BFH Beschluss v. - X B 179/08

Keine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Höchstbeträge des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes

Gesetze: EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2, EStG § 10 Abs. 3, SGB VI § 2 Satz 1 Nr. 4, GG Art. 2, GG Art. 3, GG Art. 14

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Der in der Beschwerdebegründung geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegt entweder nicht vor oder er wird nicht entsprechend § 116 Abs. 3 FGO dargelegt.

1. Wird geltend gemacht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ist ausführlich darzulegen, aus welchen Gründen eine im Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierbei ist darauf einzugehen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Allgemeinheit für erforderlich hält. Insbesondere muss er dartun, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und/oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 31 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung).

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung des Klägers diesen Anforderungen genügt. Die Gründe für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung liegen jedenfalls nicht vor.

a) Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde verweist der Kläger darauf, bei ihm liege die Besonderheit vor, dass er gemäß § 2 Satz 1 Nr. 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch gesetzlich pflichtversichert sei und damit bezogen auf die Vorsorgeaufwendungen die Stellung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers habe, ihn aber —im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer— die volle Beitragspflicht treffe und bei ihm Aufwendungen für seine Altersvorsorge als auch für seine Krankenversicherung und die seiner Kinder nicht gemäß § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) zur Hälfte steuerfrei seien. Es liege darin sowohl ein Verstoß gegen Art. 2 als auch gegen Art. 3 und Art. 14 des Grundgesetzes.

b) Die Voraussetzungen für eine Zulassung wegen der grundsätzlichen Bedeutung sind im Streitfall nicht erfüllt, weil die vom Kläger in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen im Streitfall nicht klärungsbedürftig sind (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die Rechtsfragen sind für die Streitjahre sowohl für die Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen (unten aa) als auch für die Abzugsfähigkeit der Krankenversicherungsbeiträge (unten bb) bereits durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beantwortet worden.

aa) In seinem Urteil vom 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618) hat das BVerfG entschieden, dass Beamtenpensionäre die gleichheitswidrige Besteuerung ihrer Pensionen durch § 19 EStG bis zum hinzunehmen haben. Ein rückwirkender Abbau der Vergünstigungen bei der Besteuerung der Sozialversicherungsrenten komme schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134, BStBl II 2002, 618). Dem Gesetzgeber ist aufgegeben worden, eine Neuregelung mit Wirkung zum zu schaffen. Diesen Auftrag hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) erfüllt. Es enthält auf der Grundlage des Konzepts der nachgelagerten Besteuerung Neuregelungen sowohl für die steuerliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen als auch von Alterseinkünften (vgl. insbesondere § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 10 Abs. 3, 4 und 4a EStG sowie § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, jeweils in der Fassung des AltEinkG) für alle Versorgungswege.

Für die verfassungsrechtliche Würdigung der zutreffenden Höhe des Abzugs von Altersvorsorgebeiträgen in einem Versorgungsweg ist demnach stets eine Gesamtbetrachtung der steuerlichen Abziehbarkeit von Beiträgen und der Besteuerung der Versorgungsleistungen vorzunehmen (, BFH/NV 2005, Beilage 2, 110).

Das BVerfG hat im Anschluss an die Entscheidung in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 in seinen Beschlüssen vom 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05 (BFH/NV 2008, Beilage 3, 240) und vom 2 BvR 912/03 (BFH/NV 2008, Beilage 3, 245) zu der im Streitfall aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Rechtsfrage der Relation zwischen steuerfreien Arbeitgeberbeiträgen (§ 3 Nr. 62 EStG) und der Höhe des Sonderausgabenabzugs Selbständiger (§ 10 Abs. 3 EStG) ausgeführt, es bedürfe keiner inhaltlichen Entscheidung mehr, ob die Höchstbeträge des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG in den bis zum geltenden Fassungen der Höhe nach verfassungsgemäß sind. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der angegriffenen Normen komme —so das BVerfG in BFH/NV 2008, Beilage 3, 240— im Hinblick auf diese Streitfrage für Streitjahre bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2004 nicht mehr in Betracht.

Dies gilt auch für die von dem Kläger aufgeworfenen Verfassungsfragen. Die verfassungsrechtlichen Aussagen im BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2008, Beilage 3, 240 sind auf den Streitfall übertragbar. Es handelte sich in dem vom BVerfG in BFH/NV 2008, Beilage 3, 240 entschiedenen Fall um Pflichtbeiträge einer selbständigen Rechtsanwältin an das berufständische Versorgungswerk. Diese hatte wie der Kläger gerügt, die Höchstbeträge des Sonderausgabenabzugs seien in Relation zu den steuerfrei gestellten Beträgen des § 3 Nr. 62 EStG zu niedrig. Der Senat vermag keine Umstände dafür zu erkennen, dass das BVerfG für Zeiträume bis zum Ablauf des Jahres 2004 im Streitfall anders als bisher entscheiden könnte. Der Fall gesetzlicher Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk ist entgegen der Auffassung des Klägers mit den Pflichtversicherungsbeiträgen des Klägers an die Seekasse (jetzt Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) als pflichtversicherter Selbständiger vergleichbar (vgl. auch die Beschlüsse des erkennenden Senats vom X B 60/07, und vom X B 185/08, noch nicht veröffentlicht) und weist im Gegensatz zur Auffassung des Klägers keine Besonderheiten auf.

bb) Dasselbe gilt für die Verfassungsmäßigkeit des begrenzten Abzugs der Krankenversicherungsbeiträge des Klägers. In seinem Beschluss vom 2 BvL 1/06 (BFH/NV 2008, Beilage 3, 228) zu einem ebenfalls vergleichbaren Sachverhalt hat das BVerfG die Fortgeltung von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG wegen der bis zu dem Zeitpunkt nicht hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage und den im Umfang nicht vertretbaren fiskalischen Auswirkungen einer Nichtigkeitserklärung der Norm angeordnet. Eine neue verfassungsrechtliche Überprüfung scheidet damit aus.

3. Das weitere Vorbringen des Klägers, er sei durch die Altersvorsorge- und Krankenversicherungsaufwendungen in einem Maße belastet, dass ihm das in § 45 Abs. 3 Satz 2 des Seelotsgesetzes vorgesehene Einkommen nicht mehr zur Verfügung stehe, ist für die hier in Frage stehende begrenzte steuerliche Abzugsfähigkeit der Vorsorgeaufwendungen irrelevant und erfüllt nicht die Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 573 Nr. 4
IAAAD-09848