BSG Urteil v. - B 13 R 77/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB VI § 149 Abs 5; GG Art 3; GG Art 20

Instanzenzug: LSG Bayern, L 16 R 593/05 vom SG München, S 12 R 4641/00

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit auch für die Zeit ab Juli 2006 unter Anrechnung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahrs.

Der am 1940 geborene Kläger, Inhaber des Vertriebenenausweises A und deutscher Staatsangehöriger, besuchte in der Tschechoslowakei von 1955 bis zum eine Ingenieurschule (Fachschule), die er erfolgreich abschloss. Für vier Monate dieser Zeit sind Pflichtbeiträge wegen Ableistung eines Praktikums nachgewiesen. Weitere Pflichtbeitragszeiten in der Tschechoslowakei (bis zur Übersiedlung in die Bundesrepublik im Jahre 1969) und in der Bundesrepublik Deutschland schlossen sich an.

Mit Herstellungsbescheid vom , Vormerkungsbescheid vom und Feststellungsbescheid vom stellte die Beklagte insgesamt 39 Monate Fachschulausbildung zwischen dem 1956 (Vollendung des 16. Lebensjahrs) und dem als Ausfallzeiten nach § 36 Abs 1 Satz 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bzw Anrechnungszeiten nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) fest.

Mit Bescheid vom gewährte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Rente wegen Arbeitslosigkeit ab . Bei der Rentenberechnung legte sie die Zeiten ab Vollendung des 17. Lebensjahrs des Klägers (... 1957) - insgesamt 27 Monate - als Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung zugrunde. Die Bescheide vom und vom über die Feststellung von Anrechnungszeiten hob sie nach § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI auf, "soweit sie nicht dem geltenden Recht entsprechen".

Mit seinem Widerspruch vom machte der Kläger geltend, dass ihm nach dem AVG idF von 1969 Ausfallzeiten für nachgewiesene schulische Ausbildungszeiten ab vollendetem 16. Lebensjahr zustünden; ferner wandte er sich gegen die Kürzung von Fremdrentenzeiten auf 60 vH. Hinsichtlich der Anwendung von § 22 Abs 4 des Fremdrentengesetzes (FRG) ließ die Beklagte den Widerspruch ruhen; im Übrigen erging der zurückweisende Teilwiderspruchsbescheid vom , in dem es ua heißt:

"Durch das WFG sind im Vergleich zu dem bis zum geltenden Recht umfangreiche Änderungen eingetreten. Diese Änderungen der zwingenden gesetzlichen Vorschriften führten dazu, dass die mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellte Rentenleistung von der Ihnen erteilten Rentenauskunft abweicht.

In Ihrem Fall wirken sich u. a. die folgenden Änderungen aus: · Zeiten der schulischen Ausbildung sind nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres (bisher 16. Lebensjahr) zu berücksichtigen.

..."

Das Sozialgericht München (SG) hat die auf Gewährung höherer Altersrente unter Anwendung des AVG idF von 1969 sowie die Berücksichtigung schulischer Ausbildungszeiten bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahrs gerichtete Klage durch Gerichtsbescheid vom abgewiesen. Während des anschließenden Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom die Bescheide vom , und hinsichtlich der Vormerkung der Zeit vom 4.1956 bis 4.1957 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung mit Wirkung ab gemäß § 48 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben, weil "die zum Zeitpunkt der damaligen Bescheiderteilung geltenden gesetzlichen Regelungen" mit Wirkung ab durch Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG - vom , BGBl I 1461) geändert worden seien und Zeiten der Fachschulausbildung danach erst nach Vollendung des 17. Lebensjahrs als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden könnten. Gegen den mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Mit weiterem Bescheid vom , der seiner Belehrung zufolge "nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens" geworden ist, hat die Beklagte die Altersrente des Klägers neu festgestellt und für den Zeitraum vom bis der Rentenberechnung die Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung bereits ab 4.1956 (dh 39 statt vorher nur 27 Kalendermonate) zugrunde gelegt. In der Begründung heißt es, hinsichtlich der Rentenbezugszeit ab dem verbleibe es bei dem bisherigen Rentenbescheid.

Das LSG hat den Gerichtsbescheid des SG insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom hinsichtlich der rentensteigernden Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Fachschulausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahrs abgewiesen wurde; im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage gegen die Bescheide vom und abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass diese beiden Bescheide Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden seien; dies gelte für den Neufeststellungsbescheid vom deshalb, weil er von der Beklagten durch den darauf aufbauenden Rentenbescheid vom mit Wirkung ab umgesetzt worden sei. Im Übrigen hat es seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte sei berechtigt gewesen, mit Neufeststellungsbescheid vom die entgegenstehenden Vormerkungsbescheide vom und nach § 48 SGB X aufzuheben. Auch verfassungsrechtlich bestünden keine Bedenken gegen die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung erst ab Vollendung des 17. Lebensjahrs. Hinsichtlich der Bewertung der schulischen Ausbildungszeiten nach dem AVG idF von 1969 stehe dem Kläger kein Rechtsanspruch zur Seite; die Bewertung der Anrechnungszeiten beurteile sich nach dem Rechtsgedanken des § 300 Abs 1 SGB VI nach den bei Rentenbeginn geltenden §§ 71 bis 74 SGB VI.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 149 Abs 5 SGB VI, Art 3 und 20 des Grundgesetzes [GG]). Zur Begründung trägt er insbesondere vor: § 48 SGB X sei nicht anwendbar; der Wortlaut des § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI umfasse auch eine Neufeststellung mit Wirkung für die Zukunft. Eine Fehlerkorrektur über § 48 SGB X könne nur Änderungen betreffen, die nach Erlass des Rentenbescheids aufträten; Fehler vor Erlass des Bescheids könnten über diese Vorschrift nicht korrigiert werden. Mit Erlass des ersten Rentenbescheids gingen alle Feststellungs- und Vormerkungsbescheide darin auf und verlören außer der Beweisfunktion an Bedeutung.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Landessozialgerichts vom und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom zu ändern und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom in der Gestalt des Teilwiderspruchsbescheids vom sowie des Bescheids vom und unter Aufhebung ihres Bescheids vom zu verurteilen, ihm Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter rentensteigernder Berücksichtigung der schulischen Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten ab Vollendung des 16. Lebensjahrs auch für die Zeit ab zu gewähren und für deren Bewertung das AVG von 1969 zugrunde zu legen.

Die Beklage beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, geht allerdings davon aus, dass der Bescheid vom nicht Streitgegenstand geworden sei.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

II. Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG entschieden.

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger eine Bewertung der schulischen Ausbildungszeiten nach dem AVG von 1969 begehrt, ist die Revision nicht zulässig. Gemäß § 164 Abs 2 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses ist es, das Revisionsgericht zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG SozR 1500 § 164 Nr 12, 27; SozR 3-1500 § 166 Nr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 9. Aufl 2008, RdNr 7 zu § 164 mwN). Die Begründung ist Zulässigkeitsvoraussetzung. Umfasst - wie im vorliegenden Fall - das Klagebegehren mehrere Streitgegenstände, muss hinsichtlich jedes Streitgegenstands bis zum Ablauf der Begründungsfrist eine Begründung vorliegen (BSG SozR 1500 § 164 Nr 22; SozR 4-1500 § 158 Nr 1; Leitherer, aaO, RdNr 9d). Eine Begründung, weshalb für die Bewertung der Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung das AVG idF von 1969 zugrunde zu legen sei, hat der Kläger jedoch nicht vorgelegt.

2. Im Übrigen ist die Revision nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahrs bei Berechnung seiner Altersrente. Soweit das Berufungsurteil allerdings den klagabweisenden betreffend die Zeit der Rentenleistung bis (vor Erlass des Aufhebungsbescheids vom und des Neuberechnungsbescheids vom ) - aufgehoben hat, ist der Kläger nicht beschwert. Insoweit ist das - von der Beklagten nicht angefochtene Urteil - rechtskräftig geworden. Für die Zeit vor dem verbleibt es daher bei der Berechnung der Rente unter Berücksichtigung von Ausbildungs-Anrechnungszeiten bereits ab vollendetem 16. Lebensjahrs (... 4.1956).

a) Nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI idF des WFG sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht hat. Die Rechtsänderung durch das WFG ist zum - und damit vor Erlass des Rentenbescheids vom - in Kraft getreten. Zwar hatte die Beklagte Anrechnungszeiten (Ausfallzeiten) wegen Fachschulausbildung zugunsten des Klägers mit Vormerkungs- bzw Herstellungsbescheiden vom , und ab Vollendung des 16. Lebensjahrs festgestellt. Diese Bescheide hat sie jedoch mit dem Rentenbescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom nach § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI wirksam zurückgenommen.

Gemäß § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI ist bei Änderung der einem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften dieser Bescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben; die §§ 24 und 48 SGB X sind nicht anzuwenden. Hiernach entfaltet nur (noch) der jeweils zuletzt ergangene Feststellungsbescheid Bindungswirkung. Damit musste die Beklagte im Rentenbescheid vom den Herstellungsbescheid vom - ohne dass zu entscheiden ist, ob dieser vom Begriff des Feststellungsbescheids in § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI überhaupt umfasst wird - weder aufheben noch ändern. Denn jedenfalls sind die hergestellten Versicherungsunterlagen dieses Bescheids in den letzten Feststellungsbescheid vom übernommen und damit - zuletzt - verbindlich "festgestellt" worden.

Zwar hat die Beklagte den (in den Akten der Beklagten nicht vorhandenen Bescheid vom und den) Bescheid vom in Anwendung dieser Vorschrift nur aufgehoben, "soweit sie nicht dem geltenden Recht entsprechen". Zutreffend hat das LSG ausgeführt, dass diese Entscheidung mangels hinreichender Bestimmtheit den Erfordernissen des § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI nicht entspricht und daher nicht wirksam ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 149 Nr 1; - Juris). Denn aus diesem Verfügungssatz ergibt sich nach einer am Empfängerhorizont orientierten Auslegung nicht hinreichend klar, welche Anrechnungs-Tatbestände ab wann und in welchem Umfang aufgehoben werden sollten. Das LSG verkennt jedoch, dass die Beklagte ihre Regelung im Teilwiderspruchsbescheid vom konkretisiert hat.

Hinsichtlich der mit Widerspruch des Klägers angegriffenen Beschränkung der Anrechenbarkeit schulischer Ausbildungszeiten auf das 17. Lebensjahr verweist der Teilwiderspruchsbescheid auf "umfangreiche Änderungen" durch das zum in Kraft getretene WFG. Diese Änderungen führten dazu, dass die mit dem angefochtenen Bescheid vom festgestellte Rentenleistung von der dem Kläger erteilten "Rentenauskunft" abweiche. Damit nimmt der Teilwiderspruchsbescheid erkennbar die am ausgesprochene Aufhebung des maßgeblichen (letzten) Feststellungsbescheids vom in Bezug, die er hinsichtlich der dort nur pauschal erfolgten Aufhebung "soweit (er) nicht dem geltenden Recht entspreche" nunmehr wie folgt fasst: "In Ihrem Fall wirken sich u. a. die folgenden Änderungen aus: · Zeiten der schulischen Ausbildung sind nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres (bisher 16. Lebensjahr) zu berücksichtigen.

..."

Damit wird gegenüber dem (letzten) Feststellungsbescheid vom hinreichend deutlich, dass Ausbildungs-Anrechnungszeiten - entsprechend dem ab geltenden Recht - bei Berechnung der Altersrente des Klägers erst ab Vollendung des 17. Lebensjahrs Anrechnung finden können, der insoweit entgegenstehende Bescheid vom also teilweise aufzuheben sei.

Da Gegenstand der Klage aber der "ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt (ist), die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat" (§ 95 SGG), ist die nach § 149 Abs 5 Satz 2 SGB VI "im Rentenbescheid" vorzunehmende Aufhebung des entgegenstehenden Feststellungsbescheids in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Denn nach § 95 SGG werden Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid als Einheit gesehen (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 9. Aufl 2008, RdNr 2 zu § 95).

b) Die Neuregelung des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI durch das WFG, wonach - im Gegensatz zum früheren Recht - nur solche Zeiten einer Ausbildung rentenrechtlich erhebliche Ausbildungszeiten darstellen, die nach dem vollendeten 17. Lebensjahr stattgefunden haben, ist auch verfassungsgemäß.

Der Senat schließt sich der Entscheidung des (BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7) an, mit der es über die ebenfalls im WFG enthaltene rentenrechtliche Neubewertung der ersten Berufsjahre (s aaO S 276 ff) entschieden hat. Hierin hat es darauf hingewiesen, dass zwar die Anwartschaft auf eine Rente durch das Eigentumsrecht des Art 14 Abs 1 GG geschützt ist. Gegenstand dieses Schutzes ist danach die Anwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergibt. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz des Art 14 GG für Rentenanwartschaften schließt aber deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nicht schlechthin aus. Insbesondere eine Anpassung an veränderte Bedingungen und im Zuge einer solchen Umgestaltung auch eine wertmäßige Verminderung von Anwartschaften lässt die Eigentumsgarantie grundsätzlich zu. Die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG durch den Gesetzgeber. Soweit in schon bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspricht dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auch auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht. Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen allerdings einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein. Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind. Die eigene Leistung findet dabei vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen Ausdruck. Sie rechtfertigt es, dass der durch sie begründeten rentenrechtlichen Rechtsposition ein höherer Schutz gegen staatliche Eingriffe zuerkannt wird als einer Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen beruht. Knüpft der Gesetzgeber - wie hier - an ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen begründete Anwartschaft zum Nachteil des Versicherten, so ist darüber hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter und damit auch für die rentenrechtliche Anwartschaft in Art 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat (s zum Ganzen: BVerfGE 117, 272, 283 f mwN).

In diesem Zusammenhang verweist das BVerfG darauf, dass schon das einfache Recht von der Möglichkeit ausgehe, dass bestehende Anwartschaften Änderungen unterliegen, weil die nach § 109 Abs 1 Satz 1 SGB VI erteilte Auskunft über die Höhe der Anwartschaft, die dem Versicherten ohne weitere rentenrechtliche Zeiten als Regelaltersrente zustehen würde, vom Gesetz ausdrücklich als unverbindlich qualifiziert werde (§ 109 Abs 4 Satz 2 SGB VI); die Rentenauskunft sei sogar mit dem Hinweis zu versehen, dass sie auf der Grundlage des geltenden Rechts und der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten erstellt sei und damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten stehe (§ 109 Abs 2 SGB VI).

Vor diesem Hintergrund aber dient auch der hier streitige Eingriff des Gesetzgebers, die Verschiebung des Beginns der Anrechnungszeit wegen Schulausbildung auf die Vollendung des 17. Lebensjahrs, einem Gemeinwohlzweck (hierzu BVerfGE 117, 272, 296 ff) und ist verhältnismäßig (hierzu aaO S 298 ff). Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass die Anwartschaft des Klägers, soweit ihr die Zurücklegung einer schulischen Ausbildung zugrunde liegt, nicht auf einer Beitragsleistung beruht. Die Schulausbildung als solche begründet allein noch keinen personalen Bezug zur Rentenversicherung. Sie stellt für sich genommen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Eigenleistung des Versicherten dar, die der Rentenversicherung zugute kommt, sondern dient der eigenen Qualifizierung und liegt in seinem Verantwortungsbereich (aaO S 299).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs 1 SGG.

Fundstelle(n):
BAAAD-08005