Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 106; SGB V § 106 Abs 2 Satz 4; SGB V § 106 Abs 3 Satz 2 ff; SGB X § 20
Instanzenzug: Hessisches LSG, L 4 KA 34/06 SG Frankfurt am Main, S 5 KA 190/03
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln.
Der Kläger ist als Praktischer Arzt seit 1979 zur kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zugelassen. Sein Arzneiverordnungsaufwand je Behandlungsfall lag im Quartal I/1999 um 44 % über dem Durchschnitt der Fachgruppe der Allgemein- und Praktischen Ärzte, bei einer Fallzahl, die fast doppelt so hoch wie diejenige des Fachgruppendurchschnitts war. Beim Sprechstundenbedarf hatte er um 28 % weniger Aufwand als der Durchschnitt der Fachgruppe.
Auf Antrag der Krankenkassen befasste sich der Prüfungsausschuss mit der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers. Das Angebot des Prüfungsausschusses, Akteneinsicht zu nehmen, nahm der Kläger nicht wahr. Der Prüfungsausschuss rechnete einen besonders kostenintensiven Fall mit Verordnungskosten von 12.500 DM heraus und berechnete so die Durchschnittsüberschreitung auf 39 %. Er setzte einen Regress von 9.126,60 DM fest, dessen Berechnung Rückforderungsbeträge von 5 DM je Fall zur Grundlage hatte.
Der vom Kläger angerufene beklagte Beschwerdeausschuss zog Behandlungsscheine und Verordnungsblätter von den Krankenkassen bei - nach seinen Angaben entsprechend der Vorgabe von § 12 Abs 8 Prüfvereinbarung (PrüfV) mindestens ein Drittel. Außerdem lag ihm eine Verordnungsübersicht vor, aus der lediglich die Fallwerte der Arzneimittelverordnungen des geprüften Arztes je Versichertengruppe (Mitglieder/Familienangehörige/Rentner) im Vergleich zu den Fallwerten der Fachgruppe ersichtlich waren; die sog erweiterte Arzneimitteldatei war in den Akten nicht enthalten. Der Beklagte veranlasste eine ergänzende Einzelfallprüfung anhand von 10 % der Behandlungsfälle durch einen Prüfarzt und nahm insoweit eine Hochrechnung auf die Gesamtfallzahl vor. Der Kläger machte in der Verhandlung des Beklagten geltend, er könne die Überschreitungswerte, deren Richtigkeit er bezweifele, nicht überprüfen, weil ihm seine Computeranlage gestohlen worden sei. Der Beklagte reduzierte den Regressbetrag - unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags - auf einen Ausgangswert von 4,50 DM je Fall und in der Gesamtsumme auf 8.213,94 DM. Weder Praxisbesonderheiten noch kompensierende Einsparungen könnten anerkannt werden (Bescheid vom ).
Der Kläger hat Klage beim Sozialgericht (SG) erhoben. Dieses hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet (Urteil vom ). Zwar habe der Beklagte auf der Grundlage der von ihm beigezogenen Unterlagen und der sich daraus ergebenden Abrechnungsweise zu Recht Unwirtschaftlichkeit angenommen; insbesondere habe er dafür ausreichen lassen dürfen, dass der Verordnungsmehraufwand des Klägers im Bereich der sog Übergangszone liege, da der Beklagte sich auf eine ergänzende Prüfung von Einzelfällen mit anschließender Hochrechnung habe stützen können, und zutreffend habe er weder Praxisbesonderheiten noch kompensierende Einsparungen anerkannt. Die der Annahme der Unwirtschaftlichkeit zugrunde liegende Datengrundlage sei aber nicht ausreichend. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger seine bisher nicht substantiierten Einwendungen gegen die Richtigkeit der dem Regress zugrunde gelegten Verordnungskosten in rechtlich erheblicher Weise ergänzen könne, wenn er einen entsprechenden Hinweis erhalte oder ihm weitere Unterlagen zugänglich gemacht würden. Daher müsse der Beklagte weitere Unterlagen beziehen und dem Kläger dann Gelegenheit zur Akteneinsicht geben, damit er sein Vorbringen konkretisieren könne.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom ). Zwar müssten nicht sämtliche Originalverordnungsblätter bzw die davon angefertigten Printimages beigezogen werden; denn einen Anspruch darauf habe der Kläger nicht, der nur pauschal und ohne konkrete Darlegungen die Richtigkeit der zugrunde gelegten Verordnungsdaten bestritten habe. Die Prüfgremien müssten aber, um dem Kläger Gelegenheit zur Konkretisierung seines Vorbringens zu geben, weitere Unterlagen beiziehen, nämlich die von allen Krankenkassen zu erstellenden erweiterten Arzneimitteldateien, und diese dem geprüften Arzt - von Amts wegen -zugänglich machen. Es reiche nicht aus, dass dem Arzt lediglich bereits zusammengefasste Verordnungsübersichten - ohne Einzeldaten und nur Fallwerte bestimmter Verordnungen je Versichertengruppe im Vergleich zur Fachgruppe - vorlägen bzw zugänglich gemacht würden. Die Beiziehung der erweiterten Arzneimitteldateien sei nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Beklagte eine ergänzende Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung vorgenommen habe. Damit der Beklagte die erweiterten Arzneimitteldateien noch beiziehen und dem Kläger zugänglich machen könne, seien die Prüfgremien zur Neubescheidung zu verpflichten.
Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, die Aufhebung seines Bescheides durch das LSG verletze Bundesrecht. Die von den Vorinstanzen geforderte Beiziehung der erweiterten Arzneimitteldateien lasse sich weder aus § 106 SGB V noch aus § 20 SGB X rechtfertigen, und sie lasse sich auch nicht aus dem (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11) ableiten. Da der Kläger die Richtigkeit der ihm elektronisch zugeordneten Verordnungskosten lediglich unsubstantiiert bestritten habe, sei der Anscheinsbeweis, den die von den Krankenkassen elektronisch erfassten Verordnungskosten begründeten, nicht erschüttert, zumal er trotz Anerbietens durch die Prüfgremien nicht Einsicht in die Verwaltungsakten genommen habe. Eine Pflicht der Prüfgremien zur Beiziehung der erweiterten Arzneimitteldateien könne auch nicht aus der PrüfV abgeleitet werden. Die Hessische PrüfV enthalte keine Bestimmung über eine solche Beiziehung. Darin sei lediglich - wie dies gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 und Abs 3 Satz 2 ff SGB V vorgesehen werden könne - festgelegt, dass die Krankenkassen mindestens ein Drittel der Behandlungsausweise und Verordnungsblätter ihrem Antrag beifügen und einander zuordnen müssten, wie dies im Prüfverfahren betreffend den Kläger auch erfolgt sei. Die von den Vorinstanzen angenommene Pflicht zur Beiziehung weiterer Unterlagen könne ferner nicht auf den Vertrag über den Datenaustausch auf Datenträgern (Datenaustauschvertrag) gestützt werden. Denn dieser Vertrag lege zwar fest, dass erweiterte Arzneimitteldateien zu erstellen seien, sehe aber keine Beiziehung oä vor. Im Übrigen entfalte dieser Vertrag Wirkung allein im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern (den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung) und begründe keine Beiziehungs- und/oder Vorlagepflicht der Prüfgremien gegenüber den geprüften Ärzten.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1., die sich den Ausführungen des Beklagten anschließt und diese vertieft, beantragen,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt außerdem
hilfsweise, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Diese hätten den Beklagten zu Recht als verpflichtet angesehen, über seinen Widerspruch erneut zu entscheiden. Weil im Verfahren der Prüfgremien der Untersuchungsgrundsatz gelte, müssten diese von Amts wegen wichtige Erkenntnisquellen wie die erweiterten Arzneimitteldateien heranziehen. Ob der Arzt Akteneinsicht nehme, sei nicht relevant. Die Beiziehungspflicht gelte umso mehr dann, wenn schon bei anderen Ärzten Fehler bei den Datengrundlagen festgestellt worden seien, und zudem verstärkt dann, wenn - wie in seinem Fall, wie er es in der Sitzung des Beklagten geltend gemacht habe - eine nähere eigene Überprüfung ohne jene Dateien nicht möglich sei, weil ihm seine Computeranlage gestohlen worden sei. Verordnungsübersichten mit bloßen Zusammenfassungen von Gesamtwerten je Vertragsarzt reichten nicht aus.
Die Beigeladenen zu 2. bis 9. haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die vorinstanzlichen Urteile sind zu ändern und die Klage gegen den Regressbescheid des Beklagten ist abzuweisen. Der Regressbescheid ist rechtmäßig. Die Feststellung einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise des Klägers beruht auf einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten, die weder von der Rechtsgrundlage her noch von der Art und Weise der Durchführung her zu beanstanden ist.
Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist - wie bereits im angefochtenen Bescheid vom angegeben - § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom , BGBl I 2266). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößen (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (s zusammenfassend - SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN). Die Auswahl unter den verschiedenen Prüfmethoden liegt grundsätzlich im Ermessen der Prüfgremien. Dabei war nach der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Rechtslage davon auszugehen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode darstellt (vgl BSG, aaO, RdNr 13; ebenso - SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Arztgruppe, der der Arzt angehört, verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 55 S 307 f; SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; Nr 3 RdNr 14). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des Arztes in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, ihn nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, so hat dies die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (stRspr, s dazu zB BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Dies gilt ebenso, wenn es sich - wie dies im vorliegenden Fall in Rede steht - um Überschreitungen nur im Bereich der sog Übergangszone handelt, die Annahme der Unwirtschaftlichkeit aber durch eine ergänzende Einzelfallprüfung - evtl mit anschließender Hochrechnung - gestützt wird (s hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 267 f; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 9 RdNr 8). Der Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit wird allerdings entkräftet, wenn der Arzt darlegt - und sich dies als zutreffend erweist -, dass bei ihm besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Ärzte untypisch sind (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN). Eine solche Entkräftung des Anscheinsbeweises kann sich zum einen aus Praxisbesonderheiten und zum anderen aus sog kompensierenden Einsparungen ergeben (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319).
Auf dieser Grundlage ist das SG, gestützt auf die vom Beklagten bei seiner Entscheidung ausgewerteten Verordnungsdaten des Klägers, zu der Beurteilung gelangt, dass die Verordnungsweise des Klägers teilweise unwirtschaftlich war. Das SG hat in seinem Urteil ausgeführt, dass der Verordnungsmehraufwand des Klägers zwar nicht im Bereich des sog offensichtlichen Missverhältnisses liege, es sich aber um Überschreitungen im Bereich der sog Übergangszone handele und die Annahme der Unwirtschaftlichkeit durch die vorgenommene ergänzende Einzelfallprüfung - mit anschließender Hochrechnung - gestützt werde sowie weiterhin auch weder Praxisbesonderheiten noch kompensierende Einsparungen anerkannt werden könnten. Gegen dieses Urteil des SG hat allein der Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat die Feststellungen und Bewertungen des SG weder mittels Einlegung einer Berufung bzw Anschlussberufung noch mittels Erhebung von sog Gegenrügen im Berufungsverfahren angegriffen, sodass diese Grundlagen im weiteren Verfahren für die Beteiligten bindend feststehen (zu dieser Bindungswirkung s - SozR 4-1500 § 141 Nr 1, insbesondere RdNr 23). Dementsprechend hat das LSG diese Feststellungen und Bewertungen in seinem Urteil nicht mehr überprüft, und ebenso wenig besteht im Revisionsverfahren eine Möglichkeit, sie zu überprüfen.
Der Überprüfung im Revisionsverfahren zugänglich sind allein die Feststellungen und Bewertungen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens vor dem LSG gewesen und durch die Revision des Beklagten nunmehr auch Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind. Mithin ist vom Revisionsgericht nur zu überprüfen, ob der Beklagte die Verordnungsdaten, von denen er in seinem Regressbescheid ausgegangen ist, so zugrunde legen durfte oder ob die Vorinstanzen zu Recht den Bescheid aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet haben.
Diese Überprüfung führt zu dem Ergebnis, dass die Verurteilung zur Neubescheidung nicht berechtigt gewesen ist. Dies ergibt sich aus den nachfolgend dargestellten Grundsätzen, die der Senat in seinen Urteilen vom und vom herausgearbeitet hat (BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9 und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11) und die hier weiterentwickelt werden.
Nach der Rechtsprechung des Senats - sowohl zur sog pauschalen statistischen Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten als auch zur Richtgrößen-Prüfung (s vorgenannte BSG-Urteile) - ist zunächst von der Richtigkeit der elektronisch ermittelten Verordnungsvolumina auszugehen. Dies folgt aus der Konzeption der §§ 284 ff iVm §§ 296, 297 SGB V, wonach die elektronische Erfassung und Verarbeitung der verordnungsbezogenen Daten die Grundlage für die Verordnungsprüfung bilden sollen (BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, jeweils RdNr 12 ff; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, jeweils RdNr 26 ff). Die auf den Verordnungsblättern enthaltenen Informationen werden im Wege elektronischer Datenverarbeitung eingelesen, den einzelnen Ärzten über die angegebene Arztnummer zugeordnet und dann weiterverarbeitet. Hierdurch wird nicht nur die rationelle Bewältigung der massenhaft in Apotheken im gesamten Bundesgebiet anfallenden Datenmengen ermöglicht, sondern zugleich auch gewährleistet, dass möglicherweise sensible Gesundheitsdaten ohne unmittelbaren Versichertenbezug übermittelt und für Zwecke der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgewertet werden. Die im Rahmen einer solchen elektronischen Datenverarbeitung möglichen Fehlerquellen sind dabei qualitativ nicht grundsätzlich anders als Fehlerfassungen, wie sie bei der Zusammenführung, Sortierung und Saldierung von in Papierform vorliegenden Verordnungsblättern auftreten können. Deshalb ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber als Basis für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungsweise die aufgrund elektronischer Übermittlung und IT-gesteuerter Zusammenfassung gewonnenen Verordnungsdaten des jeweiligen Arztes und seiner Arztgruppe vorgegeben hat.
Ergibt sich allerdings für die Prüfgremien der Verdacht von Fehlern bei der Berechnung des dem geprüften Arzt zugeordneten Verordnungsvolumens oder macht der geprüfte Arzt substantiierte Zweifel geltend - dh konkrete und plausible Angaben, die die Richtigkeit der elektronisch ermittelten Ergebnisse zweifelhaft erscheinen lassen -, so müssen die Prüfgremien dem nachgehen und erforderlichenfalls weitergehende Ermittlungen anstellen (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, jeweils RdNr 31 iVm RdNr 33). Führt dies zur Feststellung von Fehlern, so sind in dement-sprechendem Umfang Verordnungsbeträge in Abzug zu bringen. Dies gilt auch dann, wenn sich die substantiiert geltend gemachten Zweifel nicht aufklären lassen, weil die davon betroffenen Verordnungsblätter bzw Printimages nicht mehr vorgelegt werden können (BSG, aaO, RdNr 33).
Betrifft der Korrekturbedarf ein erhebliches Verordnungsvolumen - dh mindestens 5 % der Verordnungskosten -, so ist der Anscheinsbeweis der Vermutung der Richtigkeit, den die elektronisch erfassten und verarbeiteten Verordnungsdaten begründen, erschüttert. Dann müssen sämtliche einzelnen Verordnungsblätter bzw Printimages des Arztes herangezogen werden, und die vom Arzt tatsächlich veranlassten Verordnungskosten sind durch individuelle Auswertung sämtlicher noch vorhandener Verordnungsblätter bzw Printimages zu ermitteln. Soweit die vollständige Beiziehung der Verordnungsblätter bzw Printimages nicht gelingt, haben die Prüfgremien einen entsprechenden Sicherheitsabschlag von dem ggf festzusetzenden Regress vorzunehmen (BSG, aaO, RdNr 33).
In Fortführung dieser Grundsätze ist die im vorliegenden Verfahren im Vordergrund stehende Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen die Prüfgremien sich von den Krankenkassen die sog erweiterten Arznei- bzw Heilmitteldateien vorlegen lassen und sie dem geprüften Arzt zur Einsicht zur Verfügung stellen müssen, dahingehend zu beantworten, dass die Prüfgremien hierzu - entgegen der Auffassung des LSG - nicht in jedem Fall von Amts wegen verpflichtet sind. Dies ist vielmehr nur dann im Sinne des § 21 Abs 1 Satz 1 SGB X erforderlich, wenn die Prüfvereinbarung dies vorschreibt (was im streitgegenständlichen Zeitraum in Hessen anders als in anderen KÄV-Bezirken nicht der Fall war) oder aber der geprüfte Arzt substantiierte Zweifel gegenüber dem elektronisch ermittelten Verordnungsvolumen vorbringt und zur weiteren Aufklärung die Heranziehung der erweiterten Arznei- bzw Heilmitteldateien verlangt. Dabei brauchen die Zweifel allerdings nicht ein erhebliches Verordnungsvolumen von mindestens 5 % der Verordnungskosten zu betreffen, sondern es reicht aus, wenn sie sich nur auf einzelne Verordnungsbeträge beziehen und zur Behebung der Zweifel die Heranziehung der erweiterten Arznei- bzw Heilmitteldateien möglicherweise hilfreich sein kann. Die Anforderungen daran, von welchen Voraussetzungen die Heranziehung der erweiterten Arznei- bzw Hilfsmitteldateien abhängig gemacht wird, dürfen nicht überspannt werden. Denn diesen Statistiken kann - vergleichbar den Häufigkeitsstatistiken im Honorarbereich - im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung erhebliche Bedeutung zukommen. Ihre Erstellung ist gemäß § 295 Abs 3 SGB V iVm den dazu getroffenen näheren Vereinbarungen vorgesehen, und sie enthalten eine für die Prüfpraxis ggf aufschlussreiche Zusammenstellung zahlreicher Daten (vgl dazu § 295 Abs 3 SGB V und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, jeweils RdNr 32 f).
Soweit die Prüfgremien auf entsprechende Darlegungen des Arztes hin verpflichtet gewesen wären, sich von den Krankenkassen die erweiterten Arznei- bzw Heilmitteldateien vorlegen zu lassen und sie dem Arzt zur Einsicht zur Verfügung zu stellen, stellt ihre Nichteinbeziehung zur Sachverhaltsaufklärung einen Verfahrensfehler dar, der grundsätzlich zur Aufhebung des Bescheides des Beschwerdeausschusses führt. Die ergänzende Beiziehung von Unterlagen mit anschließender Feststellung der daraus zu entnehmenden Tatsachen und deren Bewertung sind im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen grundsätzlich den Prüfgremien vorbehalten, weil diese bei der Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einen Beurteilungsspielraum haben, es sei denn, es wären lediglich rechnerische oä Fragen betroffen (vgl dazu umfassend BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, jeweils RdNr 36 mwN). Erübrigen würde sich die an sich erforderliche Beiziehung weiterer Unterlagen - und dementsprechend die gerichtliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides - nur dann, falls es im Sinne des § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich wäre, dass der Fehler die Entscheidung des Beschwerdeausschusses in der Sache nicht beeinflusste. Dies könnte etwa dann in Betracht kommen, wenn im Gerichtsverfahren die erweiterten Arznei- bzw Heilmitteldateien vorgelegt worden sind und anhand dieser Unterlagen vom Beklagten bzw von den Krankenkassen nachvollziehbar dargestellt wird, dass die vom geprüften Arzt erhobenen Einwendungen gegen die Richtigkeit des ihm elektronisch zugeordneten Verordnungsvolumens nicht durchgreifen. Ohne solche Darlegungen kann jedoch nicht angenommen werden, es sei offensichtlich, dass das Fehlen dieser Dateien die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe (zum notwendig engen Verständnis des Merkmals der Offensichtlichkeit vgl zB Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 46 RdNr 78 ff; s auch Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB X, Stand Mai 2006, § 42 RdNr 8 ff).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass der Beklagte davon absehen durfte, die erweiterten Arzneimitteldateien beizuziehen. Es fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten, um entgegen der Bewertung des LSG davon auszugehen, der Kläger habe substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der elektronisch erfassten Verordnungskosten geltend gemacht. Die Beurteilung des LSG, die vom Kläger dagegen erhobenen Einwendungen seien nur pauschal und ohne konkrete Darlegungen, ist nicht erschüttert. Der Hinweis des Klägers, bei anderen Ärzten seien Mängel bei den zugrunde gelegten Verordnungsdaten festgestellt worden, kann nicht die Notwendigkeit ersetzen, bezogen auf die eigene Verordnungstätigkeit im konkret in Frage stehenden Quartal (hier I/1999) substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der elektronisch erfassten Verordnungskosten darzutun (zum Erfordernis gesonderter Beurteilung jeden Quartals s zB -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, und LSG Baden-Württemberg MedR 1996, 139, 142 unter 4.a).
Eine andere Beurteilung kann sich nicht aus dem Vorbringen des Klägers ergeben, ihm sei sein Praxiscomputer gestohlen worden, sodass er seine eigenen Daten nicht mehr zur Verfügung gehabt habe und deshalb zu substantiierten Einwendungen gegen die von den Prüfgremien angeführten Verordnungsdaten nicht in der Lage gewesen sei. Darauf kann sich der Kläger nicht berufen, weil es eine Obliegenheit jeden Arztes ist, für den Fall von Datenverlust Sicherungskopien anzulegen (vgl § 42 Abs 6 Bundesmantelvertrag-Ärzte idF vom , DÄ 1995, C-395, 407). Derjenige, der dies unterlässt, muss die Folgen davon tragen. Ihm können Erleichterungen bei den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung - sei es im Rahmen von Praxisbesonderheiten oder im Rahmen von Einwendungen gegen zugrunde gelegte Verordnungsdaten - nicht gewährt werden.
Nach alledem sind die vorinstanzlichen Entscheidungen auf die Revision des Beklagten hin zu ändern und die Klage gegen den Arzneikostenregress für das Quartal I/1999 ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der Kläger als der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1 VwGO). Dies umfasst auch Kosten der Beigeladenen zu 1., weil von den Beigeladenen nur diese sich im Verfahren beteiligt und - in der ersten und dritten Instanz - auch Anträge gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, jeweils RdNr 16).
Die Festsetzung des Streitwerts auf 8.214 DM = 4.200 Euro erfolgt auf der Rechtsgrundlage des § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47, § 40 Gerichtskostengesetz. Im Falle von Honorarkürzungen oder Regressen ist der Streitwert nach dem vollen Betrag, wie dieser in dem angefochtenen Bescheid ausgewiesen bzw im Instanzenzug noch streitbefangen ist, zu bemessen (so auch Wenner/Bernard, NZS 2001, 57, 64; 2003, 568, 572; 2006, 1, 7; jeweils unter IV. 2.). Die vom LSG vorgenommene Halbierung, wie sie von den Verwaltungsgerichten bei Verpflichtungs-Neubescheidungen praktiziert wird, passt nicht auf Neubescheidungen, die - wie vorliegend - im Rahmen der Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts begehrt und ausgesprochen werden. Bei Anfechtungsklagen wird - auch von den Verwaltungsgerichten - anerkannt, dass der mit dem Verwaltungsakt angeforderte Betrag stets in voller Höhe als Streitwert zugrunde zu legen ist. Dabei ist unerheblich, dass nach der Rechtsprechungspraxis des BSG in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung verfahrenstechnisch im Rahmen von Anfechtungsklagen Neubescheidungsurteile ergehen und dementsprechend auch die Sachanträge der Beteiligten typischerweise nur auf eine Neubescheidung gerichtet sind (s hierzu insbesondere Wenner/Bernard NZS 2001, 57, 64).
Fundstelle(n):
TAAAD-02802