BGH Beschluss v. - V ZB 63/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: LG Bonn, 2 O 272/06 vom OLG Köln, 24 U 78/07 vom

Gründe

I.

Mit dem den Klägern am zugestellten Urteil hat das Landgericht die - auf Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages und auf Rückzahlung einer Maklerprovision gerichtete - Klage teilweise abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte zu 2 Berufung eingelegt, diese aber später wieder zurück genommen. Am sind bei dem Oberlandesgericht per Faxkopie zwei von dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger unterzeichnete Schriftsätze eingegangen, und zwar ein Antrag auf Prozesskostenhilfe sowie ein als "Berufung und Berufungsbegründung" bezeichneter Schriftsatz. Das Prozesskostenhilfegesuch wird damit begründet, dass die Antragsteller nicht in der Lage seien, die Kosten für die "beabsichtigte Berufung" aufzubringen. Wegen der hinreichenden Erfolgsaussicht der "beabsichtigten Berufung" wird auf den "anliegenden Berufungseinlegungs- und Begründungsentwurf" verwiesen. Sodann heißt es in dem Prozesskostenhilfeantrag:

"Wir weisen noch darauf hin, dass die Berufung nicht an eine Bedingung geknüpft wird. Wir bitten das Gericht um kurzfristige Entscheidung. Wir würden sodann zur Wahrung der gerichtlichen Fristen hinsichtlich der Berufungseinlegung Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen."

Mit Verfügung vom hat das Oberlandesgericht einen Beratungstermin in Aussicht gestellt, der "lediglich die von den Klägern beabsichtigte eigene Berufung betrifft". Unter dem hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger um Bescheidung des Prozesskostenhilfegesuchs unter Hinweis darauf gebeten, dass es sich bei der Formulierung, die Berufung sei nicht an eine Bedingung geknüpft, um ein Versehen handle. Wie sich auch aus dem in dem Gesuch herausgestellten Wiedereinsetzungserfordernis ergebe, sei das Wort "nicht" zu streichen. Danach hat er das Mandat niedergelegt.

Mit Schriftsatz vom hat sich der nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Kläger mit der Erklärung bestellt, er werde den Prozesskostenhilfeantrag mit der Maßgabe seiner eigenen Beiordnung stellen. Im Übrigen nehme er auf den Berufungs- und Berufungsbegründungsschriftsatz vom Bezug und mache dessen Inhalt auch zum Inhalt des diesseitigen Vortrages.

Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht den Klägern antragsgemäß Prozesskostenhilfe "für die von ihnen beabsichtigte Berufung" bewilligt. Auf ausdrücklichen Hinweis des Gerichts vom darauf, dass die Kläger keine Berufung eingelegt hätten, haben diese mit bei dem Oberlandesgericht am eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht, die Kläger hätten unbedingt Berufung eingelegt. Vorsorglich haben sie Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist und hilfsweise in die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung beantragt.

Die Wiedereinsetzungsgesuche sind erfolglos geblieben. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht den Hauptantrag als unzulässig verworfen und den Hilfsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Mit weiterem Beschluss vom hat es die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Gegen beide Beschlüsse haben die Kläger Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Beklagten beantragen, beide Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richteten; im Übrigen beantragen sie deren Zurückweisung als unbegründet.

II.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Kläger hätten die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt. Aus der Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs ergebe sich mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass vor der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe keine Berufung eingelegt werden sollte. Auch die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO hätten die Kläger versäumt. Diese Frist beginne mit dem Tag, an dem das Hindernis zur Wahrung der Notfrist entfallen sei (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das sei hier der , an dem der Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss vom zugestellt worden sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei jedoch erst am eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO scheide aus, weil dem nunmehrigen Prozessesbevollmächtigten der Kläger spätestens mit der Zustellung des Beschlusses vom hätte auffallen müssen, dass eine unbedingte Berufungseinlegung nicht vorgelegen habe.

III.

Beide Rechtsbeschwerden sind zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 238 Abs. 2 Satz 1; 522 Abs. 1 Satz 4), aber schon deshalb insgesamt unzulässig, weil den Rechtssachen weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht den Klägern den Zugang zur Berufungsinstanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 GG; vgl. dazu etwa BVerfGE 110, 339, 342; BGHZ 151, 221, 227).

1. Die Annahme, die Kläger hätten die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt, beruht nicht auf überspannten Anforderungen. Vielmehr geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass ein Schriftsatz, der alle formellen Anforderungen an eine Berufung erfüllt, nur dann nicht als unbedingte Berufung gedeutet werden darf, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (, NJW 2002, 1352; Beschl. v. , XII ZB 31/07, NJW-RR 2007, 1565, 1566 m.w.N.). Dass es bei verständiger Gesamtwürdigung hier so liegt, hat das Berufungsgericht - insbesondere mit Blick auf die Ankündigung des Prozessbevollmächtigten der Kläger in dem Prozesskostenhilfeantrag, er werde nach Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zur Fristwahrung einen Wiedereinsetzungsantrag stellen - überzeugend dargelegt; auf die diesbezüglichen Erwägungen wird verwiesen. Dabei hat das Berufungsgericht im Übrigen auch beachtet, dass bei der Auslegung fristgebundener Prozesserklärungen nur diejenigen Umstände berücksichtigt werden dürfen, die für das Gericht innerhalb der Frist erkennbar waren, nicht aber nachträgliche Klarstellungen (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Mai, III ZB 8/00, NJW-RR 2000, 1590 m.w.N.).

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.

a) Die Kläger haben die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO versäumt, die mit dem Tag der Behebung des Hindernisses zu laufen begann (§ 234 Abs. 2 ZPO). Behoben ist das Hindernis, wenn sein Weiterbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt, dessen Verschulden dem Wiedereinsetzung Beantragenden nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, beginnt diese Frist daher spätestens in dem Zeitpunkt, in dem der Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können (zum Ganzen Senat, Beschl. v. , V ZB 107/07, NJW-RR 2008, 1084, 1085 m.w.N.). Dies war - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - spätestens der Tag der Zustellung des Beschlusses vom , mit dem den Klägern Prozesskostenhilfe "für die von ihnen beabsichtigte Berufung" bewilligt worden ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste jedem verständigen Prozessbevollmächtigten klar sein, dass sich das Gericht der Auffassung des früheren Prozessbevollmächtigten der Kläger angeschlossen hatte, wonach die Kläger mit Schriftsatz vom noch keine Berufung eingelegt hatten. Es kommt daher gar nicht mehr darauf an, dass ein Anwalt nach ständiger Rechtsprechung ohnehin selbst bei unklarer oder zweifelhafter Rechtslage jedenfalls den sichersten Weg beschreiten muss (vgl. dazu etwa , NJW 1991, 2709, 2710 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde scheidet eine Wiedereinsetzung von Amts (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO), wonach es eines (fristgebundenen) Wiedereinsetzungsantrages nicht bedarf, wenn die Partei schon vor der Prozesskostenhilfeentscheidung die versäumte Prozesshandlung nachgeholt hat und die Gründe für die unverschuldete Fristversäumung aktenkundig waren (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Mai, III ZB 8/00, NJW-RR 2000, 1590), vorliegend aus. Es ist zwar richtig, dass der Antragsteller eines Prozesskostenhilfegesuchs, der die Berufungseinlegung an die Bedingung der Prozesskostenhilfegewährung geknüpft hat, diese Bedingung durch Erklärung gegenüber dem Berufungsgericht mit der Folge zurücknehmen kann, dass nunmehr eine unbedingte Prozesserklärung vorliegt (, NJW-RR 2007, 1565, 1566 f.); auch darin ist eine Nachholung der versäumten Prozesshandlung zu erblicken. Indessen hat der nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Kläger keine Erklärungen abgegeben, die in diesem Sinne zu deuten wären. Mit Schriftsatz vom hat er den Antrag aus dem Prozesskostenhilfegesuch vom mit der Maßgabe seiner Beiordnung gestellt und "im Übrigen" auf den Berufungs- und Berufungsbegründungsschriftsatz vom selben Tage verwiesen. Jedenfalls vor dem Hintergrund der ausdrücklichen, unzweideutigen und zumal zutreffenden Erklärung des vorherigen Prozessbevollmächtigten vom , wonach der Schriftsatz vom keine unbedingte Berufungseinlegung enthalte, kann diese Bezugnahme nur als Verweis auf die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels verstanden werden. Nicht anders verhält es sich mit dem Schriftsatz vom , in dem weitere Ausführungen lediglich zur Begründetheit der Klage gemacht werden.

c) Soweit die Kläger hilfsweise Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist verlangen, liegt es auf der Hand, dass von einem unverschuldeten Rechtsirrtum des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger keine Rede sein kann.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
EAAAD-02311

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein