Auslegung eines Urteils im Hinblick auf Beteiligte und Streitgegenstand
Gesetze: FGO § 57 Nr. 1, FGO § 110 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob über ein Begehren der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bereits rechtskräftig entschieden worden ist.
Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Jahr 1992 als „Z-GmbH” gegründet. Im September 2003 wurde sie in „X-GmbH” umbenannt.
Schon im Jahr 1989 war unter dem Namen „X-GmbH” eine weitere GmbH gegründet worden. Diese GmbH (nachfolgend: X-GmbH II) wurde im März 1999 in „Y-GmbH” umfirmiert. Sowohl die X-GmbH II und spätere Y-GmbH als auch die Z-GmbH hatten ihren Sitz zunächst in B und später in S. Im Jahr 1999 wurde die Y-GmbH mit Wirkung zum auf die Z-GmbH verschmolzen.
Im Jahr 1997 wurde die X-GmbH II erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr (1995) veranlagt. Sie legte gegen den Steuerbescheid Einspruch ein, woraufhin das Verfahren zunächst zum Ruhen gebracht wurde. Im Jahr 2000 kündigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den steuerlichen Vertretern der X-GmbH II an, verschiedene Einspruchsverfahren nicht länger ruhen zu lassen. Sodann erließ er am eine Einspruchsentscheidung, in der die Einspruchsführerin mit „Y-GmbH” bezeichnet ist und die den steuerlichen Vertretern der Z-GmbH bekannt gegeben wurde. Diese Entscheidung, durch die der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde, griff die Z-GmbH mit einer Klage an. Während des Klageverfahrens erließ das FA am einen Änderungsbescheid, den es den Prozessbevollmächtigten der Z-GmbH „als Empfangsbevollmächtigte für Firma Y-GmbH” bekannt gab; mit diesem Bescheid, in dem dieselben Besteuerungsgrundlagen angesetzt waren wie im Bescheid gegenüber der X-GmbH II aus dem Jahr 1997, wurde der in jenem Bescheid enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Das Finanzgericht (FG) wies die von der Z-GmbH erhobene Klage mit Urteil vom ab. In diesem Urteil werden als Klägerin die „X-GmbH vormals firmierend als Z-GmbH” und der Streitgegenstand mit „Körperschaftsteuer 1995” bezeichnet. In den Urteilsgründen heißt es u.a., dass „die Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß wie folgt zur KSt 1995” veranlagt worden sei; die Verschmelzung der Y-GmbH auf die Z-GmbH wird dort nicht erwähnt. Eine gegen das Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der beschließende Senat als unzulässig verworfen (Senatsbeschluss vom I B 54/04, nicht veröffentlicht).
Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Y-GmbH, die Einspruchsentscheidung vom und den Änderungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung trug sie vor, dass beide Verwaltungsakte nichtig seien. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis darauf ab, dass der von der Klägerin begehrten Maßnahme die Rechtskraft des vom FG erlassenen Urteils entgegenstehe. Ein deshalb eingelegter Einspruch der Klägerin wurde als unzulässig verworfen.
Daraufhin erhob die Klägerin eine Klage, mit der sie geltend machte, die Einspruchsentscheidung vom und der Änderungsbescheid vom seien mangels wirksamer Bekanntgabe unwirksam. Die Rechtskraft des FG-Urteils stehe einer dahin gehenden Entscheidung nicht entgegen, da jenes Urteil sich auf die Besteuerung der Z-GmbH, nicht aber der X-GmbH II beziehe. Das FG wies diese Klage ab, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen ().
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob sie unzulässig ist, weil —wie das FA meint— der mit ihr gerügte Fehler keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellt. Denn wenn man ihre Zulässigkeit als gegeben unterstellt, ist sie jedenfalls unbegründet.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann. Wird auf diesen Grund eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Mangel in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde sind nur die ordnungsgemäß dargelegten Mängel zu berücksichtigen.
2. Im Streitfall trägt die Klägerin vor, das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Rechtskraft seines Urteils vom (9 K 7861/00 K) ihr —der Klägerin— gegenüber wirke. Diese Rüge geht fehl.
a) Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Zu den „Beteiligten” in diesem Sinne zählt u.a. der Kläger (§ 57 Nr. 1 FGO). Daher wirkt die Rechtskraft eines finanzgerichtlichen Urteils gegenüber dem Kläger des betreffenden Verfahrens jedenfalls dann, wenn das FG diesen tatsächlich als Kläger angesehen und behandelt hat; insoweit ist regelmäßig auf das Rubrum des FG-Urteils abzustellen (, BFH/NV 2003, 804, m.w.N.).
b) Im Streitfall ist die Klage, die zu dem geführt hat, ursprünglich von der Z-GmbH erhoben worden. In der Folge wurde die Firma der Z-GmbH in diejenige der Klägerin geändert. Dem hat das FG dadurch Rechnung getragen, dass es im Rubrum seines Urteils die Klägerin unter ihrem neuen Namen als Klägerin aufgeführt hat. Dass es ein anderes Rechtssubjekt —namentlich die durch die Verschmelzung erloschene X-GmbH II und spätere Y-GmbH— als Klägerin des Ausgangsverfahrens angesehen haben könnte, ist angesichts der insoweit eindeutigen Beteiligtenbezeichnung im Urteil („vormals firmierend als Z-GmbH”) ausgeschlossen und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Mithin war die Klägerin sowohl nach dem tatsächlichen Geschehensablauf als auch nach dem Verständnis des FG an jenem Verfahren als Klägerin beteiligt. Das wiederum hat zur Folge, dass die Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO ihr gegenüber wirkt.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Z-GmbH seinerzeit deutlich gemacht hat, dass sie die Klage in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der X-GmbH II und der Y-GmbH erheben wollte. Denn die subjektive Erstreckung der Rechtskraft auf den Kläger hängt nicht davon ab, woraus dieser seine Klagebefugnis ableitet; ein als Nachfolger eines anderen Rechtssubjekts auftretender Kläger ist in gleicher Weise an dem von ihm eingeleiteten Verfahren beteiligt wie derjenige, der einen unmittelbar ihm gegenüber erlassenen Verwaltungsakt angreift. Ebenso spielt keine Rolle, ob das FG im Ausgangsverfahren erkannt hat, dass neben der X-GmbH II auch die Klägerin selbst einer Besteuerung für das Streitjahr unterworfen worden war. Allein entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin den ursprünglich der X-GmbH II gegenüber erlassenen Bescheid sowohl anfechten durfte als auch angefochten hat und dass das FG über die dieserhalb erhobene Klage entschieden hat. Das hat das FG in dem jetzt angefochtenen Urteil zutreffend erkannt, weshalb dieses Urteil insoweit nicht auf einem Verfahrensfehler beruhen kann.
c) Gleichermaßen ergibt sich ein solcher Mangel nicht daraus, dass das FG den sachlichen Gegenstand des Ausgangsverfahrens unrichtig beurteilt hat. Denn jener Gegenstand war sowohl nach dem dortigen Vorbringen der Klägerin als auch nach der daraufhin ergangenen Entscheidung des FG der gegenüber der X-GmbH II erlassene Steuerbescheid in der Gestalt des Änderungsbescheids vom . Das angefochtene Urteil enthält dazu Ausführungen, denen die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht substantiiert entgegengetreten ist. Daher wird auf eine nähere Erörterung dieses Punktes gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 184 Nr. 2
WAAAD-02639