BFH Beschluss v. - VII B 54/08

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls; schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels

Gesetze: StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da der Kläger mit 13 Haftbefehlen sowie der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei und er die daraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Der Kläger habe auch nicht den Nachweis erbracht, dass in seinem Fall ausnahmsweise eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. schon nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. Soweit die Beschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als Verfahrensmangel geltend macht, weil zwei der 13 im Schuldnerverzeichnis eingetragenen Haftbefehle dem Kläger erst im Termin zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gegeben worden seien, weshalb er hierzu nicht habe Stellung nehmen können, ist der angebliche Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt.

Abgesehen davon, dass sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG nicht ergibt, dass —wie die Beschwerde vorträgt— der Kläger die seiner Ansicht nach mangelnde Möglichkeit einer Stellungnahme zu den beiden neuen Eintragungen gerügt hat, ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb —wie der Kläger behauptet— ihm diese beiden Eintragungen bis dahin unbekannt waren. Es ist anzunehmen und auch das FG durfte dementsprechend davon ausgehen, dass der Kläger Kenntnis davon hat, dass und in welcher Höhe Forderungen gegen ihn bestehen und welche vergeblichen Vollstreckungsversuche derentwegen bisher unternommen worden sind. Sollte das Beschwerdevorbringen zutreffen, dass der Kläger die Eintragungen der beiden Haftbefehle und die ihnen zugrunde liegenden Forderungen nicht kannte, sondern er seine Kenntnis von Eintragungen im Schuldnerverzeichnis allein aus dem Klageverfahren gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater bezog, so wäre dies ein deutlicher Hinweis dafür, dass er den Überblick über die gegen ihn bestehenden Forderungen verloren hat.

Darüber hinaus erfordert die zulässige Verfahrensrüge einer Gehörsverletzung, dass der Beteiligte im Einzelnen substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch zusätzlich vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung dieses Vorbringens eine andere Entscheidung des FG in der Sache möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 14, m.w.N.). An solchen Darlegungen der Beschwerde fehlt es jedoch. Dass die Eintragungen der beiden Haftbefehle im Schuldnerverzeichnis nicht bestehen und dass der Kläger Entsprechendes vorgebracht hätte, macht die Beschwerde nicht geltend. Soweit vorgetragen wird, dass der Kläger, hätte er Kenntnis von den weiteren Eintragungen gehabt, mit den Gläubigern Vergleichsverhandlungen geführt bzw. die Forderungen getilgt hätte, verkennt die Beschwerde, dass —wie bereits ausgeführt— es nicht Aufgabe des FG im Widerrufsverfahren ist, den betroffenen Steuerberater über die gegen ihn bestehenden Forderungen aufzuklären, um ihm Gelegenheit zu geben, diese zu begleichen. Im Übrigen ist in Anbetracht der zahlreichen übrigen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nicht ersichtlich, dass im Fall weiteren Vorbringens des Klägers zu den Eintragungen der beiden genannten Haftbefehle eine andere Entscheidung des FG in der Sache möglich gewesen wäre, denn in jedem Fall war wegen dieser anderen Eintragungen der Vermögensverfall des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu vermuten.

Auch wird mit dem Beschwerdevorbringen, dass das FG den Vortrag des Klägers zu Vergleichsangeboten gegenüber zwei Gläubigern nicht gewürdigt habe, kein Verfahrensmangel dargelegt. Das FG ist nicht verpflichtet, sich in der Urteilsbegründung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu befassen. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat (, BFH/NV 2001, 1292). Daher liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder gänzlich unbeachtet gelassen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (, BFH/NV 2003, 335, m.w.N.). Hiervon kann im Streitfall jedoch nicht gesprochen werden, weil im Tatbestand des angefochtenen Urteils der klägerische Vortrag zu den Vergleichsvorschlägen wiedergegeben ist. Das FG hat diesen Vortrag nur nicht in der Weise gewürdigt, wie es die Beschwerde für zutreffend hält, weil es —wie sich auch aus anderen Zusammenhängen ergibt— bei der Tatsachenwürdigung zukünftige, vom Kläger lediglich als noch zu erwarten angegebene Einkünfte unberücksichtigt gelassen hat. Ein Verfahrensmangel kann hierin nicht gesehen werden.

2. Auch soweit die Beschwerde eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG bzw. einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten rügt, macht sie im Wesentlichen lediglich geltend, dass das FG klägerisches Vorbringen nicht so gewürdigt habe, wie sie es für richtig hält.

Die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93).

Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Es ist nicht erkennbar, dass das FG bestimmte, sich im Streitfall aufdrängende Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung unterlassen hat. Das FG hat die Angaben des Klägers zu seinen laufenden Einnahmen zur Kenntnis genommen und seiner Prüfung zugrunde gelegt, hat aber die Ansicht vertreten, dass damit weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen sei, dass der Kläger in der Lage sei, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, zumal ein angegebenes Geschäftsführergehalt entfallen war und der Kläger nach eigenen Angaben Kosten für die Heimunterbringung seiner Ehefrau aufbringen musste. Dabei hat das FG —wie ausgeführt— nach Angaben des Klägers erst noch zu erwartende Einkünfte, wie noch einzuziehende Althonorarforderungen oder ein angeblich von einer Mandantin zugesagtes Tätigkeitshonorar, außer Betracht gelassen. Diese Würdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt jedenfalls keinen Verfahrensfehler dar. Die Beschwerde stellt dem lediglich ihre eigene Tatsachenwürdigung gegenüber, wenn sie meint, dass der Kläger zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten ausreichend zur Verfügung stehende Liquidität nachgewiesen habe. Dass und welche möglichen Maßnahmen der Sachaufklärung das FG nicht wahrgenommen hat, beschreibt die Beschwerde nicht. Sie vertritt die Ansicht, dass das FG einen Hinweis hätte geben müssen, wenn es den Vortrag des Klägers zu seinen Einkommensverhältnissen nicht für glaubhaft hielt, wobei sie zum einen verkennt, dass das FG die Angaben des Klägers nicht für unglaubhaft, sondern für unzureichend gehalten hat, und zum anderen nicht darlegt —was erforderlich wäre—, was der Kläger im Fall des von ihm für erforderlich gehaltenen gerichtlichen Hinweises weiter vorgetragen hätte.

Auch soweit die Beschwerde die Auffassung des FG beanstandet, dass in dem vom Kläger erstellten Vermögensverzeichnis vom keinerlei nennenswertes Vermögen und Einkommen genannt worden sei, bezeichnet sie keinen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, sondern bewertet die Tatsachen nicht in der Weise, wie es das FG getan hat, indem sie —anders als das FG— offene Forderungen des Klägers gegen Altmandanten zu dem für die Tilgung seiner Verbindlichkeiten realisierbaren Vermögen zählt.

3. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beurteilung des FG, dass der Kläger den sog. Entlastungsbeweis nicht erbracht habe, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Die Beschwerde hält den diesbezüglichen Vortrag des Klägers aus dem finanzgerichtlichen Verfahren für ausreichend, während das FG dies nicht getan hat. Wenn die Beschwerde insoweit auf das erstinstanzliche Vorbringen verweist, wonach der Kläger als Geschäftsführer keine eigenen Mandanten und keinen Zugriff auf Mandantengelder habe, weil er keine Gelder treuhänderisch verwalte und Gelder auch nicht über seine Konten oder die der Gesellschaft liefen, so stellt es entgegen der Ansicht der Beschwerde keinen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten dar, dass das FG dieses Vorbringen als für den Entlastungsbeweis nicht ausreichend angesehen hat. Dass —wie die Beschwerde behauptet— das FG angenommen hat, der Kläger habe Zugriff auf Mandantengelder, trifft nicht zu. Vielmehr hat das FG ausgeführt, dass der Kläger als Steuerberater und auch als Geschäftsführer jederzeit die Möglichkeit habe, mit Mandantengeldern in Berührung zu gelangen.

Dass für den sog. Entlastungsbeweis die bloße Behauptung bestimmter Tatsachen nicht ausreicht, sondern der betroffene Steuerberater substantiiert darzulegen und nachzuweisen hat, weshalb in seinem Fall eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen durch den Vermögensverfall ausgeschlossen werden kann, und dass entsprechende Beschränkungen auch dauerhaft gesichert sein müssen, entspricht der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats. Es konnte daher für den sachkundig vertretenen Kläger nicht überraschend sein, dass das FG bei seiner Entscheidung solche Umstände prüfen würde, weshalb es eines besonderen Hinweises seitens des Gerichts nicht bedurfte.

4. Die behauptete Divergenz zu dem Senatsurteil vom VII R 43/92 (BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203) ist weder schlüssig dargelegt noch besteht sie. Das FG ist in Übereinstimmung mit diesem Senatsurteil davon ausgegangen, dass sich der Nachweis der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen auf die nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters beziehen muss, und hat keinen hiervon abweichenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

5. Schließlich ist auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache weder schlüssig dargelegt noch liegt er vor. Die den Widerrufstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG betreffenden Rechtsfragen sind durch eine Vielzahl von Entscheidungen des beschließenden Senats geklärt. Neue klärungsbedürftige Rechtsfragen zeigt die Beschwerde nicht auf. Insoweit sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 423 Nr. 3
FAAAD-03673