BGH Beschluss v. - 2 StR 517/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 177 Abs. 1; StGB § 177 Abs. 4; StGB § 177 Abs. 5; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4

Instanzenzug: LG Bonn, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf den Strafausspruch beschränkte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die - offensichtlich unbegründete - Verfahrensrüge nicht ankommt.

1.

Das Landgericht hat bei der Strafzumessung den Strafrahmen des § 177 Abs. 4 StGB angewandt und hierzu ausgeführt: "Dieser Strafrahmen war auch zugrunde zu legen, da bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 177 Abs. 5 Halbsatz 1 StGB ausschied" (UA S. 19). Der minder schwere Fall der besonders schweren Vergewaltigung ist jedoch nicht in § 177 Abs. 5 Halbsatz 1 StGB, sondern in Halbsatz 2 geregelt. Der hiernach gemilderte Strafrahmen beträgt ein bis zehn Jahre; dagegen der Strafrahmen des Halbsatzes 1, der für minder schwere Fälle des § 177 Abs. 1 StGB gilt, nur sechs Monate bis fünf Jahre. Der bei der Abwägung über die mögliche Anwendung des gemilderten Strafrahmens dem Regelstrafrahmen des Absatzes 4 (fünf bis fünfzehn Jahre) als Alternative gegenüber stehende Rahmen ist somit im Fall des Absatzes 5 Halbsatz 1 eklatant niedriger; seine Anwendung würde, wäre sie zulässig, besonders hohe Anforderungen an das Vorliegen schuldmindernder Umstände stellen.

Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der zitierten Formulierung um ein reines Schreibversehen gehandelt haben könnte, enthalten die Urteilsgründe nicht. Soweit der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, es sei nicht ersichtlich, dass bei der Strafrahmenwahl die Höhe des alternativ zur Verfügung stehenden Strafrahmens eine Rolle gespielt haben könnte, trifft dies nicht zu. Vielmehr kann die Angemessenheit des Regelstrafrahmens trotz Vorliegens erheblicher Milderungsgründe regelmäßig nur mit Blick auf den alternativ zur Verfügung stehenden milderen Strafrahmen des minder schweren Falles beurteilt werden.

Da hier vom Landgericht gravierende Strafmilderungsgründe festgestellt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Tatrichter zu einer dem Angeklagten günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn er die Abwägung der alternativ zur Verfügung stehenden Strafrahmen auf zutreffender Grundlage vorgenommen hätte.

2.

Für die neue Verhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin:

a)

Die Annahme des Landgerichts, der Umstand, dass das Opfer einer Vergewaltigung Prostituierte ist und sich zur Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt zunächst bereit erklärt hat, sei nicht grundsätzlich und regelmäßig als strafmildernder Gesichtspunkt zu berücksichtigen, entspricht der Rechtsprechung des Senats und begegnet auch unter Berücksichtigung des von der Revision Vorgetragenen keinen rechtlichen Bedenken. Soweit sich aus der konkreten Vorgeschichte oder dem Ablauf des Tatgeschehens einer sexuellen Nötigung Milderungsgründe ergeben können, können diese nicht ohne Weiteres schon aus der Eigenschaft des Tatopfers als Prostituierte abgeleitet werden. Das Motiv der geschädigten Person, in die vom Täter gewünschten sexuellen Handlungen nicht einzuwilligen, ist für § 177 Abs. 1 StGB regelmäßig unerheblich. Aus dem hypothetischen Umstand allein, dass eine Person unter anderen Umständen, für ein Entgelt oder auch gegen ein höheres Entgelt in die Vornahme der vom Täter erzwungenen sexuellen Handlungen eingewilligt hätte, kann nicht schon ein bestimmender Milderungsgrund für das Erzwingen von sexuellen Handlungen abgeleitet werden, in welche das Tatopfer gerade nicht eingewilligt hat.

b)

Soweit das Landgericht die Verwirklichung des Nötigungstatbestands des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB neben dem Drohungstatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im Einzelnen strafschärfend berücksichtigt hat (UA S. 21), begegnet dies rechtlichen Bedenken. Zwar mag es Fälle geben, in denen aufgrund außergewöhnlicher Umstände der durch die Furcht des Tatopfers vor Gewaltanwendung in schutzloser Lage geschaffenen Zwangswirkung (vgl. Senatsurteil vom - 2 StR 345/05, BGHSt 50, 359, 368) ein neben dem durch ausdrückliche Drohung mit Gewalt begründeten Zwang bestehender Unrechtsgehalt zukommen kann. In der Regel erweist sich eine Lage, in welcher das Tatopfer durch ausdrückliche Drohung erfolgreich genötigt wird, aber gerade hierdurch als "schutzlos". Eine - allein objektiv ohnehin kaum bestimmbare (vgl. BGHSt 50, 356, 362 ; Renzikowski in MüKo § 177 Rdn. 40; Fischer aaO § 177 Rdn. 31 m.w.N.) - Lage äußerer Schutzlosigkeit kann die Zwangswirkung einer vom Täter ausdrücklich oder konkludent ausgesprochenen Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben verstärken. Sie wirkt dann als Teil dieser Drohung, hat aber keinen eigenen, selbständigen Unrechtsgehalt, der über die Verwirklichung des Tatbestands des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB hinausginge (vgl. Fischer aaO § 177 Rdn. 45, 58). Es erscheint daher bedenklich, bei Verwirklichung der Drohungsvariante des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB in einer Situation, in welcher die äußeren Voraussetzungen von Schutzlosigkeit im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB gegeben sind, die Verwirklichung auch dieser Tatbestandsvariante ohne Weiteres als unrechts- und straferhöhenden Umstand anzusehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
YAAAD-03123

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