorzeitige Inanspruchnahme ..." enthalten war, heißt es jetzt nur noch: "Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch einen Zugangsfaktor vermieden."

Dieses Ergebnis wird durch die Regelung des § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI nicht in Frage gestellt. Danach "gilt" die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme. Mit dieser Fiktion wird im Interesse des Versicherten eine Ausnahme von dem sich aus § 77 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs 3 Satz 1 SGB VI ergebenden Grundsatz geschaffen, dass ein früherer Zugangsfaktor auch für spätere Renten maßgeblich bleibt (ebenso Ruland, NJW 2007, 2087; Bredt, NZS 2007, 194; Mey, RVaktuell 2007, 46 f; Blüggel in Wannagat, SGB, § 77 SGB VI RdNr 30 ff, Stand 7/2007; Kreikebohm SGB VI, 2. Aufl 2003, § 77 RdNr 16; Polster in Kasseler Kommentar, § 77 SGB VI RdNr 21, Stand 9/2006; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 77 RdNr 47 mit Beispiel, Stand 2/2002; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 77 SGB VI RdNr 18 f mit Beispiel, Stand 12/2005). § 77 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI schließt eine (Neu-)Berechnung des Zugangsfaktors aus, soweit die EP des Versicherten bereits Grundlage von persönlichen EP einer Rente gewesen sind. Damit korrespondiert die in Abs 3 Satz 1 derselben Vorschrift angeordnete Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Berechnung einer Folgerente (vgl hierzu im Einzelnen Schmitz, LVA Rheinprovinz Mitteilungen 2003, 142 ff). Dadurch wird das gesetzgeberische Anliegen verwirklicht (vgl nochmals § 63 Abs 5 SGB VI), Rentenleistungen an jüngere Versicherte mit Rücksicht auf die längere Bezugszeit auch in denjenigen Fällen zu begrenzen, in denen eine Erwerbsminderungsrente mangels Besserung im Gesundheitszustand des Versicherten ohne Unterbrechung wiederholt zu bewilligen ist, weil sie gemäß § 102 Abs 2 SGB VI grundsätzlich längstens für drei Jahre und nicht auf Dauer gewährt werden darf; ohne die genannten Vorschriften wäre der Zugangsfaktor für jede Folgerente als eigenständiger Leistungsfall neu zu ermitteln (so auch Bredt, NZS 2007, 194).

Die Fiktion des § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI durchbricht die beschriebene "Perpetuierung" des Zugangsfaktors bei Rentenbezug aufgrund mehrerer aufeinander folgender Rentenbewilligungen für diejenigen Fälle, in denen ein früherer Rentenbezug endet, wenn der Versicherte also beispielsweise lediglich zwischen dem 42. und 44. Lebensjahr Rente bezieht, dann aber bis zum 65. Lebensjahr (oder darüber hinaus) wieder erwerbstätig ist. Obwohl die vor dem 42. Lebensjahr erworbenen EP anlässlich der früheren Rentenbewilligung mittels abgesenktem Zugangsfaktor zu persönlichen EP umgerechnet und der Rente zu Grunde gelegt worden waren, weil es sich um einen Rentenbezug vor dem 63. Lebensjahr gehandelt hatte, ist die Altersrente des Versicherten nach § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI so zu berechnen, als sei die frühere Rente nicht "vorzeitig" gewährt und infolgedessen auch nicht abgesenkt worden; infolgedessen bestimmt sich der Zugangsfaktor nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 bzw Nr 2 Buchst b SGB VI und nicht nach Abs 3. Schon nach dem Wortlaut des § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI ("gilt") wird der Rentenabschlag nicht auf die Zeit nach dem 60. Lebensjahr verschoben; vielmehr wird der frühere Bezug einer abgesenkten Rente als ungeschehen fingiert, um den nur vorübergehend erwerbsgeminderten Versicherten vor einem "immerwährenden Abschlag" zu schützen.

Gestützt wird dieses Normverständnis durch die Regelung des § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI. Danach wird der Zugangsfaktor für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht. Die Normierung dieses "Zuschlags" nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bei einem Zugangsfaktor "kleiner als 1,0" wäre sinnlos, hätte die gesetzgeberische Absicht tatsächlich darin bestanden, die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Rentenbezugszeiten ab dem 60. Lebensjahr zu beschränken (zutreffend Mey, RVaktuell 2007, 47).

Ein weiteres systematisches Argument hat der 13. Senat im Beschluss vom (B 13 R 9/08 S) aufgezeigt. Gleichzeitig mit dem RRErwerbG hat der Gesetzgeber einen Rentenabschlag bei der Alterssicherung für Landwirte eingeführt, der demjenigen in der allgemeinen Rentenversicherung entsprechen sollte (vgl BT-Drucks 14/4230 S 1 unter B 6, S 24 unter 6; BT-Drucks 14/4630 S 2 vor C). Da die Renten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ohne Zugangsfaktor berechnet werden, musste die Neuregelung anders formuliert werden als im SGB VI. Infolgedessen ordnete § 23 Abs 8 Satz 1 Nr 1 ALG in der bis zum geltenden Fassung eine Minderung des (dortigen) allgemeinen Rentenwerts um 0,3 % für jeden Kalendermonat an, für den eine Rente wegen Erwerbsminderung vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird; § 23 Abs 8 Satz 2 Halbsatz 1 ALG begrenzte den Abschlag (grundsätzlich) auf höchstens 10,8 %. Zwischen Rentenbezugszeiten vor und nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde dabei nicht unterschieden, sodass Erwerbsminderungsrenten nach dem ALG auch dann abzusenken sind, wenn sie vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten beginnen. Das muss infolgedessen auch im Rahmen von § 77 SGB VI gelten. Diese Vorschrift ist in diesem Punkt nicht anders zu verstehen als die Parallelregelung im ALG, nachdem die angeordnete Rentenkürzung in allen übrigen Punkten in beiden Bereichen gleich ist.

Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen die Auffassung, dass § 77 Abs 2 SGB VI die Minderung des Zugangsfaktors auch für Zeiten des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres regelt.

Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme von Renten wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres durch die Neufassung des § 77 SGB VI in Art 1 Nr 22 RRErwerbG vom (BGBl I 1827) ist Teil einer Gesamtstrategie, mit der in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten auf die demografische Entwicklung reagiert und die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung gesichert werden soll. Sie enthielt zunächst die Anhebung des Renteneintrittsalters und die Minderung des Zugangsfaktors für vorzeitige Altersrenten durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) und wurde mit einer nochmaligen Anhebung der regelmäßigen Altersgrenze durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom in jüngster Vergangenheit fortgeführt (BGBl I 554; vgl auch dessen Begründung, BT-Drucks 16/3794 S 1). Damit soll eine sozial angemessene und finanziell tragfähige Alterssicherungspolitik verwirklicht und ein wichtiger Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung geleistet werden (vgl Nationaler Strategiebericht Sozialschutz und soziale Eingliederung der Bundesregierung vom , BR-Drucks 583/06 S 33).

In dieses Gesamtkonzept fügt sich die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungs, Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten nur dann ohne gravierende Widersprüche ein, wenn sie auch in den Fällen angewandt wird, in denen der Leistungsfall vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten liegt. Die Höhe des Zugangsfaktors hängt seit 1992 bei den Altersrenten vom Zeitpunkt des Rentenbeginns ab, damit Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer vermieden werden (so der jetzige § 63 Abs 5 SGB VI; vgl auch Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 77 RdNr 26). Der Vorteil einer früheren Inanspruchnahme einer Rente liegt darin, dass die Summe der gezahlten Rentenleistungen (statistisch gesehen) höher ist als bei einem späteren Rentenbeginn, weil die Rentenlaufzeit (statistisch) insgesamt länger ist. Ein früher Renteneintritt bedeutet trotz der durch fehlende Beitragszeiten bedingten geringeren Rente eine Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft, die durch einen abgesenkten Zugangsfaktor begrenzt werden soll; dieser ist so bestimmt, dass der jeweilige Gesamtwert der lebenslangen Rente unabhängig vom Rentenbeginn im statistischen Durchschnitt gleich hoch ist (vgl Salthammer, DRV 2003, 613 ff; Ruland in GK-SGB VI, § 63 RdNr 53 f, Stand 9/2006). Denn die möglichst frühzeitige Inanspruchnahme einer Rente entspricht nicht dem eine Versicherung prägenden Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Eine wesentliche Durchbrechung dieses Äquivalenz- bzw Versicherungsprinzips lag im früheren Recht darin, dass Versicherte die Altersrente ohne Abschlag bis zu fünf Jahre vor der regulären Altersgrenze erhalten konnten und durch den (statistisch) verlängerten Rentenbezug die insgesamt zu zahlende Rentensumme beträchtlich erhöhten.

Unter dem Gesichtspunkt des Versicherungsprinzips gilt für die übrigen Rentenarten nichts anderes, soweit der Berechtigte die Rente (oder weitere Renten) durchgehend bis zu seinem Tode in Anspruch nimmt. Nachdem das Missverhältnis zwischen Beitrag und Leistung bei einem vorzeitigen Altersrentner zur Absenkung des Zugangsfaktors führte, war es im Grunde nur schwer verständlich, dass ein gleichaltriger Erwerbsminderungsrentner von jeglicher Kürzung verschont bleiben sollte, zumal bei erheblich gesenkten Altersrenten in der betroffenen Altersgruppe mit einer massiven Zunahme der Anträge auf Erwerbsminderungsrente zu rechnen war. Deshalb forderte der Bundesrat bei den Beratungen über das RRG 1992 die Bundesregierung zu einer Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten auf, "die zu einer sachgerechten und sozial ausgewogenen Risikoabgrenzung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung führt und gleichzeitig verhindert, dass die im RRG 1992 vorgesehene Heraufsetzung der Altersgrenzen unterlaufen wird" (BT-Drucks 11/4452 S 9 Nr 9). Sowohl der Äquivalenzgedanke als auch der Hinweis auf die Gefahr von Ausweichreaktionen finden sich in der Gesetzesbegründung zum RRErwerbG wieder (BT-Drucks 14/4230 S 26 zu Nr 16 und zu Nr 22). Die in allen Rentenarten vergleichbare Mehrbelastung durch einen frühen Renteneintritt würde allerdings eine völlige Angleichung des Zugangsfaktors der übrigen Rentenarten an denjenigen der Altersrente kaum rechtfertigen können. Denn die Altersrente darf erst ab einem bestimmten Mindestalter in Anspruch genommen werden, während die anderen Renten schon in sehr jungen Jahren beginnen können. Zudem können die Versicherten (außer in bestimmten Fällen der Arbeitslosigkeit) regelmäßig frei wählen, ab wann sie eine Altersrente beziehen wollen. Entgegen der Auffassung der Klägerin stimmen Altersrente und Erwerbsminderungsrente in ihrer Funktion überein, wegfallendes Erwerbseinkommen zu ersetzen, sodass aus der angeblich unterschiedlichen Funktion kein zusätzliches Differenzierungsgebot beim Zugangsfaktor abzuleiten ist. Im Lichte der dargestellten Unterschiede passen die im RRErwerbG getroffenen Regelungen in die Gesamtstrategie zur Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung; gleichzeitig wurde vermieden, dass sich der Zugangsfaktor im Laufe der Rentenbezugszeit ändert, was das überkommene System der Rentenberechnung mit einer grundsätzlich einmalig zu ermittelnden konstanten Rechengröße (vgl § 88 Abs 1 und 2 SGB VI) und nur einem dynamischen Faktor durchbrochen hätte.

Infolgedessen ging es dem Gesetzgeber des RRErwerbG nur um eine "Anpassung" und nicht um eine "Gleichstellung" von Erwerbsminderungsrenten und Altersrenten. Dabei werden der Versicherte und seine Hinterbliebenen - wie bereits dargelegt - vor einer allzu empfindlichen Minderung geschützt, indem der Zugangsfaktor bei jüngeren Versicherten so festgesetzt wird, als habe der Versicherte das Mindestalter für eine Altersrente (in der hier anwendbaren Fassung 60 Jahre) bereits erreicht, und indem die Absenkung auf einen Renteneintritt vor dem 63. Lebensjahr beschränkt wird, während der Anspruch auf Altersrente erst ab dem 65. Lebensjahr in voller Höhe besteht; dadurch beträgt die Absenkung maximal 10,8 % im Vergleich zu 18 % bei der Altersrente (vgl BT-Drucks 14/4230 S 24, vor Nr 4). Darüber hinaus wird der Versicherte mit Hilfe zusätzlicher Zurechnungszeiten jetzt so gestellt, als ob er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres weitergearbeitet hätte (vgl § 59 Abs 1 und 2 Satz 2, § 253a SGB VI); vorher wurde die Zeit ab dem 55. Lebensjahr lediglich zu einem Drittel berücksichtigt. Die weitergehende Anrechnung von Zurechnungszeiten soll die Anpassung der Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten zusätzlich begrenzen (vgl die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ruland im Rahmen der 57. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am , Prot 14/57 S 8; BT-Drucks 14/4230 S 23 f, II Nr 3). Bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Alter von 56 Jahren und acht Monaten reduziert sich die Rentenminderung bei einem "Eckrentner" dadurch auf 3,3 % - je nach Versicherungsbiografie kann sie geringer oder höher ausfallen. Jedenfalls kommt der effektive Abschlag dem Maximalwert von 10,8 % umso näher, je mehr sich der Rentenbeginn dem 60. Lebensjahr des Versicherten nähert; bei späterem Renteneintritt sinkt der prozentuale Rentenabschlag allmählich wieder, bis er bei 63 Jahren ganz entfällt. Die Fokussierung der Rentenminderung auf den Renteneintritt mit 60 stellt insofern ein schlüssiges Konzept dar, als sich gerade die Versicherten dieser Altersgruppe unter der Geltung des bisherigen Rechts zB insbesondere bei Arbeitslosigkeit vor die Frage gestellt sehen konnten, ob sie statt der vorzeitigen Altersrente mit einem Abschlag von 18 % eine wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts mögliche Erwerbsminderungsrente ohne Abschlag anstreben sollten (ähnlich Mey, RVaktuell 2007, 48).

Ein ganz wesentliches Element dieses Konzepts ist die Abschwächung des Rentenabschlags durch die zusätzliche Zurechnungszeit bei einem Renteneintritt vor dem 60. Lebensjahr. Wäre der nach § 77 Abs 2 SGB VI abgesenkte Zugangsfaktor nur bei Renteneintritt bzw Rentenbezug ab dem 60. Lebensjahr anwendbar, würde der Rentenabschlag gerade nicht abgeschwächt, sondern das RRErwerbG hätte bei früherem Renteneintritt im Vergleich zum bisherigen Recht zu einer Rentenerhöhung geführt und entgegen den dargestellten Bemühungen des Gesetzgebers um eine Anhebung des Renteneintrittsalters einen Anreiz geschaffen, mittels frühen Rentenantrags zu versuchen, zumindest vorübergehend den Abschlag zu vermeiden. Infolgedessen bestätigt die Neuregelung der Zurechnungszeit die mit den Absichten des Gesetzgebers im Einklang stehende Auslegung, nach der die Rentenminderung auch Renten erfasst, die vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten gewährt werden. § 59 Abs 2 Satz 2, § 63 Abs 5, §§ 77, 253a, 264c SGB VI bilden ein aufeinander abgestimmtes "Gesamtpaket" (vgl Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 253a RdNr 2, Stand 8/2001; Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 264c RdNr 4 f, Stand 2/2002; BT-Drucks 14/4230 S 26 zu Nr 16). Dies wird besonders deutlich in der Anlage 23 zum SGB VI, die übergangsweise je nach Zeitpunkt des Rentenbeginns festlegt, in welchem Umfang der Zugangsfaktor zu senken (§ 264c SGB VI) bzw gegenläufig - in darauf abgestimmten Stufen - die Zurechnungszeit zu verlängern ist (§ 253a SGB VI).

Schließlich bestätigt die Einfügung von Abs 4 in § 77 SGB VI durch Art 1 Nr 23 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom (BGBl I 554) ab dem das dargestellte Gesamtkonzept und führt es fort, indem für langjährig Versicherte die Weitergeltung der bisherigen Altersgrenzen angeordnet wird (vgl BT-Drucks 16/3794 S 36 zu Nr 23). Folgte man der Auffassung, wonach der Rentenabschlag erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres greifen soll, so würde diese zu Zwecken des Vertrauensschutzes geschaffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt: Versicherte mit mindestens 40 Pflichtbeitragsjahren würden durch die Herabsetzung des 62. auf das 60. Lebensjahr nicht begünstigt, sondern benachteiligt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt die Regelung des § 77 Abs 2 SGB VI nicht gegen das GG.

Die Klägerin ist nicht dadurch in ihrem Grundrecht aus Art 14 Abs 1 GG (Eigentumsgarantie) verletzt, dass bei der Berechnung des Monatsbetrags ihrer Rente wegen Erwerbsminderung statt eines Zugangsfaktors von 1,0 ein Zugangsfaktor von 0,943 (Abschlag von 5,7 %) zu Grunde gelegt wird. Die Berechnung der Klägerin beruht offenbar auf dem Nettorentenbetrag und kommt daher zum höheren Prozentsatz von 6,04 %.

Bezogen auf den aktuellen Rentenwert bewirkt die Absenkung des Zugangsfaktors allein eine Kürzung der Rente wegen Erwerbsminderung um 48,41 Euro, die durch die gleichzeitig erfolgte Verlängerung der Zurechnungszeit nicht ganz ausgeglichen wird. Die Veränderung der beiden genannten Berechnungselemente durch die Neuregelung hat demnach insgesamt in der Auslegung durch die Beklagte eine Rentenminderung um (aktuell) 16,09 Euro oder von 3,88 % im Verhältnis zum bisherigen Recht zur Folge.

Rentenansprüche und -anwartschaften werden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art 14 Abs 1 GG erfasst (vgl zuletzt BVerfGE 117, 272, 292 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 50 mwN; stRspr). Der Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG ist vorliegend dadurch tangiert, dass im Vergleich zur früheren Rechtslage mit der Rechtsänderung durch das RRErwerbG eine Verschlechterung für die Klägerin insoweit eingetreten ist, als nunmehr bei einer Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres der Zugangsfaktor gemindert wird.

Die Klägerin wird jedoch nicht in ihrem Grundrecht aus Art 14 GG verletzt. Bei der in Streit stehenden Vorschrift handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber. Der Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin erweist sich gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung als geeignet und erforderlich und ist andererseits gemessen an der von der Klägerin erworbenen Rechtsposition sowie Art und Umfang ihrer Beitragsleistung verhältnismäßig und zumutbar.

Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften sind zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind. Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind (vgl zuletzt BVerfGE 117, 272, 294 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 54 mwN; stRspr). Die eigene Leistung findet vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen ihren Ausdruck. Sie rechtfertigt es, dass der durch sie begründeten rentenrechtlichen Rechtsposition ein höherer Schutz gegen staatliche Eingriffe zuerkannt wird als einer Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen beruht (vgl hierzu BVerfGE 116, 96, 122 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 81; BVerfGE 100, 1, 33 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3; kritisch zur Zuordnung der Zurechnungszeit zum Eigentumsschutzbereich im Hinblick auf das Erfordernis der "Eigenleistung" Plagemann in jurisPR-SozR 20/2006 Anm 4). Knüpft der Gesetzgeber an ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen begründete Anwartschaft zum Nachteil des Versicherten, so ist darüber hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter und damit auch für die rentenrechtliche Anwartschaft in Art 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat (vgl zuletzt BVerfGE 117, 272, 294 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 55 mwN).

Wie bereits näher dargelegt, wollte der Gesetzgeber mit den in Rede stehenden Regelungen des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3, Satz 2 und 3 SGB VI idF des RRErwerbG zum einen der Gefahr begegnen, dass im Hinblick auf die gesetzlich normierten Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrenten unverhältnismäßig viele Anträge auf Erwerbsminderungsrenten gestellt würden; zum anderen hat er das Ziel verfolgt, das Versicherungsrisiko der unterschiedlich langen Rentenbezugsdauer mit Hilfe versicherungsmathematischer Abschläge zu neutralisieren.

Die mit dem RRErwerbG normierte Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres stellt allein schon deshalb eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, weil sie ersichtlich dazu dient, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und den - ua durch die demografische Entwicklung - veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Wie der Hochrechnung der finanziellen Auswirkungen der im RRG 1992 und im RRErwerbG beschlossenen Maßnahmen zu entnehmen ist, geht es dabei in erster Linie um eine Verlangsamung der nach früherem Recht zu erwarten gewesenen Erhöhungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung und der entsprechenden Mehrausgaben des Bundes (vgl BT-Drucks 14/4230 S 36 mit Tabelle Nr 1). Sind allein die finanziellen Erwägungen ein legitimer Grund für den Eingriff, so kann offen bleiben, ob auch andere mit der Regelung vom Gesetzgeber verfolgte Ziele für sich oder zusätzlich die in Frage stehende Regelung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 117, 272, 297 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 63).

Die im öffentlichen Interesse liegende Minderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne (dh geeignet, erforderlich und zumutbar).

Die Regelung war geeignet, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele zu erreichen. Ihm steht - wie dies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erneut in seinem Beschluss vom (BVerfGE 117, 272, 295 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 58 f) zum Ausdruck gebracht hat - im Sozialversicherungsrecht wie in allen komplexen, von künftigen Entwicklungen abhängigen Regelungsbereichen ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Bei der Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse benötigt der Rentengesetzgeber Flexibilität, die ihm nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht verwehrt werden kann. Mit Rücksicht auf das unterschiedliche Versicherungsrisiko von in niedrigerem oder höherem Alter beginnenden Renten und auf die dadurch gebotene Annäherung von Erwerbsminderungs- und Altersrenten bewegt sich die Vorschrift über die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraums.

Die Regelung genügt auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht der Klägerin nicht oder doch weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können. Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, eine Einsparung in anderen, von dem betroffenen Gesetz nicht erfassten Bereichen zu erzielen (vgl BVerfG SozR 4-5050 § 22 RdNr 91 mwN; stRspr). Unter dem Gesichtspunkt des Erforderlichkeitsgrundsatzes war er nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen auszuweichen, insbesondere - im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen - die Beitragssätze zu erhöhen, die Bestandsrenten abzusenken oder auf eine Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu verzichten. Um dem Erforderlichkeitsgebot Rechnung zu tragen, war er ebenso wenig gehalten, einen höheren Bundeszuschuss vorzusehen und ggf für diesen Zweck Steuern einzuführen oder zu erhöhen.

Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist für die Klägerin auch zumutbar. Hierbei ist zu beachten, dass das Gesetz nicht in einen schon bestehenden Rentenanspruch der Klägerin, sondern in ihre Rentenanwartschaft eingegriffen hat. Anwartschaften sind aber wegen des großen Zeitraums zwischen ihrem Erwerb und der Aktivierung des Rentenanspruchs naturgemäß stärker einer Veränderung der für die Rentenberechnung maßgeblichen Verhältnisse unterworfen (vgl BSGE 92, 206 = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, jeweils RdNr 43) und genießen nicht denselben eigentumsrechtlichen Schutz wie die Rente. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Übergangsregelung des § 264c SGB VI (iVm der Anlage 23 des SGB VI; jeweils in der bis zum geltenden Fassung) und die Kompensation über die verlängerte Zurechnungszeit nach §§ 59, 253a SGB VI die Wirkung der Absenkung des Zugangsfaktors abgemildert hat. Die den Eingriff in die Rentenanwartschaft mindernde Wirkung der Anhebung der Zurechnungszeit wirkt sich gerade bei der Klägerin deutlich aus und führt im Ergebnis dazu, dass an Stelle der durch die Absenkung des Zugangsfaktors bewirkten Minderung um 48,41 Euro, der Rentenzahlbetrag im Ergebnis nur 16,09 Euro weniger beträgt. Der Senat verkennt nicht, dass dies immer noch eine Einbuße von ca 3,88 % bedeutet, die aber im Hinblick auf die Einbußen anderer Versicherter zumutbar ist. Der um 3,88 % herabgesenkte Rentenbetrag führt noch nicht zu wesentlichen, unzumutbaren Einschränkungen im Lebensstandard der Versicherten, wie sie ihn aufgrund ihres durchschnittlichen Verdienstes im aktiven Erwerbsleben aufbauen konnte.

Die Neuregelung durch das RRErwerbG genügt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die hier für den Eingriff - Absenkung des Zugangsfaktors - maßgebliche Regelung des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB VI idF des RRErwerbG greift nicht im Sinne einer (echten) Rückwirkung zu Ungunsten der Klägerin in eine Rechtsposition ein, welche die Klägerin bereits vor dem Inkrafttreten am inne hatte. Im Übrigen war die Änderung der Rechtslage für die Versicherten nicht völlig überraschend, nachdem der Bundesrat bereits im April 1989 die Bundesregierung zu einer Reform der Erwerbsminderungsrenten in diesem Sinne aufgefordert hatte.

Die Regelungen des § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3, Satz 2 und 3 SGB VI verstoßen auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

Der darin enthaltene allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 75, 348, 357 = SozR 2200 § 555a Nr 3; stRspr); Entsprechendes gilt für eine Gleichbehandlung trotz Bestehens gewichtiger Unterschiede. Nachdem die getroffenen Maßnahmen durch das Ziel gerechtfertigt sind, die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, ist es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, dass die Versichertengruppe, zu welcher die Klägerin gehört, gegenüber derjenigen anders behandelt wird, die wegen eines Rentenbeginns vor dem noch nicht von der Absenkung des Zugangsfaktors betroffen war. Mit jeglicher Anpassung des Rechts an geänderte Verhältnisse ist zwangsläufig eine ungleiche Behandlung von Betroffenen vor und nach dem Inkrafttreten einer Rechtsänderung verbunden und kann daher für sich allein nicht zur Verfassungswidrigkeit führen.

Der Gesetzgeber war durch das im Gleichheitssatz enthaltene Differenzierungsgebot nicht gehalten, Erwerbsminderungsrenten wegen gewichtiger Unterschiede zu den Altersrenten von den dort eingeführten Rentenabschlägen ganz auszunehmen. Der Klägerin ist zuzustimmen, dass ein Versicherter es letztlich nicht in der Hand hat, den Zeitpunkt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung selbst zu bestimmen. Jedoch kann es bei länger währender Arbeitslosigkeit im rentennahen Alter ebenfalls kaum noch praktische Alternativen zu einem Antrag auf vorgezogene Altersrente mit Rentenabschlägen geben; bei Entlassungen gegen Abfindung kann sogar eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu einem solchen Antrag bestehen. Insofern haben die Unterschiede nicht das ihnen von der Klägerin beigemessene Gewicht. Sie sind durch den geringeren Abschlag in Höhe von maximal 10,8 statt 18 % und die erhöhte Zurechnungszeit bei jüngeren Erwerbsminderungsrentnern angemessen berücksichtigt. Aus Sicht des Senats war es im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht nur gerechtfertigt, sondern möglicherweise sogar geboten, die Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversicherung durch längere Rentenlaufzeiten nicht allein zu Lasten der Altersrentner zu lösen, nachdem der Bundesrat im Jahre 1989 auf diese Problematik hingewiesen hatte.

Schließlich greift der Einwand nicht, der Gesetzgeber habe auch für Erwerbsminderungsrentner eine dem § 187a SGB VI entsprechende Möglichkeit schaffen müssen, die bei Anwendung von § 77 Abs 2 SGB VI entstehende Rentenminderung durch Beitragszahlungen auszugleichen. Ein diesbezügliches Verfassungsgebot ist schon deshalb zu verneinen, weil die Erwerbsminderungsrente in deutlich geringerem Ausmaß abgesenkt wird als die Altersrente, sodass die unterschiedlich hohen Versorgungslücken eine unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigen. Im Übrigen sind keine Gründe ersichtlich, die den Erwerbsminderungsrentner an der Entrichtung freiwilliger Beiträge hindern würden, um seine künftig zu erwartende Altersrente aufzubessern (§ 7 Abs 1 und 2, Gegenschluss aus § 75 Abs 2 SGB VI; vgl auch VerbKomm § 75 SGB VI Anm 3.3, Stand 12/2004); da § 7 Abs 3 SGB VI das Recht zur freiwilligen Versicherung ausschließt, wenn eine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt ist, bedarf es lediglich für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten der Sonderregelung des § 187a SGB VI.

Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 3 Satz 2 GG liegt ebenfalls nicht vor.

Art 3 Abs 3 Satz 2 GG bezweckt die Stärkung der Stellung behinderter Menschen in Recht und Gesellschaft. Er enthält ein Gleichheitsrecht zu Gunsten Behinderter sowie einen Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl 2007, Art 3 RdNr 142). Es ist bereits fraglich, ob der Schutzbereich des Grundrechts, der zunächst eine Ungleichbehandlung voraussetzt, tangiert ist. Jedenfalls liegt eine Benachteiligung wegen Behinderung nicht vor. Die Absenkung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs 2 SGB VI betrifft seit dem RRErwerbG alle Rentenarten, wenn die jeweilige Rente vor der im Gesetz normierten Altersgrenze in Anspruch genommen wird. Damit sollen Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer bei allen Rentenarten ausgeglichen werden. Eine Benachteiligung der Klägerin wegen einer Behinderung liegt somit nicht vor.

Die Revision der Klägerin ist somit zurückzuweisen. Damit weicht der Senat zwar vom Urteil des 4. Senats vom ab (BSGE 96, 209 = SozR 4-2600 § 77 Nr 3); dennoch ist er an der Entscheidung nicht gehindert. Der 4. Senat kann mit der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage nicht mehr befasst werden, denn er ist nach einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit Wirkung zum für Streitigkeiten aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zuständig. An seine Stelle sind der 13. und der erkennende Senat getreten. Der 13. Senat hat auf die Anfrage des erkennenden Senats am beschlossen (B 13 R 9/08 S), an der Rechtsprechung des 4. Senats im Urteil vom nicht festzuhalten (vgl § 41 Abs 3 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstelle(n):
BAAAD-10801