BGH Beschluss v. - XII ZB 92/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 139; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, 6 F 367/07 vom OLG Koblenz, 13 UF 7/08 vom

Gründe

I.

Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Trennungsunterhalt in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die gesamten von ihm in den letzten 12 Monaten, nämlich in der Zeit vom bis , erzielten Einkünfte, und zwar:

a) aus nichtselbständiger Tätigkeit durch Vorlage der monatlichen Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, aufgeschlüsselt nach Brutto- und Nettoeinkommen unter Einschluss von Gratifikationen, Spesen, Auslagen und Überstundenvergütung für den genannten Zeitraum;

b) aus Kapitalerträgen durch Vorlage einer Bescheinigung für das Jahr 2006;

c) aus Vermietung und Verpachtung durch Vorlage einer Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2006;

d) aus Nebentätigkeitseinkünften, Renten, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe durch Vorlage einer Bestätigung der entsprechenden Institutionen;

e) aus selbständiger Tätigkeit durch Vorlage der Bilanzen und Einnahmen- und Ausgabenberechnungen, Listen der Abschreibung für Abnutzung, die der Bilanz zugrunde liegenden Steuerbescheide und Steuererklärungen, und zwar jeweils bezüglich der zurückliegenden drei Jahre, nämlich 2004, 2005 und 2006.

Dagegen legte der Beklagte Berufung ein. Durch Beschluss vom verwarf das Oberlandesgericht - nach Erteilung eines entsprechenden Hinweises - die Berufung als unzulässig, weil sie nicht innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden war. Zugleich setzte es den Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz auf 500 € fest. Nachdem der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung begründet hatte, wies das Oberlandesgericht ihn darauf hin, dass die Berufung - unabhängig von der Frage einer eventuellen Wiedereinsetzung - schon deshalb unzulässig sein dürfte, weil die Beschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht sei.

Durch den angefochtenen Beschluss wurde dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Gleichzeitig wurde seine Berufung als unzulässig verworfen, da die notwendige Beschwer nicht erreicht sei. Diese sei mit allenfalls 500 € zu bewerten, dementsprechend sei der Streitwert in dem Beschluss vom auch auf 500 € festgesetzt worden.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber nicht zulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht vorliegt.

1. Dieser Zulassungsgrund ist zunächst in den Fällen einer Divergenz gegeben, wenn also die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGHZ 154, 288, 292 m.w.N.).

Die danach erforderlichen Voraussetzungen hat der Beklagte in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht aufgezeigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich die Beschwer einer zur Auskunft verurteilten Partei nach deren Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Für die Bewertung dieses Abwehrinteresses kommt es, soweit - wie hier - ein besonderes Geheimhaltungsinteresse nicht geltend gemacht wird, auf den Zeit- und Arbeitsaufwand an, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft verursacht (BGH - GSZ - 128, 85, 87 f.; Senatsbeschluss vom - XII ZB 192/06 - FamRZ 2008, 1336 m.w.N.).

Das Berufungsgericht hat diesen Aufwand mit allenfalls 500 € veranschlagt. Dafür, dass es - wie die Rechtsbeschwerde meint - entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine generelle Begrenzung des Wertes des Abwehrinteresses auf 500 € für zutreffend erachte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dagegen spricht bereits die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom (- XII ZB 63/05 - FamRZ 2005, 1986 f.), in der die maßgebliche Rechtsprechung dargestellt ist. Dass das Berufungsgericht hiervon abgewichen wäre, kann nicht festgestellt werden.

Dafür ist auch aus der Wertfestsetzung auf 500 € nichts ersichtlich. Dem Beklagten obliegt es nach dem Teilurteil des Amtsgerichts, Auskunft über die in der Zeit von September 2006 bis August 2007 erzielten Einkünfte zu erteilen. Zu diesem Zweck sind bezüglich einer ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit die monatlichen Gehaltsabrechnungen vorzulegen. Hinsichtlich eventueller Kapitalerträge ist eine Bescheinigung und hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine Gewinn- und Verlustrechnung, jeweils für 2006, vorzulegen. Einkünfte aus Nebentätigkeiten, Renten, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sind - soweit vorhanden - durch entsprechende Belege zu dokumentieren. Wegen der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit sind Bilanzen nebst den im Einzelnen bezeichneten Anlagen sowie die Steuererklärungen und -bescheide für 2004, 2005 und 2006 beizubringen. Der damit verbundene Aufwand besteht mithin in der Zusammenstellung bereits vorhandener Unterlagen und der Anfertigung entsprechender Kopien. Soweit der Beklagte über im Einzelnen bezeichnete Einkünfte nicht verfügte, ist dies zu erklären. Der Hilfe Dritter, insbesondere eines Steuerberaters, bedarf der Beklagte dazu nicht, da entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde keine Ermittlung der Einkünfte und Ausstellung einer Einkommensbescheinigung geschuldet ist.

Bei dieser Sachlage ergibt sich auch in tatsächlicher Hinsicht nichts für die Auffassung der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe nicht den konkret erforderlichen Aufwand bewertet, sondern eine generelle Begrenzung des Wertes auf 500 € für zutreffend erachtet. Dass der tatsächliche Aufwand höhere Kosten als 500 € verursachen würde, war für das Berufungsgericht ohne substantiierten, hier indessen fehlenden Sachvortrag nicht ersichtlich.

2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat, namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; BGHZ 151, 221, 226).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dem Berufungsgericht eine Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO als Ausprägung dieser Grundsätze aber nicht vorzuwerfen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt das Gericht seiner Hinweispflicht dann, wenn es die Parteien auf den noch fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweist und ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen. Diese Hinweispflicht besteht im Grundsatz auch in Verfahren, in denen die Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Hat die Partei einen nicht hinreichend eindeutigen Hinweis falsch aufgenommen, muss das Gericht diesen präzisieren und der Partei erneut Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 192/06 - FamRZ 2008, 1336 f. m.w.N.).

Dieser Hinweispflicht ist genügt worden, indem das Berufungsgericht mit Beschluss vom den Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz auf 500 € festgesetzt hat. Dadurch war für den anwaltlich vertretenen Beklagten erkennbar, dass die Berufung nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht nur mangels rechtzeitiger Begründung, sondern auch nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig war. Der Anwalt musste deshalb unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beschwer einer zur Auskunftserteilung verurteilten Partei und zu dem in gleicher Höhe zu bemessenden Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz davon ausgehen, zu dem notwendigen Kostenaufwand nicht hinreichend vorgetragen zu haben.

Das Berufungsgericht hat seine Hinweispflicht auch nicht dadurch verletzt, dass es dem Beklagten - nachdem dieser Wiedereinsetzung beantragt, die Berufung begründet, gleichwohl aber keinen Vortrag zur Beschwer gehalten hatte - lediglich mitgeteilt hat, dass die Berufung, unabhängig von der Frage einer eventuellen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - schon deshalb unzulässig sein dürfte, weil die Beschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht sei. Denn der Anwalt, der die Berufung allein damit begründet hatte, der Beklagte schulde keinen Trennungsunterhalt und brauche deshalb auch keine Auskunft zu erteilen, weil der Unterhaltsanspruch der Klägerin verwirkt sei, musste aufgrund des erneut erteilten und angesichts der klaren Rechtslage keiner Präzisierung bedürfenden Hinweises davon ausgehen, mit der vorgelegten Berufungsbegründung zu der erforderlichen Beschwer nicht hinreichend vorgetragen zu haben.

Aber selbst wenn eine Verletzung der Hinweispflicht bejaht werden würde, läge kein erheblicher Rechtsfehler vor, der eine Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte. Denn es ist nicht dargetan, dass der Beklagte auf einen die maßgebliche Rechtsprechung konkret aufzeigenden Hinweis erheblichen neuen Sachvortrag gehalten hätte (vgl. - WuM 2008, 615, 617). Das Vorbringen der Rechtsbeschwerde hierzu erschöpft sich in den Ausführungen, die steuerlichen Angelegenheiten des Beklagten als Gewerbetreibendem würden von einem Steuerberater erledigt. Durch eine vorzeitige Ermittlung der Einkünfte, Zusammenstellung der Unterlagen und Ausstellung einer Einkommensbescheinigung entstünden Steuerberaterkosten von ca. 700 €. Da der Beklagte, wie bereits dargelegt, aber weder eine vorzeitige Einkommensermittlung noch die Ausstellung einer Einkommensbescheinigung schuldet, wäre der Vortrag für eine über den Betrag von 500 € hinausgehende Festsetzung der Beschwer unbehelflich gewesen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
RAAAD-01297

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein