Zur Klärbarkeit der Rechtsfrage, ob beim Vorsteuerabzug und einer anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung ein Schutz des guten Glaubens in Frage kommt
Gesetze: UStG § 6a Abs. 4, UStG § 15, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
Die auf grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensfehler gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche ist gegeben, wenn im konkreten Fall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im Interesse der Allgemeinheit der höchstrichterlichen Klärung bedarf, wobei sowohl die Klärungsbedürftigkeit als auch die Klärungsfähigkeit der als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage dargelegt werden muss (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). An der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage fehlt es dann, wenn das Finanzgericht (FG) sein Urteil auf eine alternative Begründung gestützt hat und der Kläger nicht für jeden der beiden Begründungsansätze einen Grund für die Revisionszulassung dargelegt hat (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom XI B 95/03, BFH/NV 2005, 2032; vom II B 34/04, BFH/NV 2005, 2229, m.w.N.). Daran fehlt es.
2. Das FG hat sein Urteil zum einen damit begründet, dass ein Schutz des guten Glaubens weder beim Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die Identität zwischen dem in der Rechnung angegebenen Rechnungsaussteller und dem wirklich Leistenden anzuerkennen sei noch bei einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a UStG hinsichtlich der Identität der Person des angeblichen Abholers. Überdies hat es ausgeführt, dass es nach den Gesamtumständen der Geschäfte (Barzahlung des PKW in erheblicher Höhe, sofortiger Weiterverkauf in Bar zum selben Kaufpreis, auffällige Unterschiede der Unterschrift des Abholers auf der Verbringenserklärung und im Pass) der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) der Verdacht unlauterer Umstände hätten aufkommen müssen, diese somit nicht als gutgläubig anzusehen sei. Das Geschäft habe vielmehr deutlich den Stempel umsatzbetrügerischen Kettenverkaufs getragen. An die —im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende— Würdigung des FG wäre der Senat in einem Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da die Klägerin keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen hiergegen erhoben hat. Über die Frage, „ob für den Vorsteuerabzug i.S.d. § 15 UStG ein Schutz des guten Glaubens an der Identität zwischen Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer existieren kann und welche Voraussetzungen dieser hat”, wäre im Revisionsverfahren danach schon deshalb nicht zu entscheiden, weil nach den Feststellungen des FG die Klägerin nicht gutgläubig war. Gleiches gilt für die Frage, „ob § 6a Abs. 4 UStG auch Vertrauensschutz dahingehend gewährt, dass der angebliche Abnehmer mit dem wirklichen Abnehmer identisch ist”. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ein Unternehmer, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (, Kittel, Slg. 2006, I-6161, Randnrn. 55 f.).
3. Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel die Rüge erhoben hat, das FG habe trotz Antrags in der mündlichen Verhandlung die Vernehmung des Zeugen B unterlassen, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des Verfahrensmangels (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels verlangt einen substantiierten Vortrag zu der Frage, welcher Zeuge zu welchem Beweisthema zu vernehmen gewesen wäre, was dieser voraussichtlich ausgesagt hätte und weshalb diese Aussage unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (vgl. , BFH/NV 1988, 235). Vorliegend fehlt es zum einen an einem Vortrag, was der nicht geladene Zeuge B voraussichtlich ausgesagt hätte. Dass seine Vernehmung möglicherweise zur Klärung der Identität des mit Namen „S” aufgetretenen Rechnungsausstellers geführt hätte, der bei seiner Geschäftsanmeldung einen gefälschten Personalausweis vorgelegt hatte, würde nichts daran ändern, dass der tatsächlich Leistende nicht —wie nach § 15 UStG vorausgesetzt— namentlich in der Rechnung benannt worden wäre. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb eine bei Durchführung der Zeugenvernehmung eventuell gelungene Aufklärung der Person, die sich hinter dem falschen Namen „S” verbarg, nach der Rechtsauffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der Gutgläubigkeit an die Person des Rechnungsausstellers geführt hätte. Denn gerade der Ankauf von hochwertigen PKW im Wesentlichen gegen Barzahlung (hier 128 000 DM) bei sofortigem Weiterverkauf zu dem in Bar erhaltenen Betrag sowie auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung waren, wie das FG revisionsrechtlich bindend feststellt (§ 118 Abs. 2 FGO), Umstände, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (vgl. dazu auch das Senatsurteil vom V R 1/04, BFH/NV 2005, 81).
4. Wenn die Klägerin zudem die Feststellung des FG bestreitet, wonach wegen der augenscheinlichen Unterschiede die Unterschrift auf der Verbringenserklärung nicht von dem Abholer „J. P.” stamme, wendet sie sich lediglich gegen die Beweiswürdigung des FG, ohne einen Verfahrensfehler zu benennen. Etwaige Fehler bei der Beweiswürdigung sind materiell-rechtliche Fehler und führen noch nicht zur Zulassung der Revision (BFH-Beschlüsse vom IX B 199/06, BFH/NV 2008, 26; vom VII B 345/06, BFH/NV 2008, 23; vom III B 22/05, BFH/NV 2006, 88).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 234 Nr. 2
BAAAD-02646