BVerwG Urteil v. - 4 C 8.07

Leitsatz

Die Berufung kann auch dann bis zur Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung einwilligungsfrei zurückgenommen werden, wenn die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt haben, das Gericht aber dennoch eine mündliche Verhandlung durchführt.

Gesetze: VwGO § 126 Abs. 1; Sachgebiete: Verwaltungsprozessrecht

Instanzenzug: VGH Bayern, 15 BV 2892/03 vom VG Regensburg, 6 K 710/02 vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Stadt ihre Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wirksam zurückgenommen hat, obwohl der Kläger in die Zurücknahme nicht eingewilligt hat. Er macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von 29 533,35 EUR (= 57 762,22 DM) nebst Prozesszinsen geltend, die er auf Grund einer Vereinbarung vom gezahlt hat. Mit dieser Vereinbarung hatte er sich verpflichtet, die anteiligen Planungskosten für die Aufstellung des Bebauungsplanes "Rötpoint" sowie die Kosten für die Höherlegung einer Freileitung zu übernehmen.

2001 erhob der Kläger Klage auf Rückerstattung. Das Verwaltungsgericht verurteilte die Beklagte, an den Kläger 7 834,52 EUR (= 15 322,99 DM) nebst Prozesszinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil erhob die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Am fand eine mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht statt, in der Anträge nicht gestellt wurden. Die Beteiligten erklärten in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Mit Schreiben vom regte das Berufungsgericht an, die Berufung zurückzunehmen. Daraufhin erhob der Kläger Anschlussberufung, die darauf zielte, die Beklagte zu verurteilen, ihm über den ihm vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Betrag weitere 21 698,83 EUR nebst Prozesszinsen zu zahlen. Mit Schriftsatz vom erklärte die Beklagte die Zurücknahme der Berufung. Der Kläger erklärte seinerseits, dass er der seiner Ansicht nach einwilligungsbedürftigen Zurücknahme der Berufung nicht zustimme.

Das Berufungsgericht führte daraufhin am erneut eine mündliche Verhandlung durch. In dieser mündlichen Verhandlung schlossen die Beteiligten nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Widerrufsvergleich. Die Beklagte erklärte sodann die Zurücknahme der Berufung. Der Kläger verweigerte hierzu seine Einwilligung und stellte die Sachanträge. Im Anschluss daran erklärten die Beteiligten, dass sie für den Fall des Widerrufs des Vergleichs einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zustimmten.

Nachdem der Kläger den Vergleich mit Schriftsatz vom widerrufen hatte, hat das Berufungsgericht mit Urteil vom festgestellt, dass die Beklagte die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wirksam zurückgenommen hat. Die Anschlussberufung des Klägers wurde verworfen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat das Berufungsgericht zu 1/4 der Beklagten und zu 3/4 dem Kläger auferlegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Berufung habe es nicht der Einwilligung des Klägers bedurft. Nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 VwGO sei weder die schriftsätzlich erklärte Zurücknahme noch die in der mündlichen Verhandlung vom erklärte Zurücknahme einwilligungsbedürftig. In der mündlichen Verhandlung am seien keine Anträge gestellt worden. In der mündlichen Verhandlung am sei die Zurücknahme der Berufung vor Stellung der Anträge erklärt worden. Wenn das Gericht nach Abgabe der Verzichtserklärungen wegen einer veränderten Prozesslage eine mündliche Verhandlung durchführe, könne die Berufung in der (erneuten) mündlichen Verhandlung vor der Antragstellung ohne Einwilligung des Berufungsbeklagten zurückgenommen werden. In dieser Konstellation sei für eine analoge Anwendung des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO kein Raum. Durch die wirksame Zurücknahme der Berufung sei die Anschlussberufung des Klägers wirkungslos geworden. Da der Kläger sie aufrechterhalten habe, sei sie mit der entsprechenden Kostenfolge zu verwerfen gewesen.

Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe die Berufung nicht ohne Einwilligung des Klägers wirksam zurücknehmen können. Eine einwilligungsfreie Zurücknahme der Berufung sei nur bis zu dem Zeitpunkt möglich gewesen, in dem die Beteiligten die Erklärung, mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein, in der (ersten) mündlichen Verhandlung am zu Protokoll gegeben hätten. Darüber hinaus sei die Interessenlage im vorliegenden Fall, in dem der Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläger im erstinstanzlichen Verfahren teilweise unterlegen sei, der Interessenlage bei einer Klagerücknahme in einem erstinstanzlichen Verfahren vergleichbar. Der Umstand, dass zwischen dem einvernehmlichen Verzicht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der dann durchgeführten Verhandlung Anschlussberufung eingelegt worden sei, führe dazu, dass die erneute mündliche Verhandlung wie ein Revisionsverfahren zu behandeln sei. Für diese Konstellation sei anerkannt, dass die Zurücknahme der Revision die Einwilligung des Revisionsbeklagten erfordere, sobald die letzte Erklärung über das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bei Gericht eingegangen sei und der Revisionsbeklagte einen Antrag gestellt habe. Das Urteil des Berufungsgerichts verletze den Kläger zudem in seinem durch das Grundgesetz geschützten Eigentumsrecht. Er habe, wie das Berufungsgericht mit dem rechtlichen Hinweis deutlich gemacht habe, durch einen gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßenden Akt der Beklagten Eigentum verloren. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht dem Kläger zu Unrecht einen Teil der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Die zulässige Anschlussberufung sei unwirksam geworden, weil die Beklagte die Berufung zurückgenommen habe; das sei für ihn unabwendbar gewesen. In einem solchen Fall habe die Beklagte die Kosten der Anschlussberufung zu tragen.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat sich zu Recht darauf beschränkt festzustellen, dass die Beklagte und Berufungsklägerin (im Folgenden: die Beklagte) die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wirksam zurückgenommen hat. Ebenso wenig ist bundesrechtlich zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Anschlussberufung des Klägers und Berufungsbeklagten (im Folgenden: der Kläger) verworfen hat, weil sie mit der wirksamen Zurücknahme der Berufung ihre Wirkung verloren hat.

1.

Die Beklagte hat jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vom wirksam die Zurücknahme der Berufung erklärt. Dass die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Wege gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erklärt haben, ist unerheblich; auf die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO im schriftlichen Verfahren kommt es nicht an.

1.1

Gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt die Zurücknahme der Berufung nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Findet eine mündliche Verhandlung statt, kann der Berufungskläger die Berufung bis zur Stellung der Anträge einwilligungsfrei zurücknehmen. Antrag im Sinne des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist der mündlich gestellte, durch Aufnahme in das Protokoll dokumentierte (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) Antrag im Sinne des § 103 Abs. 3 VwGO; die schriftsätzliche Ankündigung der Anträge genügt nicht. Denn die Antragstellung markiert den Zeitpunkt im Verlauf der mündlichen Verhandlung, von dem an der Berufungsbeklagte gegen eine einseitige Zurücknahme der Berufung geschützt sein soll. Die schriftsätzliche Ankündigung der Anträge vor der mündlichen Verhandlung kann diese Funktion nicht erfüllen.

Die schriftsätzliche Ankündigung der Anträge steht der Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung auch dann nicht gleich, wenn die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt haben, das Gericht aber dennoch eine mündliche Verhandlung durchführt. Auch in diesem Fall kann die Berufung bis zur Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung einwilligungsfrei zurückgenommen werden. Das gilt unabhängig davon, ob der Berufungsbeklagte, wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung entschiede, in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO ab Eingang der letzten Verzichtserklärung gegen eine Zurücknahme der Berufung geschützt wäre (so BVerwG 6 C 8.67 u.a. - BVerwGE 26, 143 für die Zurücknahme der Revision). Das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hindert das Gericht nicht, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und damit in den Anwendungsbereich des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO zurückzukehren.

Vorbehaltlich der Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergeben, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es trotz wirksamen Verzichts gleichwohl gemäß § 101 Abs. 1 VwGO auf Grund mündlicher Verhandlung entscheidet ( BVerwG 7 B 90.05 - [...]). Eine Verzichtserklärung ist zwar grundsätzlich unanfechtbar und unwiderruflich. Sie bindet aber nur die Beteiligten, nicht jedoch das Gericht. Damit bleibt das Gericht hinsichtlich der Gestaltung des Verfahrens ungebunden (Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2007, § 101 Rn. 13), insbesondere können auch verfahrensökonomische Erwägungen dem Gericht Anlass sein, trotz Verzichts eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung trotz Verzichts gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ist auch dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Rechtsmittelkläger die Zurücknahme des Rechtsmittels vor der mündlichen Verhandlung erklärt und der Rechtsmittelbeklagte hierzu seine Einwilligung verweigert hat. Denn die mündliche Verhandlung dient nicht allein dazu, dem Rechtsmittelkläger eine einwilligungsfreie Zurücknahme des Rechtsmittels zu ermöglichen und damit die Rechtsfolge, die aus der vom Kläger behaupteten analogen Anwendung des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf das schriftliche Verfahren folgen könnte, zu umgehen. Denn jedenfalls in einer Fallkonstellation wie im vorliegenden Fall, wenn der Rechtsmittelbeklagte seine Einwilligung in eine schriftsätzlich erklärte Zurücknahme verweigert hat, kann der Rechtsmittelkläger zu seinem Sachantrag zurückkehren (vgl. auch BVerwG 2 C 4.97 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 113 und vom - BVerwG 4 C 27.90 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 92). Die mündliche Verhandlung kann mithin trotz bereits erklärter Zurücknahme zu einer Entscheidung über die Sachanträge führen oder mit einer sonstigen Erledigung des Rechtstreits enden.

Weil grundsätzlich die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung möglich ist, erhält der Rechtsmittelbeklagte durch das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung jedenfalls keinen endgültigen, gleichsam absoluten Schutz gegen eine Zurücknahme des Rechtsmittels. Die Auffassung des Klägers, der mit der Bindungswirkung der Einverständniserklärungen argumentiert und auf die schriftsätzlich gestellten Anträge verweist, liefe darauf hinaus, dass der Rechtsmittelkläger das Rechtsmittel bei einer Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung gemäß § 101 Abs. 1 VwGO entgegen dem klaren Wortlaut des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO bereits vor Stellung der Anträge nur mit Einwilligung des Rechtsmittelbeklagten zurücknehmen könnte. Dafür, dass der Rechtsmittelbeklagte wegen der vor der mündlichen Verhandlung abgegebenen Verzichtserklärung stärker geschützt sein sollte als im Regelfall einer Entscheidung gemäß § 101 Abs. 1 VwGO, ist kein Grund ersichtlich.

Diese Auslegung des § 126 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist auch mit den Grundrechten des Berufungsbeklagten, insbesondere mit der Eigentumsgarantie und dem mit ihr verbundenen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 6/74 u.a. - BVerfGE 37, 132 <141>, vom - 1 BvR 385/77 - BVerfGE 53, 30 <65> und vom - 1 BvR 361/93 - BVerfGE 89, 340 <342>) vereinbar. Wenn die Berufung wirksam zurückgenommen wird, verliert gemäß § 127 Abs. 5 VwGO auch die Anschließung ihre Wirkung; das verwaltungsgerichtliche Urteil wird insgesamt rechtskräftig. Soweit der Berufungsbeklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hatte, ist er durch die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils nicht beschwert. Soweit er unterlegen war, hätte er innerhalb der Berufungsfrist selbst Berufung einlegen können. Schließt er sich lediglich gemäß § 127 VwGO der Berufung an, muss er die Rechtsfolgen einer Zurücknahme der Berufung (§ 127 Abs. 5 VwGO) in Kauf nehmen; das gilt unabhängig davon, ob die Anschließung in der Sache hätte Erfolg haben müssen oder nicht. Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zum Berufungsgericht oder eine Verletzung der Eigentumsgarantie liegt darin entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

1.2

Jedenfalls die in der mündlichen Verhandlung vom erklärte Rücknahme der Berufung war hiernach auch ohne Einwilligung des Klägers wirksam. In der mündlichen Verhandlung vom hatten die Beteiligten Anträge nicht gestellt. In der mündlichen Verhandlung vom hat der Beklagte die Berufung vor Stellung der Sachanträge zurückgenommen. Es stellt auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar, dass der Vorsitzende, der gemäß § 103 Abs. 1 VwGO die Verhandlungsleitung inne hat, in der mündlichen Verhandlung vom die Anträge erst hat stellen lassen, nachdem die Beklagte die Zurücknahme der Berufung erklärt hat. Anträge können abweichend vom Wortlaut der §§ 103, 104 VwGO auch später gestellt werden. Die Beteiligten haben grundsätzlich keinen Anspruch auf einen bestimmten Ablauf der mündlichen Verhandlung. Insbesondere stellt es kein Anzeichen von mangelnder Neutralität dar, wenn sich ein Gericht bei der Gestaltung des Gangs der mündlichen Verhandlung auch von verfahrensökonomischen Gesichtspunkten leiten lässt und damit das Interesse des von einer Rücknahme betroffenen Prozessgegners an einer Entscheidung zurückstellt.

2.

Das Berufungsgericht hat auch in Übereinstimmung mit Bundesrecht die Anschlussberufung des Klägers als unzulässig verworfen und ihm die diesbezüglichen Kosten auferlegt.

Da die Beklagte die Berufung wirksam zurückgenommen hat, der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom aber ausdrücklich den Antrag gemäß seiner Anschlussberufung gestellt und damit die unselbständige Anschlussberufung - im Wissen um ihre Unwirksamkeit - ausdrücklich aufrechterhalten hat, hätte es nicht genügt, die Unwirksamkeit der Anschlussberufung deklaratorisch gemäß § 127 Abs. 5 VwGO festzustellen. Da die Anschlussberufung jedenfalls durch die Zurücknahme der Berufung unzulässig (geworden) ist, war sie mit der Kostenfolge zu Lasten des Klägers zu verwerfen.

Die Kosten sind zwar dann nicht dem Anschlussrechtsmittelkläger aufzuerlegen, wenn das Anschlussrechtsmittel durch eine allein im Belieben des Rechtsmittelklägers stehende, mithin ohne Einwilligung wirksame Zurücknahme (hier:) der Berufung ohne gerichtliche Sachentscheidung hinfällig wird. Denn in diesem Fall nimmt der Rechtsmittelkläger dem Gericht durch die ohne Einwilligung wirksame Rücknahme jede Möglichkeit, über die Erfolgsaussicht des Anschlussrechtsmittels zu entscheiden, weil sie nicht frei von der gegnerischen Berufung weiterverfolgt werden kann (§ 127 Abs. 5 VwGO). Fehlt es hingegen an der Abhängigkeit von der Rücknahme des Rechtsmittels, weil es zur Wirksamkeit der Rücknahme der Einwilligung des Anschlussrechtsmittelklägers bedarf, ist eine Kostenquotelung nach dem Wert der Berufung und der unselbständigen Anschlussberufung gerechtfertigt ( - FamRZ 2005, 513). In diesem Fall ist die Unwirksamkeit des Anschlussrechtsmittels keine unabwendbare Folge der Zurücknahme des Hauptrechtsmittels, weil der Anschlussrechtsmittelkläger es in der Hand hat, ob sein Anschlussrechtsmittel unwirksam wird ( BVerwG 8 C 73.66 - BVerwGE 26, 297 <301> unter Bezugnahme auf den Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom - GSZ 2/51 - BGHZ 4, 229).

Im vorliegenden Fall bedurfte es - wie dargelegt - zur Wirksamkeit der Rücknahme zwar nicht der Einwilligung des Klägers; die Rücknahme stand im Belieben der Beklagten. Der Kläger hat es indes nicht bei dieser prozessualen Situation belassen. Er hat vielmehr dadurch, dass er nach der wirksamen Zurücknahme den Antrag aus dem Schriftsatz vom gestellt hat, seine gemäß § 127 Abs. 5 VwGO wirkungslos gewordene Anschlussberufung weiterverfolgt und darüber eine Entscheidung des Gerichts begehrt, die ohne dieses Begehren nicht erforderlich gewesen wäre, weil die Rechtsfolge aus § 127 Abs. 5 VwGO kraft Gesetzes eintritt. In diesem Fall ergeht über das unselbständige Anschlussrechtsmittel eine eigene Entscheidung, die bei der einheitlichen Kostenentscheidung zu berücksichtigen ist (Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2007, § 155 Rn. 16). Die Situation ist nicht anders, als wenn der Kläger zu einem Zeitpunkt, als die Berufung infolge ihrer Zurücknahme nicht mehr anhängig war, erneut Anschlussberufung erhoben hätte ( IVb ZR 51/86 - BGHZ 100, 383). Auch in einem solchen Fall ist die Anschlussberufung als unzulässig zu verwerfen und hat der Anschlussberufungskläger die Kosten zu tragen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die Kosten des Berufungsverfahrens dem Verhältnis der Streitwerte von Berufung und Anschlussberufung entsprechend dem Kläger zu 3/4 und der Beklagten zu 1/4 auferlegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 1764 Nr. 24
QAAAD-05486