Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1; SGB V § 189; SGB V § 188 Abs 2 Satz 1; SGB V § 188 Abs 3; SGB V § 9 Abs 2 Nr 1
Instanzenzug: SG Kassel, S 12 KR 317/06 vom
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die 1948 geborene Klägerin ab dem freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse geworden ist.
Die aus Kroatien stammende Klägerin reiste 1996 nach dem Tod ihrer Mutter in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seither lebt sie hier im Haushalt ihrer Schwester, ohne gleichzeitig anspruchsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) zu sein. Die Klägerin leidet an einem angeborenen Hirnschaden und ist ständig auf die Hilfe Dritter angewiesen. Nachdem eine familiäre Versorgung der Klägerin in Kroatien mit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr gewährleistet war und ihre Schwester bereits längere Zeit in Deutschland lebte, war die Einreise der Klägerin aus humanitären Gründen im Wege der Familienzusammenführung erlaubt worden. Gleichzeitig war der Klägerin dabei aufenthaltsrechtlich eine selbstständige Erwerbstätigkeit oder eine vergleichbare unselbstständige Erwerbstätigkeit von Anfang an nicht gestattet worden. Bei jährlicher Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde der Unterhalt der Klägerin zunächst allein durch ihre Schwester und deren Ehemann sichergestellt, wobei die Klägerin auf der Grundlage eines Beschlusses des zuständigen Amtsgerichts in Deutschland von ihrer Schwester gesetzlich betreut wird.
Die Klägerin bezog bis zum vom Sozialamt der Stadt Kassel, der Beigeladenen zu 1), Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Anschließend bewilligte ihr die beigeladene Arbeitsförderung Kassel-Stadt GmbH (AFK - Beigeladene zu 2) ua mit Bescheiden vom und zuletzt vom für die Zeit vom bis ALG II, obwohl die Klägerin angegeben hatte, arbeitsunfähig zu sein und auch einer dreistündigen Erwerbstätigkeit nicht nachgehen zu können. In dieser Zeit war sie pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Mit weiterem Bescheid vom wurde die Bewilligung von ALG II mit Bescheid vom für die Zukunft ab dem aufgehoben. Seit dem bezieht die Klägerin von der Beigeladenen zu 1) laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Nachdem die Beigeladene zu 1) auf ihr entsprechendes Ersuchen nach § 45 SGB XII eine Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom erhalten hatte, der zu Folge die Klägerin seit Geburt unabhängig von der Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS des § 43 SGB VI ist, bewilligte sie außerdem Leistungen nach dem SGB XII rückwirkend ab . Für den Zeitraum vom 1.3. bis wurden der Beigeladenen zu 2) die der Klägerin bereits nach dem SGB II bis bewilligten Leistungen erstattet.
Am erklärte die Klägerin ihren Beitritt zur Beklagten im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung. Mit Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom wurde die Durchführung der freiwilligen Krankenversicherung mit der Begründung abgelehnt, dass die Klägerin die hierfür erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfülle, da sie ALG II wegen fehlender Erwerbsfähigkeit zu Unrecht bezogen habe.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom in vollem Umfang abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien sachlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin erfülle die erforderlichen Vorversicherungszeiten nicht und sei deswegen nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten in der GKV geworden. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin während des Bezuges von ALG II durchgehend voll erwerbsgemindert und gerade nicht iS von § 8 Abs 1 SGB II erwerbsfähig gewesen sei. Die Leistung sei daher mit der Folge zu Unrecht bezogen worden, dass ein Beitrittsrecht in der GKV mangels Vorversicherungszeit nicht gegeben sei. Allein diese materielle Betrachtungsweise und ein eigenes Prüfungsrecht der Kassen entspreche dem Gesetz.
Die Klägerin wendet sich hiergegen mit der vorliegenden Revision. Im Gegensatz zur Auffassung des SG komme es allein auf die formelle Rechtmäßigkeit des ALG II-Leistungsbezuges an. Dass sie wohl zu keinem Zeitpunkt erwerbsfähig gewesen sei, sei daher rechtlich ohne Belang. Das Vorgehen der beteiligten Träger könne ihr jedenfalls nicht angelastet werden, sodass auch ihr Beitritt als freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung nicht hätte abgelehnt werden dürfen. Es könne nämlich in einem gegliederten Sozialversicherungssystem die Statusentscheidung oder Leistungsentscheidung eines Sozialleistungsträgers nicht dadurch berührt werden, dass ein anderer Sozialleistungsträger später diese Entscheidung materiell anders bewerte. Die Konflikte, die sich aus divergierenden Einschätzungen von Sozialleistungsträgern ergeben, seien zwischen diesen und nicht auf dem Rücken des Versicherten auszutragen. Eine Bindung der Beklagten an die Entscheidung des Trägers nach SGB II sei notwendig, um zu vermeiden, dass über längere Zeit der Krankenversicherungsschutz ungeklärt bleibe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom und den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin seit freiwilliges Mitglied bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Gesetz sei bewusst zum Schutz der Krankenkassen vor den Wirkungen rechtswidriger Entscheidungen über ALG II um die Formulierung ergänzt worden, dass die Vorversicherungszeit für die freiwillige Versicherung nicht erreicht werde, wenn das ALG II zu Unrecht bezogen worden sei. Läge es für die Frage der Vorversicherungszeit in den Händen der für die Leistungsbewilligung für das ALG II zuständigen Behörde, ob diese ihren ursprünglichen Bescheid aufhebe oder nicht, würde die gesetzgeberische Absicht, eine Risikoverteilung zwischen der Belastung der Solidargemeinschaft und der finanziellen Belastung der Sozialhilfeträger vorzunehmen, ins Leere gehen. Das geltende Recht müsse daher in der Weise ausgelegt werden, dass den Krankenversicherungsträgern ein Prüfrecht zustehe und bei Fehlen der Voraussetzungen für das ALG II die Vorversicherungszeit und damit die Beitrittsberechtigung auch dann ablehnen dürften, wenn der Bewilligungsbescheid für das ALG II formell nicht aufgehoben worden sei.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) stellen keinen eigenen Antrag. Sie schließen sich inhaltlich der Revisionsbegründung an.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Zu Unrecht hat daher das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist ab dem freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden.
Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V in der hier einschlägigen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom (BGBl I 3676) können der Versicherung beitreten Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren (Halbsatz 1). Nach Halbsatz 2 der Norm werden Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V und Zeiten, in denen eine Versicherung allein deshalb bestanden hat, weil ALG II zu Unrecht bezogen wurde, nicht berücksichtigt. Nach § 188 Abs 2 Satz 1 SGB V beginnt die Mitgliedschaft der in § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V genannten Versicherungsberechtigten mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Der Beitritt ist schriftlich zu erklären (§ 188 Abs 3 SGB V) und den Krankenkassen innerhalb von drei Monaten anzuzeigen (§ 9 Abs 2 Nr 1 SGB V).
Die Klägerin hat durch ihre form- und fristgerechte Erklärung vom zum wirksam eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten begründet. Sie hat in der Zeit vom bis ALG II bezogen und war deshalb nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Sie ist der Beklagten innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft mit Ablauf des (§ 190 Abs 12 SGB V) beigetreten. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die notwendige Vorversicherungszeit nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V sei nicht erfüllt, weil die Klägerin ALG II in der Zeit ab dem ganz oder teilweise zu Unrecht bezogen habe iS von § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V. Vorliegend hat die beigeladene Arbeitsförderung Kassel Stadt GmbH (Beigeladene zu 2), eine Arbeitsgemeinschaft, der Klägerin zuletzt mit Bescheid vom in Wahrnehmungszuständigkeit ua für die Agentur für Arbeit als Leistungsträger (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II gemäß § 44b Abs 3 SGB II in der Fassung durch Art 1 Nr 21 Buchst b des Kommunalen Optionsgesetzes vom , BGBl I 2014) für die Zeit vom bis ALG II bewilligt. Weil die zugrunde liegenden Bewilligungen mit Bescheid vom nur zukunftsgerichtet für die Zeit ab aufgehoben wurden, für Zeiten vorher indes bestehen blieben, bestimmen die ergangenen Bewilligungsverwaltungsakte der Beigeladenen zu 2) damit weiterhin die unmittelbaren leistungsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2) nach dem SGB II (§ 77 SGG) und begründen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs. Ob ggf ein Erstattungsanspruch zwischen den Trägern Einfluss auf den Bezug von ALG II auch im Zusammenhang des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V haben könnte, bedarf vorliegend keiner Erörterung. Eine Grundlage für die Zahlungen der Beigeladenen zu 1) an die Beigeladene zu 2) für die Zeit vom bis ist schon im Blick auf das gesetzliche Rangverhältnis (§ 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, § 2 Abs 1 SGB XI) nicht erkennbar. Zur Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Alg nach dem SGB III hat der Senat außerdem bereits entschieden, dass schon die Zuerkennung von Rechten und Ansprüchen auf eine Sozialleistung genügt, um für den entsprechenden Zeitraum einen Krankenversicherungsschutz begründenden "Bezug" dieser Leistung anzunehmen. Mit dem Erlass des Bewilligungsbescheides steht dann für den gesamten Bewilligungszeitraum gleichzeitig fest, dass auch die Krankenversicherung der Arbeitslosen besteht (, USK 2003-9 mit Hinweis auf , SozR 4100 § 159 Nr 5). Für den Bezug von ALG II gilt nichts anderes. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit und die gewählte Krankenkasse haben daher im Rechtsstreit über die Beitrittsberechtigung die Tatsache hinzunehmen, dass ein Verwaltungsakt über die Bewilligung von ALG II erlassen wurde, seinen Inhalt als gegeben zugrunde zu legen und in diesem Sinne den Verwaltungsakt zu beachten, selbst wenn er rechtswidrig sein sollte, es sei denn er ist nichtig (vgl zum allgemein anerkannten Inhalt der sog Tatbestandswirkung exemplarisch etwa , BGHZ 158, 19 und vom , I ZR 125/04, WRP 2007, 1359 = NVwZ-RR 2008, 154). Dem entspricht, dass die Rechtsprechung ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage des potenziell nach dem SGB II Leistungsberechtigten auf Feststellung der Zuständigkeit des hierfür zuständigen Trägers gerade auch im Blick auf den sich aus dem Leistungsbezug mittelbar ergebenden Versicherungsschutz ua nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V annimmt (vgl B 14/7b AS 16/07 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Bewilligungsverwaltungsakte der Beigeladenen zu 2) sind nicht nichtig. Allein der Umstand, dass die Klägerin bereits bei der Stellung des Antrags auf Alg II darauf hinwies, ihrer Ansicht nach sei sie nicht in der Lage, eine dreistündige Erwerbstätigkeit auszuüben, begründet nicht einen offensichtlichen schwerwiegenden Fehler der Bewilligungsverwaltungsakte. Die Beigeladene zu 2) hatte auf den Antrag ua die Leistungsfähigkeit der Klägerin selbst zu beurteilen. Aus der Sicht des Betroffenen musste ein die Leistung bewilligenden Verwaltungsakt dann den Eindruck erwecken, er sei nach Prüfung dieser Leistungsvoraussetzung ergangen. Der Umstand, dass die Beigeladene zu 2) eine solche Prüfung möglicherweise überhaupt nicht vorgenommen hatte, war jedenfalls für Außenstehende nicht offensichtlich. "Zu Unrecht" iS von § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V, der seine hier maßgebliche Fassung mit Wirkung zum durch Art 2a des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom (BGBl I 3676) erhalten hat, könnte ALG II unter diesen Umständen grundsätzlich nur bezogen sein, wenn und soweit die ursprünglich ergangenen Bewilligungsverwaltungsakte durch die hierfür zuständige Stelle zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben worden sind. In derartigen Fällen bleibt es zwar für die Vergangenheit dennoch bei der ursprünglich durch den Bezug von ALG II begründeten Versicherungspflicht (§ 5 Nr 2a SGB V), doch folgt dann aus § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V, dass sich allein aus dem ungerechtfertigten Bezug kein Recht auf eine freiwillige Fortsetzung der früheren bestandsgeschützten Mitgliedschaft besteht. Dafür, dass auch ein Leistungsbezug auf der Grundlage eines bestandskräftigen Verwaltungsakts des zuständigen Trägers ausnahmsweise dennoch aus sonstigen Gründen des materiellen Rechts "zu Unrecht" iS des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V erfolgt sein könnte, wobei dies die Beklagte in eigener Kompetenz zu prüfen hätte, fehlt es demgegenüber an Anhaltspunkten jedenfalls für die hier zugrunde zu legende Rechtslage vor Änderung des § 44a SGB II mit Wirkung vom .
Entgegen der Rechtsansicht der Krankenversicherungsträger ist insofern eine Unterscheidung nach "formellen", dem Verwaltungsverfahrensrecht entstammenden, und sonstigen, im einschlägigen Leistungsrecht des SGB II wurzelnden, "materiellen" Rechtsgründen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs nicht veranlasst. Da aus der Sicht der Gerichtsbarkeit alle Regelungen, aus denen sich Inhalt, Zustandekommen und Wirkungen von Entscheidungen der Verwaltung ergeben, dem sog materiellen Recht zugehören, hat die Beklagte bei ihrer (deklaratorischen) Entscheidung über die Wirksamkeit eines freiwilligen Beitritts auch eine bestandskräftige Bewilligung von ALG II zu beachten. Soweit darauf hingewiesen wird, auch andere Rechtsvorschriften des SGB stellten darauf ab, ob Leistungen "zu Unrecht" erbracht oder nicht erbracht worden seien, setzen diese Vorschriften gerade voraus, dass die Leistung ohne Verwaltungsakt erbracht wurde (§ 56 Abs 2 SGB X), regeln die Voraussetzungen der Rücknahme einer Leistungsablehnung (§ 44 Abs 1 SGB X) oder betreffen die Leistungsgewährung nach Erledigung des Verwaltungsaktes (§ 118 Abs 4 SGB VI). Ebenso kann Abweichendes auch dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz (§ 20 Abs 1 Satz 1 SGB X) nicht entnommen werden, der den Trägern der zweiten Gewalt zwar aufgibt, "den Sachverhalt von Amts wegen" zu ermitteln, damit aber nicht etwa selbst bereits die rechtlich relevanten Umstände festlegt, die Gegenstand einer derartigen Amtspflicht sind.
Die Gesetzesentwicklung zeigt schließlich, dass ein eigenständiges Überprüfungsrecht der Krankenkassen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Leistungsbewilligung bzw -gewährung nicht beabsichtigt gewesen ist. Bis zum hatten die Krankenkassen selbst im Verfahren zur Bewilligung von ALG II keinerlei Rechte als Beteiligte. Eine solche Beteiligung sah insbesondere § 44a SGB II in der hier maßgeblichen Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom (BGBl I 2014; § 44a SGB II aF) nicht vor. Nach dieser Fassung der Vorschrift stellt die Agentur für Arbeit fest, ob der Arbeitsuchende erwerbsunfähig und hilfebedürftig ist (Satz 1). Teilt der kommunale Träger oder ein anderer Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, die Auffassung der Agentur für Arbeit nicht, entscheidet die Einigungsstelle (Satz 2). Bis zur Entscheidung der Einigungsstelle erbringen die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Satz 3). Träger der gesetzlichen Krankenversicherung wie die Beklagte sind hiervon nicht erfasst. Vielmehr wäre ein Abstimmungsverfahren mit dem Ziel einer Klärung durch die Einigungsstelle allenfalls zwischen der Beigeladenen zu 2) und den in § 44a Satz 2 SGB II abschließend aufgeführten sonstigen Beteiligten durchzuführen gewesen. Zudem war in Fällen wie den vorliegenden bereits der Anwendungsbereich des § 44a SGB II aF nicht eröffnet. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Beigeladene zu 2) - anders als hier -Erwerbsunfähigkeit angenommen hätte und damit an ihrer Stelle bereits damals insbesondere die Beigeladene zu 1) als leistungspflichtig in Betracht gekommen wäre. Selbst dann hätte im Übrigen die Beigeladene zu 2) unabhängig von der ordnungsgemäßen Einleitung des verwaltungsinternen Einigungsstellenverfahrens grundsätzlich einstweilen endgültig (vgl zur ab dem eröffneten Möglichkeit vorläufiger Entscheidungen § 40 Abs 1 Nr 1a SGB II idF von Art 1 Nr 5 des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom , BGBl I 2407) ALG II zu erbringen gehabt. Da insofern Erwerbsfähigkeit zum Schutz des Hilfebedürftigen allein auf fiktiver Grundlage zu unterstellen gewesen wäre, wäre hier eine Überprüfung nach dem Maßstab des § 8 SGB II weder anfänglich noch nachträglich in Betracht gekommen (vgl zu alledem B 7b AS 10/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 2). Dem gegenüber hat es bei der Annahme von Erwerbsfähigkeit durch den für die Bewilligung von ALG II zuständigen Träger sein Bewenden gleichermaßen gegenüber dem Leistungsempfänger, der nicht in Gefahr gerät, im Zuständigkeitsstreit der Verwaltungsträger "zwischen zwei Stühlen zu sitzen," wie gegenüber den im Fall vollständiger Erwerbsminderung zuständigen Trägern, die bei dieser Sachlage nicht in Gefahr geraten, selbst leistungspflichtig zu werden.
Erst durch § 44a SGB II in der ab dem geltenden Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom (BGBl I 1706) ist nunmehr sichergestellt, dass das Vorliegen von Erwerbs(un)fähigkeit jeweils positiv wie negativ Gegenstand der Verfahren vor der Einigungsstelle sein kann und sich die aktuell als zuständig in Betracht kommende Krankenkasse an diesem Verfahren beteiligen kann. Diese Beteiligung kann sich gleichzeitig zu Gunsten des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung auswirken, indem dieses auch davor bewahrt bleibt, erkennbar "schlechte Risiken" später im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung übernehmen zu müssen. Dazu, ob und wie sich das ab dem geltende Recht insbesondere im Blick auf den möglichen Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit/der ARGE "entsprechend § 103 SGB X" iVm der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X auf die Anrechenbarkeit von Vorversicherungszeiten im Rahmen des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V auswirkt, braucht indes vorliegend nicht eingegangen zu werden.
Für die hier maßgebende Rechtslage bedurfte es jedoch gerade im Hinblick auf die ab geltende Fassung von § 44a SGB II der Begründung, warum der von jeder ursprünglichen Beteiligung ausgeschlossenen Beklagten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer bestandskräftigen Bewilligung von ALG II dennoch nachträglich eine umfassende eigene Prüfungsbefugnis zustehen sollte, wenn es um die Wirksamkeit des freiwilligen Beitritts geht. An derartigen Gründen fehlt es. Insbesondere mangelt es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine spezialgesetzliche Begrenzung der Tatbestandswirkung. Der Wortlaut des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V ("zu Unrecht") steht der Anwendbarkeit der Ausschlussklausel - wie dargelegt - in allen Fällen der materiellen Rechtmäßigkeit entgegen. Auch die Erläuterungen der Entwurfsverfasser (vgl BT-Drucks 16/245 S 9) lassen nicht erkennen, dass im Zusammenhang der Einfügung der Worte "und Zeiten, in denen eine Versicherung allein deshalb bestanden hat, weil Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen wurde" die Möglichkeit einer materiellen Rechtmäßigkeit aus Gründen der Tatbestandswirkung bzw der Bestandskraft überhaupt bedacht worden wäre und Eingang in das Gesetzgebungsverfahren gefunden haben könnte. Auch der dortige Hinweis, dass nicht die unzutreffende Annahme von Erwerbsfähigkeit das Recht zur freiwilligen Versicherung eröffnen solle, lässt sich damit in Einklang bringen, dass es gerade hieran fehlt, wenn der Bezug von ALG II seine Grundlage unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen in einem Verwaltungsakt findet. Dass es entsprechender Überlegungen bedurft hätte, ergibt sich indes aus der Rechtsprechung. So hat etwa das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum sog Pensionisten-Privileg entschieden, dass unabhängig von der Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs im Übrigen allein die Erteilung des Rentenbescheides an den im Versorgungsausgleich Ausgleichsberechtigten die Kürzung der Versorgung des Ausgleichsverpflichteten rechtfertigt und die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts von diesem hinzunehmen ist. Die durch Sachgründe gerechtfertigte Zuerkennung der Tatbestandswirkung verletze auch die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG nicht (vgl , BVerfGE 83, 182 = SozR 3-1100 Art 19 Nr 2; vgl ebenso zur Tatbestandswirkung eines Investitionsvorrangbescheides , WM 2000, 246). Unter Berufung hierauf hat der erkennende Senat etwa in seinem Urteil vom (12 RK 15/90, BSGE 70, 99, 102 ff = SozR 3-1500 § 54 Nr 15) dem Träger der Kriegsopferversorgung mangels eigener Betroffenheit ein Anfechtungsrecht gegen den Feststellungsbescheid verweigert, mit dem eine Krankenkasse die Mitgliedschaft eines schwerbeschädigten Rentners in der Krankenversicherung der Rentner verneint hatte. Vielmehr sei hier die Tatbestandswirkung des Statusbescheides der Krankenkasse hinzunehmen. Soll daher ein nicht anfechtungsberechtigter Dritt-Betroffener dennoch ausnahmsweise ganz oder teilweise von der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes des zuständigen Trägers befreit werden, muss dies im Gesetz nachvollziehbar seinen Ausdruck finden.
Gegen das von der Beklagten für richtig gehaltene Verständnis des Begriffs "zu Unrecht bezogen" in § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V spricht schließlich, dass damit eine Begrenzung der Überprüfung auf Fälle der Leistungsgewährung bei unzutreffender Annahme der Erwerbsfähigkeit nicht vereinbar wäre. Jede Krankenkasse, die für die freiwillige Versicherung gewählt wird, hätte vielmehr ein unbeschränktes Überprüfungsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung. Es könnten und müssten also von der Antragstellung bis zur Beurteilung der Bedürftigkeit alle für die Leistung von ALG II relevanten Tatsachen von den Krankenkassen selbstständig neu geprüft werden. Dass dies mit der Änderung von § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V gewollt sein könnte, wird aber ernstlich nicht einmal von der Beklagten oder - soweit erkennbar - anderen Krankenkassen geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstelle(n):
FAAAD-02782