BFH Beschluss v. - X B 177/08

Zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie bei einer Hinterbliebenenrente

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, GG Art. 14 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

1. Nach Auffassung der Klägerin ist die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob bei einer Witwenrente ein klassisches, „reines” steuerpflichtiges, vermindertes Renteneinkommen besteuert werde oder ob hier in höherem Maße die Rückzahlung von angespartem Rentenkapital vorliege, d.h. bereits versteuertes Vermögen beim Rückfluss erneut der Besteuerung unterliege.

a) Schlüssig und substantiiert dargelegt ist der Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dann, wenn der Beschwerdeführer konkret darauf eingeht, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist.

b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht hinlänglich substantiiert dargelegt. Die Klägerin hätte sich mit der zu diesem Problemkreis ergangenen Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur auseinandersetzen müssen. Hierzu genügt nicht der Hinweis, im Streitfall seien die steuerlichen Folgen eines klassischen Arbeitnehmerfalles zu beurteilen und es gehe nicht um sozialstaatsbedingte Unterstützungselemente diverser Art. Das Finanzgericht (FG) verkenne, dass die Ansparleistung des Ehemannes der Klägerin nach Erreichen der Altersgrenze einen fixen Vermögenswert bilde, der durch den frühen Tod nicht mehr verändert, d.h. gemindert werde. Der sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmerbeitrag des „Zwangssparers” sei abgabensystematisch, schuldrechtlich gesehen sehr nahe am Bereich einer klassischen „Zwangsanleihe” mit Rückzahlungsversprechen angesiedelt, auch wenn u.a. keine rein klassische Versicherungstechnik, Finanzmathematik etc. in der Sozialversicherung angewandt werde.

2. Im Übrigen ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass Hinterbliebenenrenten —wie die Witwenrente der Klägerin— nicht auf einer dem einzelnen Versicherten individuell zurechenbaren Leistung beruhen, die eine Zuordnung der zugrunde liegenden gesetzlichen Ansprüche zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie rechtfertigen könnte. Es fehlt der hinreichend personale Bezug zwischen der Beitragsleistung des Versicherten und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten Rente. Das System der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwar auch durch das Versicherungsprinzip geprägt und gerechtfertigt. Dieses Prinzip wird aber durch soziale Gesichtspunkte modifiziert. Denn die gesetzliche Rentenversicherung beruht im Wesentlichen auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher ein Element sozialer Fürsorge. Auch die Hinterbliebenenrente ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, weil sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256; vom 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86, BVerfGE 97, 271).

Nach der Rechtsprechung liegen der Versichertenrente Beiträge zugrunde, die Hinterbliebenenrente wird hingegen ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt. Der Gedanke des sozialen Ausgleichs wird dadurch betont, dass die Vorsorge für die eigenen Angehörigen bei der individuellen Beitragsbemessung des Versicherten unberücksichtigt bleibt. Vielmehr trägt jeder Versicherte über seinen Beitrag zugleich auch zur Versorgung aller Hinterbliebenen von Versicherten bei. Auch wer keine unterhaltsberechtigten Angehörigen hat, zahlt gleiche Beiträge (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 271).

3. Die zusätzliche Begründung vom ist als nachgereichter Schriftsatz verspätet. Die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung ist nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nur nach den innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO) vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind —abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen— nicht zu berücksichtigen. Somit kommt den Ausführungen der Klägerin zu Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes keinerlei Relevanz zu, da sie die Gehörsrüge auch nicht inzident in der während der Begründungsfrist eingereichten Beschwerdebegründung erhoben hat. Zudem verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs zwar die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen sich dabei jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats des , Deutsches Verwaltungsblatt 2001, 456).

4. Im Kern richten sich die Einwendungen der Klägerin im Beschwerdeverfahren gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen FG-Entscheidung. Diese können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht zum Erfolg führen (Senatsbeschluss vom X B 97/02, BFH/NV 2004, 52).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 572 Nr. 4
QAAAD-08052