Gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d EStG
Gesetze: EStG § 10d, EStG § 52 Abs. 25, AO § 181 Abs. 5
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg Urteil vom 5 K 2257/04 (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger hielt mehr als 25 % des Stammkapitals einer GmbH. Im Dezember 1994 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen dieser GmbH mangels Masse eingestellt. In den darauf folgenden Jahren wurde der Kläger aus selbstschuldnerischen Bürgschaften in Anspruch genommen, die er für die GmbH übernommen hatte.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger u.a. einen Verlust des Klägers nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in Höhe des eingezahlten Stammkapitals von 25 000 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte diesen Verlust nicht und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr im Jahr 1997 auf 0 DM fest; der Festsetzung legte das FA einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 39 758 DM zugrunde.
Im Jahr 2002 beantragten die Kläger die gesonderte Feststellung eines zum verbleibenden Verlustabzugs, der auch die Inanspruchnahme des Klägers aus den selbstschuldnerischen Bürgschaften berücksichtigte. Das FA lehnte dies ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1435 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts und machen Verfahrensmängel geltend.
Sie beantragen, das angefochtene Urteil und den Ablehnungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig in Höhe von 259 299,71 DM gesondert festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Entgegen der Auffassung des FG ist § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG für die gesonderte Feststellung des zum verbleibenden Verlustabzugs mangels einer Änderung der nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge nicht anwendbar.
1. Ein verbleibender Verlustabzug ist auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG gesondert festzustellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig ist und darin kein nicht ausgeglichener Verlust berücksichtigt worden ist. Zur Begründung nimmt der Senat auf sein Urteil vom IX R 70/06 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) Bezug. In dem dort entschiedenen Fall war zwar § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom (BGBl I 1999, 402) anzuwenden. Die Fassung des § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 hat sich gegenüber § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG insoweit geändert, als statt des Begriffs des verbleibenden Verlustabzugs der Begriff des verbleibenden Verlustvortrags und an die Stelle des bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verlusts die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte getreten sind. Der Austausch dieser Begriffe ändert aber nichts daran, dass auch nach dem Wortlaut des § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG nicht der Gesamtbetrag der Einkünfte zu den „nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträgen” i.S. des § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG gehört, sondern der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust.
2. Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist ein zum Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibender Verlustabzug auch nach Ablauf der für seine gesonderte Feststellung geltenden Feststellungsfrist gesondert festzustellen, wenn dies für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist (vgl. , BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681, m.w.N.).
3. Nach diesen Maßstäben ist der zum verbleibende Verlustabzug gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO gesondert festzustellen, wenn dies für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist; im bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ist kein nicht ausgeglichener Verlust, sondern lediglich ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte ausgewiesen.
a) § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kommt für die gesonderte Feststellung des zum verbleibenden Verlustabzugs in Betracht, weil die für sie geltende Feststellungsfrist abgelaufen ist; sie begann mit Ablauf des Kalenderjahres 1997 —der Kläger hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Feststellungserklärung (vgl. § 181 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 AO) eingereicht— und endete mit Ablauf des Jahres 2001 (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO).
Entgegen der Auffassung des FG hat der im Jahr 2000 gestellte Antrag der Kläger, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen nachträglicher Anschaffungskosten nach § 17 EStG zu ändern, keine Ablaufhemmung der Feststellungsfrist gemäß § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO bewirkt. Dieser Antrag könnte nur als —nicht ordnungsgemäße (vgl. § 181 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. §§ 149, 150 AO)— Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs ausgelegt werden, da der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt seine Erklärungspflicht nach § 181 Abs. 2 Satz 1 AO nicht erfüllt hatte. Eine gesetzlich vorgeschriebene Feststellungserklärung ist jedoch kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO (, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
b) § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist im Streitfall nicht unter der einschränkenden Voraussetzung des § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom (BGBl I 2006, 2878) anzuwenden, dass die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat. Denn die Anwendungsregelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist ihrerseits gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2007 nicht anwendbar, weil die Feststellungsfrist bei Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2007 am bereits abgelaufen war (hierzu , m.w.N.).
4. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen nicht die Beurteilung, in welcher Höhe zum ein verbleibender Verlustabzug besteht und ob seine gesonderte Feststellung für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
5. Ist die Revision bereits aus sachlichen Gründen erfolgreich, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAD-05572