Formell ordnungswidrige Buchführung bei wesentlichen Mängeln; Kassenbuch als wesentlicher Teil der Buchführung bei Unternehmen mit Bargeschäften
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.
1. Wird geltend gemacht, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen, dann ist ausführlich darzustellen, aus welchen Gründen die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierbei ist unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur darzustellen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 31 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—). Nicht ausreichend ist der Vortrag, eine Entscheidung des BFH über die bezeichnete Rechtsfrage sei für eine größere Zahl von Fällen bedeutsam (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34). Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält. Hierzu muss er substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. In dieser wird im Stil einer Revisionsbegründung im Wesentlichen lediglich geltend gemacht, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht für das Streitjahr 1999 eine Schätzung der Umsätze und der gewerblichen Einkünfte vorgenommen. Der Kläger wirft zwar die von ihm für grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfragen auf, ob bei einer formell ordnungsgemäßen Buchführung die Vermutung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung durch (lediglich) zwei unverbuchte in bar bezahlte Rechnungen erschüttert werde, oder ob sie durch Wahrscheinlichkeitserwägungen bzw. durch Feststellungen für nicht streitbefangene Zeiträume erschüttert werden könne und ob bzw. inwieweit bei einer formell ordnungsgemäßen aber „entkräfteten” Buchführung eine Schätzungsbefugnis begründet werde. Aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf, wird nicht dargelegt.
Der Kläger berücksichtigt in diesem Zusammenhang nicht, dass eine Buchführung dann formell ordnungswidrig ist, wenn sie wesentliche Mängel aufweist oder wenn die Gesamtheit aller unwesentlichen Mängel diesen Schluss fordert (Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO Rz 13, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Solche wesentlichen Mängel können auch dann gegeben sein, wenn in einem nicht geringen Umfang Kasseneinnahmen nicht vollständig aufgezeichnet werden (, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, und vom IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12). Denn eine ordnungsgemäße Buchführung setzt voraus, dass sämtliche Geschäftsvorfälle laufend, vollständig und richtig verbucht werden (§ 146 Abs. 1 der Abgabenordnung —AO—). Das Kassenbuch ist dann wesentlicher Teil der Buchführung, wenn —wie im Streitfall— ein Unternehmen in nicht nur unwesentlichem Umfang Bargeschäfte tätigt. Das FG ist von einem solchen Sachverhalt und nicht davon ausgegangen, dass der Kläger nur in wenigen Einzelfällen seine Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nicht vollständig aufgezeichnet hat (siehe hierzu unter 3.). Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen sind daher vorliegend auch nicht klärungsfähig.
Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob das FG berechtigt war, hierbei auf Erkenntnisse zurückzugreifen, die nicht die Streitjahre betreffen, lässt er unberücksichtigt, dass es sich hier um die Beurteilung der Besonderheiten des konkreten Streitfalls handelt. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass nach den Feststellungen des FG erhebliche, dem Kläger zuzurechnende Einnahmenverkürzungen in der Zeit vor und nach dem Streitjahr vorgelegen haben und der Kläger seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 Satz 1 AO und § 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 FGO) nicht nachgekommen ist (siehe hierzu unter 3.).
2. Der Kläger rügt auch nicht schlüssig, die Revision sei wegen Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Wird dieser Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht, dann sind die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung des FG und der (angeblichen) Divergenzentscheidung des anderen Gerichts so herauszuarbeiten und gegenüberzustellen, dass eine Abweichung im grundsätzlichen Ansatz erkennbar wird, der sich auf die Entscheidung bei einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt bezieht (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz 40 ff., m.w.N. aus Rechtsprechung des BFH).
Dem entspricht die Beschwerdebegründung nicht. In der Beschwerdebegründung werden zwar mehrere FG- und BFH-Entscheidungen genannt und deren entscheidungserheblichen Rechtssätze wiedergegeben. Dem werden aber nicht die davon (angeblichen) Rechtssätze des angefochtenen Urteils gegenübergestellt.
a) Der Kläger lässt unberücksichtigt, dass das FG es in seinem Urteil als erwiesen angesehen hat, dass der Kläger im Streitjahr 1999 seine Warenein- und -verkäufe nicht vollständig erfasst hat und daher das Ergebnis der Buchführung verworfen werden kann. Eine Abweichung von dem (BFHE 165, 326, BStBl II 1992, 55) liegt deshalb bereits aus diesem Grund nicht vor.
b) Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von dem Senatsurteil vom (X R 86/88, BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128) ab, wonach der Grundsatz in dubio pro reo vom FG zu beachten ist, wenn ein steuerlicher Tatbestand zu beurteilen ist, der voraussetzt, dass ein bestimmter Straftatbestand verwirklicht worden ist. Denn nur bei Vorliegen eines solchen Falls ist es dem FG ebenso wie dem Strafrichter in einem Strafverfahren nach den Grundsätzen des vorstehend genannten Senatsurteils verwehrt, dem Steuerpflichtigen anzulasten, dass er an dem finanzgerichtlichen Verfahren nicht mitwirkt (vgl. unter 5. der Urteilsgründe; ebenso , BFH/NV 1995, 573). Hingegen ist es in anderen Fällen zulässig, aus der Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten durch den Kläger für ihn nachteilige Schlüsse zu ziehen (Senatsurteil vom X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462), insbesondere wenn es wie hier lediglich um die Frage geht, ob der Kläger seine Betriebseinnahmen und -ausgaben in unzutreffender Höhe ausgewiesen hat.
c) Das angefochtene Urteil weicht auch nicht ab von den BFH-Urteilen vom IV R 139/81 (BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205), vom I R 104/84 (BFHE 155, 56, BStBl II 1989, 274), vom I R 3/92 (BFHE 170, 550, BStBl II 1993, 457), vom I R 92/00 (BFHE 199, 217) und Senatsurteil vom X R 33/04 (BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874). Diese Urteile befassen sich mit der Frage, ob tatsächliche Verluste, die in der Anlaufphase eines Unternehmens entstanden sind, in ertragssteuerrechtlicher Hinsicht wie später entstandene Verluste zu behandeln sind. Die Entscheidungen befassen sich insbesondere mit der Frage, ob trotz der entstandenen Anlaufverluste vom Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen ist. Diesen Entscheidungen kann kein Rechtssatz entnommen werden, dass in der Anlaufphase eines Betriebs das Entstehen eines Betriebsverlustes vermutet wird und dieser Rechtssatz deshalb im Rahmen einer Schätzung zu berücksichtigen ist. Zudem wurde im Streitjahr 1999 für das Einzelunternehmen des Klägers auch kein Gewinn angesetzt.
d) Eine Divergenz zu dem , nicht veröffentlicht) und dem hierzu ergangenen Senatsbeschluss vom X B 57/05 (BFH/NV 2006, 940) liegt ebenfalls nicht vor. Diese Entscheidungen befassen sich mit der Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der zulässigerweise seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes ermittelt, ein Kassenkonto führen muss. Die Entscheidungen haben für den Streitfall deshalb keine Bedeutung, weil es hier um die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich geht, bei dem Bestandskonten zu führen sind.
3. Der Kläger macht auch nicht in schlüssiger Weise geltend, die Revision gegen das angefochtene Urteil sei wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.
Dieser Grund für die Zulassung der Revision ist nur gegeben, wenn die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wieder hergestellt werden könnte (vgl. z.B. , BFH/NV 2008, 113). Diese Voraussetzung kann z.B. vorliegen, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (, BFH/NV 2003, 1597) oder die Entscheidung auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (, BFH/NV 2006, 1116). Unterhalb dieser Grenze liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzeswidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (, BFH/NV 2005, 2031).
Einen solchen, die Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO rechtfertigenden schwerwiegenden Rechtsfehler hat der Kläger nicht dargelegt.
Er macht geltend, hinsichtlich seines Einzelunternehmens seien für das Streitjahr 1999 keine Mängel der Buchführung festgestellt worden. Lediglich im hier nicht streitigen Jahr 2001 sei festgestellt worden, dass zwei Rechnungen nicht erfasst worden seien. Für eine Schätzung sei kein Raum.
Der Kläger lässt mit diesem Vortrag außer Acht, dass das FG im Ausgangspunkt erkannt hat, dass nach § 158 AO bei einer formell ordnungsgemäßen Buchführung deren sachliche Richtigkeit vermutet wird. Das FG hat die Vermutung aber als widerlegt angesehen. Hierbei hat das FG diesen Schluss nicht deshalb gezogen, weil der Kläger im Jahr 2001 zwei Belege über Wareneinkäufe in seiner Buchhaltung nicht erfasst hat. Das FG hat auf Feststellungen anderer Jahre abgehoben. Es hat festgestellt, dass bei der X GmbH, an welcher der Kläger beteiligt war, in den Jahren 1995 bis 1999 in erheblichem Umfang Betriebseinnahmen nicht erfasst worden und gleichzeitig Bareinzahlungen in erheblicher Höhe auf dem Konto des Klägers erfolgt waren (vgl. hierzu auch das u.a. gegenüber dem Kläger ergangene ). Auch hat das FG festgestellt, dass im klägerischen Einzelunternehmen das bei der X GmbH festgestellte Prinzip, die Betriebseinnahmen doppelt aufzuzeichnen und diese lediglich teilweise in der Buchführung zu berücksichtigen, nachweisbar im Jahr 2002 kopiert worden ist. Auch wurde mittels eines Schriftgutachtens nachgewiesen, dass sowohl bei der X GmbH als auch im Einzelunternehmen des Klägers die Aufzeichnungen jeweils vom Bruder des Klägers geführt wurden. Hieraus hat das FG seine Überzeugung hergeleitet, dass auch im Streitjahr 1999 in Einzelunternehmen des Klägers in gleicher Weise Bareinnahmen in erheblichem Umfang nicht erfasst worden sind.
Das FG hat zudem berücksichtigt, dass der Kläger sich hierzu nicht substantiiert geäußert hat. Hierdurch hat es sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass nach dem Senatsurteil in BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462 eine Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten des Klägers insbesondere hinsichtlich der Tatsachen und Beweismittel aus seiner Wissens- und Einflusssphäre zur Folge haben kann, dass aus dem Verhalten des Klägers für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden können. Ausgehend von diesen Gesichtspunkten ist die Annahme des FG, der Kläger habe auch im Streitjahr 1999 in erheblichem Umfang Betriebseinnahmen nicht erfasst, jedenfalls nicht greifbar gesetzeswidrig.
Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe keine Feststellungen dazu getroffen, für welche Zeiträume der Bruder des Klägers in dem Einzelunternehmen die Aufzeichnungen vorgenommen habe, trifft dies nicht zu. Denn nach den Feststellungen des FG hat der Bruder die Aufzeichnungen jedenfalls im Jahr 1999 sowohl bei der X GmbH als auch im Einzelunternehmen des Klägers geführt (vgl. S. 16 erster Absatz des angefochtenen Urteils).
4. Der Kläger rügt auch nicht schlüssig, dass das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) beruht.
Mit dem Vortrag, das FG habe den Grundsatz in dubio pro reo nicht beachtet, wird nicht das Vorliegen eines Verfahrensfehlers dargetan. Denn eine (vermeintliche) Verkennung der Grundsätze der Feststellungslast ist kein Verfahrensmangel, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler (, BFH/NV 2006, 1338).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
PAAAD-10724