Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 24 Abs. 1 Satz 1; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5; StGB § 315 b; WaffG § 1 Abs. 1; WaffG § 52 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: LG Frankfurt an der Oder, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von vier Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt.
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Spätestens während der Fahrt durch ein Waldgebiet fasste der Angeklagte den Entschluss, den im Range Rover neben ihm sitzenden Zeugen Jörg B. zu töten, "wobei seine Motivlage nicht geklärt werden konnte." Der Angeklagte hielt den Range Rover gegen 11:30 Uhr unter einem Vorwand auf dem Randstreifen der Landstraße an und verließ das Fahrzeug. Unbemerkt von Jörg B. , der im Range Rover wartete, kehrte der Angeklagte zu dem Fahrzeug zurück, öffnete die Fahrertür und schoss mit seiner Pistole vom Typ Beretta auf Jörg B. , um diesen unter Ausnutzung seiner Arg- und Wehrlosigkeit zu töten. Das Projektil durchdrang die Muskulatur des Geschädigten oberhalb des linken Schlüsselbeins. Jörg B. verließ den Range Rover und rannte im Zick Zack auf die Straße und von dort aus in den Wald. Die weiteren drei Schüsse, die der Angeklagte auf den fliehenden Jörg B. abgab, verfehlten diesen. "Er geriet aus dem Blickfeld des Angeklagten, der dem Zeugen nicht in den Wald folgte, sondern bei seinem Fahrzeug verblieb und sein Tötungsvorhaben als gescheitert ansah."
Der Angeklagte wendete den Range Rover und verblieb am Tatort. Als Jörg B. "nach einiger Zeit" aus dem Wald herauskam und versuchte, den Fahrer eines etwa 40 m vor dem Range Rover haltenden BMW zu veranlassen, ihn mitzunehmen, beugte sich der Angeklagte aus seinem Fahrzeug heraus und schoss erneut auf Jörg B. , ohne diesen zu treffen. Der Angeklagte folgte Jörg B. , der wegzulaufen versuchte, mit dem Range Rover. Als er diesen erreicht hatte, hielt er sein Fahrzeug an und rief Jörg B. zu: "Was hab ich getan, was hab ich getan, steig ein." Jörg B. forderte den Angeklagten auf, die Waffe wegzuwerfen, was dieser tat, stieg in den Range Rover ein und bat den Angeklagten, ihn ins Krankenhaus zu fahren.
Während der Fahrt auf der Landstraße telefonierte Jörg B. mit seinem Bruder. Der Angeklagte entschloss sich, Jörg B. zu töten, weil er befürchtete, dieser werde seinem Bruder den wirklichen Tathergang schildern. Er beschleunigte den Range Rover auf etwa 100 km/h und lenkte ihn "kurz nach 11:51" Uhr gezielt nach rechts mit der rechten Vorderfront gegen einen am Randstreifen stehenden Baum. Jörg B. überlebte den Unfall.
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte den fünften Schuss auf Jörg B. aufgrund eines neuen Tatenschlusses abgeben und hat danach freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben. Der strafbefreiende Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB erstrecke sich aber nicht auf den vorangegangenen Mordversuch, weil der Angeklagte diesen als fehlgeschlagen angesehen habe. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt hinsichtlich des ersten Tatabschnitts allerdings dann ausgeschlossen, wenn dieser als ein bereits fehlgeschlagener Versuch zu erachten ist (vgl. BGHSt 34, 53, 55; 41, 368, 369; 44, 91, 94). Von einem solchen, auch durch spätere Handlungen nicht mehr rücktrittsfähigen fehlgeschlagenen Versuch ist - bei aktivem Tun - jedoch nur dann auszugehen, wenn der Täter nach dem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs zu der Annahme gelangt, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitliegenden Mitteln vollenden, so dass ein erneutes Ansetzen notwendig sei, um zum gewünschten Ziel zu gelangen (BGHSt 41, 368, 369 m.w.N.). Zwar hat der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen sein Vorhaben, den Jörg B. zu töten, nach dessen Flucht in den Wald als gescheitert angesehen. Diese Feststellung findet aber in der Beweiswürdigung des Landgerichts keine Grundlage. Vielmehr lässt die - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei festgestellte objektive Sachlage, die insoweit von Bedeutung ist, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters gestattet (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 7), nicht ohne Weiteres den Schluss zu, der Angeklagte habe den Mordversuch nach Abgabe des vierten Schusses als gescheitert angesehen. Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte auch nach Abgabe des vierten Schusses objektiv weiterhin die Möglichkeit, die Tat ohne zeitliche Zäsur mit dem bereits eingesetzten Mittel zu vollenden. In seiner funktionstüchtigen Pistole befanden sich noch zwei Patronen, so dass er das Tatopfer hätte verfolgen können, um in eine günstigere Schussposition zu gelangen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte hierzu - etwa aus physischen Gründen - nicht in der Lage gewesen wäre, enthält das Urteil nicht.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach dem vierten Schuss die ihm möglich erscheinende weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben hat und dass er sowohl von dem Mordversuch als auch von dem dann rechtlich selbständigen nachfolgenden weiteren Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Nach den bisherigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen kommt aber, worauf die Revision zutreffend hingewiesen hat, auch in Betracht, dass der Angeklagte von der Verfolgung Jörg B. s deshalb absah, weil er mit dessen alsbaldiger Rückkehr zur Straße rechnete und die Tat dann vollenden wollte. Insoweit hätte der Prüfung bedurft, ob die dann durch einen fortbestehenden Tötungsvorsatz verbundenen Einzelakte bis zum Wegwerfen der Pistole in einem derart unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, dass das gesamte Handeln des Angeklagten in diesen Handlungsabschnitten auch für einen Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 263; 2007, 399, jew. m. w. N.).
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
3. Soweit der Angeklagte im dritten Handlungsabschnitt des Tatgeschehens versucht hat, Jörg B. zu töten, indem er mit dem Range Rover mit hoher Geschwindigkeit gezielt mit der Beifahrerseite des Fahrzeugs gegen einen Straßenbaum fuhr, ist der Schuldspruch wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zwar für sich genommen im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat hebt das Urteil aber gleichwohl auch insoweit auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, zu den Motiven des Angeklagten - und damit auch zu den in Betracht kommenden Mordmerkmalen - widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in diesem Handlungsabschnitt können jedoch bestehen bleiben. Die ihnen zu Grunde liegende Beweiswürdigung ist entgegen der Auffassung der Revision rechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere weist sie auch keine Lücken auf.
4. Die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung geben Anlass auf Folgendes hinzuweisen:
a) Wer die tatsächliche Gewalt über eine Waffe außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums ausübt, führt eine Waffe (Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 WaffG Abschnitt 2 Nr. 4). Der gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG strafbare unerlaubte Besitz und das nach dieser Vorschrift strafbare unerlaubte Führen einer Waffe stehen in Tateinheit (vgl. BGH NStZ 2001, 101).
b) Soweit das Landgericht neben einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auch die Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bejaht und das eingesetzte Kraftfahrzeug als gefährliches Werkzeug angesehen hat, wird vorsorglich auf die Entscheidung des Senats vom - 4 StR 524/06 (BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG Werkzeug 3) hingewiesen.
c) Die Gefährdung des vom Täter geführten, ihm aber nicht gehörenden Fahrzeugs scheidet aus dem Schutzbereich des § 315 b StGB aus (vgl. BGHSt 27, 40; Fischer StGB 55. Aufl. § 315 c Rdn. 15 b m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAD-00119
1Nachschlagewerk: nein