Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 354 Abs. 1 b Satz 1; StPO § 460; StPO § 462; StGB § 55 Abs. 1 S. 1
Instanzenzug: LG Saarbrücken, vom
Gründe
Der Angeklagte war durch wegen Vergewaltigung in neun Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Landau vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, da keine der Tatbestandsalternativen des § 177 Abs. 1 StGB durch die vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen belegt war.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten wegen Nötigung in neun Fällen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von zwei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Zweibrücken vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
Sie ergeben, dass der Angeklagte die Zeugin B. in neun Fällen in Gegenwart weiterer Mitangeklagter zur Durchführung des Oral- und/oder Vaginalverkehrs, in einem Fall (Tat 26c) gleichzeitig mit dem Mitangeklagten Ba. , genötigt hat (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB). Die Zeugin hat die sexuellen Handlungen nicht freiwillig vorgenommen. Sie war zwar illegal eingereist, um in Deutschland der Prostitution nachzugehen; sie lehnte aber, wie der Angeklagte wusste, "Sex mit mehreren Personen gleichzeitig oder nacheinander oder die Ausübung sexueller Handlungen in Anwesenheit weiterer Personen" entschieden ab. Dem Angeklagten war bei den jeweiligen Taten bewusst, dass die Zeugin seinem Ansinnen nur deswegen nachkam, weil ihr von ihm und anderen Mitgliedern der Gruppe um den Angeklagten J. wiederholt zumindest konkludent angedroht worden war, sie im Falle der Widersetzlichkeit zu den äußerst gewaltbereiten Zuhältern zurückzubringen, denen sie zuvor ausgeliefert gewesen war. Vor diesen hatte sie deshalb große Angst, weil sie ihren damaligen Freund getötet hatten. Eine solche Drohung muss nicht direkt ausgesprochen werden, es genügt vielmehr, wenn sie versteckt "zwischen den Zeilen" erfolgt (vgl. Träger/Altvater in LK 11. Aufl. § 240 Rdn. 56), wie dies vor der Tat 3a geschehen ist. Der Angeklagte und die Mitangeklagten Ba. und S. haben der Zeugin durch ihre Äußerungen unmissverständlich klargemacht, dass sie nur so lange vor den gewaltbereiten Zuhältern sicher sei, wie sie den sexuellen Wünschen der Gruppe nachkomme.
Außerdem schürten der Angeklagte und weitere Mitangeklagte die Angst der Zeugin vor Abschiebung und langzeitiger Inhaftierung sowohl in Deutschland als auch in ihrem Heimatland, mit der sie im Falle des Bekanntwerdens ihres illegalen Aufenthalts rechnete, indem sie drohten, sie der Polizei auszuliefern [UA 14, 48].
Diese Drohkulisse wurde während des gesamten Tatzeitraums aufrechterhalten. Wie der Senat in dem Beschluss vom - 4 StR 345/06 (= NJW 2007, 2341 ff.; NStZ 2008, 50 ff.) im Einzelnen ausgeführt hat, wird dadurch noch keine schutzlose Lage der Zeugin im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB begründet. Für die Erfüllung des Nötigungstatbestandes reicht die ausdrückliche oder konkludente Androhung der geschilderten Übel dagegen aus, auch soweit sie nicht vom Angeklagten selbst ausgesprochen wurde; denn diese ist ihm zuzurechnen.
2. Die Bemessung der Einzelstrafen weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf; der Gesamtstrafausspruch hat dagegen keinen Bestand.
Die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe ist, wie die Revision zutreffend rügt, rechtsfehlerhaft erfolgt. Das Landgericht hätte die Einzelstrafen von drei Jahren sowie einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Landau vom erneut in die Gesamtstrafe einbeziehen müssen, auch wenn die vom Landgericht Landau verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten mittlerweile vollständig vollstreckt ist. Grundsätzlich hat nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Hauptverhandlung die Gesamtstrafbildung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung zu erfolgen. Dies gilt nicht nur in dem speziellen Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafbildung erfolgt ist. Vielmehr ist regelmäßig so zu verfahren, damit einem Revisionsführer ein durch nachträgliche Gesamtstrafbildung erlangter Rechtsvorteil nicht durch sein Rechtsmittel genommen wird (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2001, 645; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 200/99 - und vom - 4 StR 633/99; vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 55 Rdn. 37a m.w.N.).
Durch die rechtsfehlerhafte Gesamtstrafbildung ist der Angeklagte nicht ausschließbar beschwert. Auch wenn das Landgericht einen Härteausgleich vorgenommen hat, liegt es nahe, dass gegen den Angeklagten bei zutreffender Gesamtstrafbildung eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt worden wäre, deren Höhe die Summe der Gesamtstrafen aus dem vorliegenden Urteil und dem des Landgerichts Landau nicht erreicht hätte.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu entscheiden. Die nachträgliche Gesamtstrafbildung aus den nunmehr rechtskräftigen neun Einzelstrafen und den Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Landau obliegt danach dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die das Amtsgericht Zweibrücken mit Urteil vom wegen einer am begangenen Straftat gegen den Angeklagten verhängt hat, wegen der Zäsurwirkung des Urteils des Landgerichts Landau nicht gesamtstraffähig ist. Im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird bei der Bildung der neuen Gesamtstrafe weiterhin zu beachten sein, dass diese nur so hoch bemessen werden darf, dass sie die Summe der in den beiden landgerichtlichen Urteilen verhängten Gesamtfreiheitsstrafen abzüglich der zweimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Zweibrücken nicht übersteigt (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 1).
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels ist von dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung zu treffen (vgl. BGH NJW 2005, 1205, 1206). Obwohl der Angeklagte das Urteil auch hinsichtlich des Schuldspruchs angegriffen und mit seinem Rechtsmittel lediglich einen Teilerfolg zur Gesamtstrafe erzielt hat, erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass im Nachverfahren das Gewicht der Rechtsfolge so gemildert wird, dass es unbillig wäre, dem Angeklagten die gesamten Rechtsmittelkosten aufzuerlegen.
Die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren gemäß § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen. Dem steht nicht entgegen, dass der Angeklagte nur wegen eines nicht nebenklagefähigen Delikts verurteilt worden ist, da der Schuldspruch die Nebenklägerin im Sinne des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO betrifft (vgl. BGHSt 38, 93; BGH bei Kusch NStZ 1997, 71, 74; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 473 Rdn. 10).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAD-02244
1Nachschlagewerk: nein